Henninger Turm

Der Henninger Turm war einmal das höchste Getreidesilo der Welt mit Aussichtsrestaurant und atemberaubendem Ausblick über Frankfurt. Jetzt kommt der Turm, der vor Geschichte strotzt, weg. Ein Blick zurück auf seine bewegte Vergangenheit.

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Abschied vom Henninger-Turm

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August 2013: Dem Henninger Turm fehlt schon sein charakteristisches "Fass" – und auch sein Inneres ist inzwischen völlig entkernt. Vor über fünfzig Jahren wurden hier sechstausend Kubikmeter Beton und fünfhundert Tonnen Stahl verbaut. Weil der Turm nicht gesprengt werden darf, wird er jetzt aufwendig abgetragen.

Im 21. Stockwerks lag einst das Dachgartenrestaurant lag - rauschende Tanzfeste wurden hier gefeiert. Jetzt kommt der Turm weg, weil er marode war und veraltet, weil er voller Asbest steckte und nicht für neue Zwecke nutzbar war. Bei der Eröffnung im Frühjahr 1961 war der Henninger Turm nicht nur das höchste Gebäude Frankfurts, sondern auch das höchste Getreidesilo der Welt mit Aussichtsrestaurant. Bis zur Spitze rund hundertzwanzig Meter, über dreißig Stockwerke, 731 Stufen.

Der Turm ist aufgeladen mit Geschichten

Januar 2013: Kurz vor Beginn der Abrissarbeiten Anfang des Jahres gestattet der Eigentümer einen letzten Blick in den Turm. Das Büro der Architekten Claudia Meixner und Florian Schlüter plant den neuen Turm, der an der Stelle des alten errichtet werden soll. Sie wollen mit ihrem Neubau daran erinnern, was gewesen ist. Und sie nutzen die Chance, ein letztes Mal den Geruch vergangener Zeiten zu atmen, hier im ehemaligen Dachgartenrestaurant. In den 60ern stellte Eisprinzessin Marika Kilius hier ihre neue Schallplatte vor.

Der Turm ist aufgeladen mit Geschichten - ein Grund, weshalb es vielen Frankfurtern so schwer fällt, Abschied zu nehmen. Sie feierten hier Jubiläen, Firmenfeste und Geburtstage. Zahllos die Besucher, die Frankfurter Bürger stolz mit auf "ihren" Henninger Turm nahmen.

Etwas ganz Besonderes: einmal im Drehrestauran essen

"Ich glaube, das war schon so ein Highlight, das hat man sich schon so als Besonderheit ausgedacht, und ich glaube, vor allem für die Bevölkerung war es etwas ganz Besonderes", sagt Architektin Claudia Meixner. "Also ich kann mich erinnern, mein Vater war 1960 - oder 66 - war er in Frankfurt, und das Besondere war, wenn man es sich einmal geleistet hat, in dem Drehrestaurant zu essen. Und ich glaube, das haben fast alle mal getan, das war schon was ganz Besonderes." 

Und Florian Schlüter fügt hinzu: "Es ist wirklich so ein unscharfes, mit vielen Erinnerungen aufgeladenes Ding, was für viele wichtig ist, wovon aber keiner so einen genauen Begriff hat. Da gehören viele Dinge dazu, der Fernblick, das Radrennen und all diese Dinge." Die pfiffige Idee eines Marketingdirektors der Brauerei: ein Radrennen mit dem Namen "Rund um den Henninger Turm" zu veranstalten. Erst dadurch wurde das Gebäude mit dem atemberaubenden Panorama weithin bekannt.

"Zu hoch, zu amerikanisch, potthässlich"

28. Stockwerk, das legendäre Drehrestaurant: Endgültig geschlossen wurde es vor elf Jahren, der Turm entsprach nicht mehr den Bau- und Brandschutzvorschriften. Damals war es das modernste Gebäude der Stadt; die berühmte Frankfurter Skyline existierte noch gar nicht. Wer mag sich angesichts des Scheidens daran erinnern, dass der Turm bei den Frankfurtern zu Anfang umstritten war? "Zu hoch, zu amerikanisch, potthässlich" hatten viele gemurrt. Jetzt macht die Vergänglichkeit der Dinge wehmütig. Abschied nehmen schmerzt. Was bleibt, sind Erinnerungen. 

"Wir waren hier einmal essen, das war wahrscheinlich in den späten 80ern oder, wenn ich das Schild ansehe, könnte es auch in den 90ern gewesen sein...", erinner sich Florian Schlüter. "Und es war ein nostalgischer Ausflug, das hat man schon so empfunden, wenn man hier hoch gekommen ist", sagt Claudia Meixner. "Dass es einfach so einen Hauch von Nostalgie hatte, und nicht mehr so ganz am Zahn der Zeit."

Der Turm gehört in die Geschichte der Stadt"

Die Architekten überlegen nun, wie sie der Geschichte und der zukünftigen Nutzung gerecht werden können. Sie setzen sich darum mit jedem markanten Detail der Fassade und der Form des historischen Turms auseinander. Ist der abgetragen, soll der Neubau beginnen. 

"Wir wollen erinnern, aber wir kopieren nicht", sagt Claudia Meixner. Der neue Turm solle ein Wohnturm mit Appartments und einem Restaurant werden. "Diese Nutzung ist natürlich eine ganz andere, aber die Zeichenhaftigkeit oder dieses Landmark und die Erinnerung und damit auch die Bedeutung dieses Turms im Vergleich zu einem anderen Wohnhochhaus, das wir an dieser Stelle hätten bauen können, ist was Besonders, weil es zu dieser Stadt gehört und in die Geschichte dieser Stadt gehört." 

Rund hundertvierzig Meter misst der neue Turm. Für das Restaurant wird noch ein Betreiber gesucht. Geplant ist außerdem eine Aussichtsplattform für Besucher, damit auch die Frankfurter das Panorama wieder genießen können. 

Ein Beitrag von Simone Jung