2er Kombo mit Starterbild am Hang und in der Luft gleitend

Gleitschirmfliegen erlebt in diesem Jahr in der Rhön einen Boom. Tandemflüge, Schnupper- und Einsteigerkurse sind gefragt wie selten. Wir haben es ausprobiert - und waren im Wechselbad der Gefühle.

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So fühlt sich Gleitschirmfliegen an

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War das eine gute Idee? Der Gedanke nagt seit Stunden in meinem Kopf. Doch jetzt gibt's kein Zurück mehr: Ich stehe in der Rhön auf einem Berg namens Pferdskopf. Über mir hat sich gerade der Gleitschirm im Wind aufgerichtet. Und hinter mir steht Klaus Lang, mein Tandempilot, und gibt das Startsignal: "Los! Lauf!"

Wir laufen - durch Gurtzeug miteinander verbunden - zusammen einen steilen Abhang hinunter. Nach nur wenigen Schritten spüre ich keinen Boden mehr unter den Füßen. Wir heben ab - und fliegen. Innerhalb von Sekunden steigen wir höher. Mein Blick schweift über das malerische Mittelgebirge. Ich sehe die Wasserkuppe, Hessens höchsten Berg, aus der Vogelperspektive. Wow!

Dünne Leinen und wirre Sinne

Es braucht aber eine Weile, bis meine durcheinander gewirbelten Sinne klarkommen und ich Vertrauen gewinne. Ich denke: Hoffentlich halten die doch sehr dünnen Leinen am Schirm. Schließlich bin ich kein Fliegengewicht. Doch die Ausrüstung ist aus Hightech-Fasern. Und Klaus Lang beherrscht seinen Job. Er hat schon rund 2.500 Flugstunden absolviert. Und ich bin nicht der erste Passagier, den er mit einem Gleitschirm wie einen Bergtouristen sicher durch die Luft befördert.

Gleitschirmfliegen in der Rhön

Lang nutzt als Steuermann den strammen Wind an diesem herbstlichen September-Tag. Wir steigen immer höher. Als wir rund 230 Meter über der Startposition schweben, sagt Lang: "Und jetzt mal etwas Action!" Nach wenigen Handgriffen kreiseln wir rasant mit 60 km/h in die Tiefe.

"Ist wie in der Achterbahn"

Ich spüre die enorm wirkenden Kräfte. Ich spüre, dass diese Art von Action womöglich zu ambitioniert für mich als Anfänger ist. Und ich spüre meinen Magen rebellieren. Lang sagt: "Ist wie in der Achterbahn, nicht wahr?" Ich nicke beklommen und rufe: "Lass' gut sein. Danke! Aber sonst geht mir mein Frühstück noch mal durch Kopf."

Und so lassen wir es lieber gemächlicher angehen. Besser das Abenteuer genießen, entspannt Eindrücke sammeln. 30 Meter vor uns lässt sich ein Falke im Wind treiben. Und jetzt, nach ein paar bangen Minuten, fühle ich mich hier oben, in etwa 1.100 Metern Höhe über dem Meeresspiegel, so richtig wohl und angekommen. Es ist faszinierend.

Ansturm aufs Gleitschirmfliegen

Diese Faszination zieht auch viele Menschen in ihren Bann. Die Flugschule Papillon Paragliding auf der Wasserkuppe, eine der größten in Deutschland, erlebt einen regelrechten Ansturm. Immer mehr Interessierte wollen einen Schnupperkurs buchen, den Flugschein oder mal einen Tandemflug machen, um das Gefühl des Fliegens zu bekommen.

Flugschul-Chef Andreas Schubert berichtet von enorm gestiegener Nachfrage. Angefacht worden sei sie durch die Corona-Pandemie. Denn Infektionsrisiken bestehen beim Gleitschirmfliegen kaum. Schubert sagt zur Faszination dieses Sports: "Das Gefühl, frei zu sein, und fliegen zu können, ist etwas ganz Besonderes."

Die Rhön als gutes Übungsrevier

Und gerade in der Rhön sei Gleitschirmfliegen sehr gut zu lernen. Die kuppenartige Landschaft und die vielen hindernissfreien Übungshänge eignen sich dafür. Wer dann im Mittelgebirge einen Schein gemacht und erste Erfahrungen gesammelt habe, könne auch Trips in die Alpen unternehmen.

Praktisch alle, die mindestens 14 Jahre alt, gesund und durchschnittlich fit sind, können Gleitschirmfliegen in einer Flugausbildung lernen oder ausprobieren. Kondition wie etwa für eine Radtour sei ausreichend, erklärt die Flugschule. Nach oben gibt es keine Altersgrenze. Und auch für Piloten bis 115 Kilogramm Körpergewicht gebe es noch passende Ausrüstung.

Gleitschirmfliegen in der Rhön

Wer richtig einsteigen und den Flugschein machen möchte, kann innerhalb von 14 Tagen - gute Wetter- und Windbedingungen vorausgesetzt - zum Ziel kommen. Eine neue Ausrüstung ist ab 3.500 Euro zu haben. Wer aber erstmal vorsichtig testen möchte, kann einen Tandemflug buchen. Kostet rund 100 Euro und dauert etwa 15 Minuten. Die häufigsten Fragen und Antworten für Einsteiger und zur Gleitschirm-Ausbildung gibt Papillon Paragliding mit einer Info-Seite.

Fliegen ist ganzjährig möglich

Flüge sind jederzeit möglich. Denn Gleitschirmfliegen, auch bekannt unter der englischen Bezeichnung "Paragliding", ist eine Ganzjahressportart. Zum Thema Sicherheit erklärt die Flugschule: "Der Gleitschirm ist erwiesenermaßen das sicherste aerodynamische Luftsportgerät."

Doch man hört auch immer wieder von Bruchpiloten, die in Bäumen landen und gerettet werden müssen. Klaus Lang sagt dazu als erfahrener Pilot: "So was endet meistens glimpflich. Selten verletzten sich Piloten dabei, gibt nur ein paar Kratzer. Ist vor allem schlecht fürs Material."

Adrenalin und Glücksgefühle

Mein Tandemflug endet wie geplant sanft auf einer Wiese unterhalb des Pferdskopfs. Ich muss nur ein paar Schritte nach dem ersten Bodenkontakt mitlaufen und schon hat die Erde uns wieder. Mein Körper ist noch immer geflutet von Adrenalin. Die Glücksgefühle in mir toben. Es war eine fantastische Erfahrung. Ob's meine neue Liebe als Freizeitsport wird? Schau'n mer mal...

Gleitschirmfliegen in der Rhön
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Gleitschirmfliegen in Hessen

Gleitschirmfliegen in Hessen ist nicht nur in der Rhön möglich. Es gibt zahlreiche weitere Fluggebiete und Startplätze, wie der Deutsche Gleitschirm- und Drachenflugverband (DHV) auf einer Karte zeigt. Der DHV hat auch eine Datenbank mit Flugschulen. Videos zeigt der DHV auch auf seiner YouTube-Seite.

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