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Zu Besuch im Autisten-Jugendtreff in Maintal

Leiter Markus Behrendt steht in einem der bunten Räume des Jugendtreffs und spricht zu Jugendlichen, die auf einem Sofa sitzen.

Anschluss zu finden, ist für autistische Kinder und Jugendliche oft schwer. Im Maintaler Jugendtreff erleben sie Verständnis, Akzeptanz und Freunde. Junge Autisten aus dem gesamten Rhein-Main-Gebiet kommen hierher – auch, weil es in Hessen an Alternativen mangelt.

Auf den ersten Blick wirkt es wie ein ganz normaler Kinder- und Jugendtreff: Eine kleine Gruppe spielt zusammen Fußball, einige Jugendliche sitzen auf der Couch und unterhalten sich, ein paar schauen gebannt auf den Computerbildschirm. Erst auf den zweiten oder dritten Blick wird klar: Irgendwas ist anders.

"Anderssein ist hier normal", sagt Markus Behrendt, "weil hier jeder anders ist." Der 48-Jährige leitet den Jugendtreff und erklärt: Alle hier sind autistisch - der Leiter, die Kinder, die Jugendlichen. "Wir sind alle ganz normale Menschen, wir haben alle Bedürfnisse und Gefühle. Und wir wollen ganz normal dazugehören", sagt er zur Begrüßung – und die jungen Zuhörer stimmen zu.

Das Zugehörigkeitsgefühl stärken

Wie viele Autisten es in Deutschland gibt, ist nicht bekannt. Laut Studien und Schätzungen ist etwa einer von 100 Menschen autistisch. Viele von ihnen haben im Alltag Probleme, Anschluss zu finden – vor allem die Jüngeren. Markus Behrendt weiß das aus eigener Erfahrung. "Ich habe als Kind und als Jugendlicher erlebt, wie es ist, wenn man sich nicht dazugehörig fühlt."

Deshalb hat er den Autismus-Jugendtreff ins Leben gerufen. "Wir wollen hier eine Gruppe bieten, damit die Kinder und Jugendlichen lernen: Sie sind in Ordnung so, wie sie sind." Zusammen mit der Freiwilligen-Agentur der Stadt Maintal (Main-Kinzig) organisiert Behrendt zweimal im Monat ein Treffen im Maintaler Kinderclub. In dem Jugendzentrum gibt es Spielekonsolen, ein Musikstudio und einen Fitness-Raum. Der jüngste Teilnehmer ist acht, der älteste 17 Jahre alt.

"Hier wird man akzeptiert, wie man ist"

Wie sich der Autismus zeigt, kann von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich sein: von geistiger Behinderung bis hin zu Sonderbegabungen. Für Markus Behrendt kann das bedeuten, dass er mit einem 15-Jährigen eine Sandburg baut. Manch ein Kind zieht sich aber auch zurück, wenn zu viel Trubel herrscht und es mit Reizen überflutet wird. So wie Vincent, der im Spielezimmer vor dem Fernseher an einer Konsole steht. "Wenn ich einen miesen Tag habe, beruhigt mich das", erklärt der Zwölfjährige. All das ist hier normal, und wird akzeptiert und verstanden.

Deswegen kommen die jungen Autisten gern hierher, wie sie sagen. "Anderswo wundert man sich über mein Verhalten", erklärt der 15-Jährige Martin. "Hier verstehen wir uns." Im Autismus-Jugendtreff sind sie unter sich: alle irgendwie anders und doch alle gleich – genau das sei so toll, beschreibt es der 16 Jahre alte Paul: "Es ist hier auf jeden Fall sicher, sehr freundlich – ein guter Ort, um Freunde zu finden."

Freundschaften entstehen

Auch Lilly und Teo haben sich im Maintaler Jugendtreff kennengelernt. "Und jetzt sind wir Freunde", erklärt die 13-Jährige. "Beste Freunde!", ergänzt Teo und umarmt seine Freundin, obwohl körperliche Nähe für viele autistische Menschen eher unüblich ist. Bei einem Treffen haben sie festgestellt, dass sie ein gemeinsames Interesse haben – das Träumen. Seitdem unterhalten sie sich gern über ihre Träume und sind mittlerweile unzertrennlich. "Unsere Freundschaft ist einfach so groß", sagt Teo.

Zwei Jugendliche sitzen vor einem PC-Bildschirm

Dass das so ist, freut die Mutter des Elfjährigen. "Für mich war es wunderschön, weil Teo bis jetzt immer Schwierigkeiten hatte, Freunde zu finden. Das war für ihn ein ganz traumatisches, schmerzendes Thema", erinnert sich Marta Pijuan Blanco. "Mir und wahrscheinlich jeder Mama bricht da einfach das Herz. Als Lilly in unser Leben kam, war da einfach Licht!"

Einzigartiges Angebot

Die rund 15 Kinder und Jugendliche, die sich in Maintal treffen, kommen aus dem gesamten Rhein-Main-Gebiet. Denn ein Angebot wie dieses gibt es anderswo in Hessen nicht. In Frankfurt und anderen Städten existieren zwar Selbsthilfegruppen, doch die richten sich hauptsächlich an Erwachsene.

In Rodenbach (Main-Kinzig-Kreis) gibt es einen Treff für junge autistische Erwachsene, den Markus Behrendt 2015 gegründet hat. Einen Autismus-Jugendtreff wie den in Maintal kennt Behrendt ansonsten nur aus München. "Das ist eine Ausnahme", weiß auch Teos Mutter Marta Pijuan Blanco. "Wir würden uns wünschen, dass die Teilhabe von autistischen Menschen mehr gefördert wird und dass es alltäglich ist."

Vorerst Aufnahmestopp

Doch der Jugendtreff gerät an seine Grenzen: Aktuell gibt es einen Aufnahmestopp und eine Warteliste. Die Gruppengröße sei begrenzt, damit es den teilnehmenden Kindern und Jugendlichen nicht zu viel wird, erklärt Behrendt.

Auch für ihn sei so ein Treffen manchmal eine Herausforderung. "Mit autistischen Kindern und Jugendlichen zu tun zu haben, heißt nicht nur, dass man etwas über sie lernt, sondern auch viel über sich selbst", erklärt er. Warum er trotz der Anstrengungen mit so viel Herzblut dabei ist? "Es ist erfüllend, es ist berührend, ich kann es nur empfehlen."

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