Kurator Felix Krämer (l.) im Gespräch mit einem Besucher

Bevor die große Ernst Ludwig-Kirchner-Retrospektive im Frankfurter Städel starten konnte, hieß es erst mal auf eine Dame warten, deren Abreise ein Vulkanausbruch in Island behinderte. Der Mann, der sie schaffen hatte, war durchaus kein einfacher Mensch.

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Ernst Ludwig-Kirchner-Retrospektive Städel

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Die Leihgabe "Marcella" aus einem Stockholmer Museum traf wegen der Einschränkungen des schwedischen Luftverkehrs nach dem Vulkanausbruch in Island erst kurz vor Ausstellungseröffnung in Frankfurt am Main ein. Auch die Kirchner-Bilder "Soldatenbad" und "Drahtseiltanz" ließen auf sich warten. Doch vier Tage nach Eröffnung der Ausstellung hingen alle Bilder wohlbehalten an ihrem vorgesehenen Platz. Die Frankfurter Ausstellung war die erste große Kirchner-Retrospektive in Deutschland seit 30 Jahren. Gezeigt wurden rund 180 Gemälde, Skulpturen und Papier-Arbeiten des großen Expressionisten Ernst Ludwig Kirchner (1880-1938) - auch einige der weltberühmten "Straßenszenen".

"Dazu will ich eine Ausstellung machen"

Als Felix Krämer vor zwei Jahren die Stelle des Leiters der Gemälde- und Skulpturensammlung 19. Jahrhundert und klassische Moderne im Frankfurter Städel Museum antrat und erstmals im Depot dem umfangreichen hauseigenen Bestand an Kirchner-Werken begegnete, stand für ihn fest: "Dazu will ich eine Ausstellung machen". Denn das Städel besitzt - neben Davos - die weltweit größte Sammlung von Werken des in Aschaffenburg geborenen Künstlers, dessen Beziehungen sowohl zur Stadt Frankfurt als auch zum Museum sehr eng waren. Weiterhin profitierte die Schau auch von spektakulären Leihgaben wie beispielsweise dem Hauptwerk "Zirkusreiter" aus St. Louis, das erstmals seit 1980 wieder in Europa zu sehen war. Besonders stolz war Kurator Krämer darauf, dass es ihm gelang, das Triptychon "Badende Frauen" der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Es war zuletzt 1933 ausgestellt worden. 

Positive Kritiken schreib Kirchner selbst

Ziel der Schau war es, der "hochkomplexen, egomanischen und egozentrischen Persönlichkeit" eines Künstlers nachzuspüren, der sich als Nachfolger Albrecht Dürers sah und gleichzeitig von der französischen Malerei beeinflusst wurde. Um die Widersprüchlichkeit Kirchners zu illustrieren, zeigte das Museum den Besuchern am Eingang der Ausstellung Zitate etwa aus Briefen des Künstlers. Um unliebsamen Berichten über seine Kunst zu begegnen, hatte Kirchner - so Krämer - unter dem Pseudonym Louis de Marsalle etwa positive Kritiken über sich selbst verfasst und an Zeitungen verkauft. Eine besondere Verbindung hatte Kirchner zur Stadt Frankfurt. In der Galerie Schames fand 1916 die erste Ausstellung seiner Werke überhaupt statt und das Städel war eines der ersten Museen, das Werke des Expressionisten kaufte. Darüber war Kirchner selbst sehr erstaunt. In seinem Tagebuch findet sich am 21. Dezember 1925 der Eintrag: "Ich staune über die Kraft meiner Bilder im Städel." 

Städel stolpert über Kirchner-Gemälde

Im Vorfeld der Ausstellung machte Krämer einen grandiosen Fund: Er war im Depot auf ein unbekanntes Kirchner-Gemälde gestoßen. Zunächst hielt man das gute Stück für eine Fälschung. Im Juli 2010 wurde es von renommierten Experten eindeutig dem Expressionisten eindeutig Kirchner zugeschrieben. "Der Fund ist ein kunsthistorischer Glücksfall", freute sich Krämer. Der Akt sei von dem Künstler als eines von wenigen seiner Werke unbearbeitet geblieben und biete ein authentisches Bild von Kirchners frühem Schaffen. Städel-Direktor Max Hollein gab bekannt, dass keiner wisse, "wann und wie das Bild ins Museum kam und wer der Eigentümer ist. Unsere Aktenlage zu dem Bild ist gleich null." Vermutlich hatte das Gemälde seit den 1930er Jahren unbeachtet im Depot gelegen. Mit der Neueröffnung des renovierten und erweiterten Städels im Herbst 2011 soll das neue Kirchner-Gemälde ausgestellt werden.