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Hanau-Untersuchungsausschuss: Experte kritisiert Polizei

Menschen halten Schilder mit den Köpfen und Namen der Opfer von Hanau hoch. Im Vordergrund ein Schild mit dem Schriftzug "Aufklärung".

Der Untersuchungsausschuss zum Anschlag von Hanau hat den Polizeiwissenschaftler Thomas Feltes zur Arbeit der Polizei vernommen. Er beklagte Versäumnisse im Umgang mit Opfern und Angehörigen.

Im Untersuchungsausschuss des hessischen Landtags zum rassistischen Anschlag von Hanau hat am Freitag ein Sachverständiger für eine unabhängige und transparente Aufarbeitung des Polizeieinsatzes plädiert. Dabei sollte sich die Polizei der Hilfe externer Experten bedienen und auch mit Hinterbliebenen und Überlebenden ins Gespräch kommen, empfahl der Jurist, Kriminologe und Polizeiwissenschaftler Thomas Feltes in einer Anhörung.

Experte ohne Akteneinsicht

Der Untersuchungsausschuss befasst sich seit bald einem Jahr mit möglichen Verfehlungen von Ermittlungsbehörden und Polizei im Vorfeld des Anschlags am 19. Februar 2020 als auch am Tatabend. Bei dem Anschlag waren an zwei Tatorten in Hanau neun Menschen aus rassistischen Motiven erschossen worden. Im Anschluss tötete der Täter seine eigene Mutter und dann sich selbst.

Feltes wurde als Sachverständiger vor dem Ausschuss zur Einsatzlage und -taktik am Tatabend sowie zum Krisenmanagement befragt. Dabei verwies er darauf, dass er keine vollständige Einsicht in Ermittlungs- und weitere Akten gehabt habe, sondern sich im Wesentlichen auf die Pressemitteilungen der Hanauer Staatsanwaltschaft stütze.

Diese hatte Ermittlungsverfahren gegen Polizisten unter anderem wegen des Vorwurfs der unterlassenen Hilfeleistung sowie wegen des am Tatabend überlasteten Hanauer Polizei-Notrufs abgelehnt. Zudem hatte die Behörde Ermittlungen wegen eines angeblich bewusst verschlossenen Notausgangs an einem der Tatorte eingestellt.

Angehörige spät informiert

Feltes bemängelte in seiner Anhörung Fehler während des Polizeieinsatzes im Umgang mit Betroffenen und Angehörigen des Anschlags. Hier habe es nach allem, was er über den Anschlag gelesen habe, an Sensibilität gefehlt. In solchen Einsatzlagen müsse vermieden werden, dass weitere Menschen zu Opfern werden, etwa durch das Verhalten der Polizei. So dürften Beamte nicht darauf warten, dass etwa Notfallseelsorger sich um Angehörige kümmern, sondern müssten auch selbst tätig werden.

Hinterbliebene hatten unter anderem kritisiert, dass sie erst nach stundenlangem Warten am Morgen nach der Tat über den Tod ihrer Angehörigen informiert wurden. Deren Namen seien von einer Liste verlesen worden. Auch hatten sie wiederholt beklagt, dass sie tagelang nicht wussten, wo sich die Leichen ihrer toten Angehörigen befinden und dass sie diese erst Tage nach der Tat sehen durften.

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Ermordet am 19. Februar 2020 in Hanau

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"Mauer des Schweigens"

Ein solches Vorgehen sei "weder nachvollziehbar noch entschuldbar", stellte Feltes fest. Die Erfahrung zeige, dass in Fällen, bei denen - wie nach dem Hanauer Anschlag - der Generalbundesanwalt die Ermittlungen an sich ziehe, bei der Polizei "alle Alarmglocken" schrillten, und eine "Mauer des Schweigens" entstehe, weil alle Beteiligten Angst davor hätten, Fehler zu machen, so der Sachverständige.

Zudem fehlt es aus Sicht Feltes an einer Fehlerkultur und einem offeneren Umgang mit Fehlern bei der Polizei. Hier sei auch die Politik in der Verantwortung. Nötig sei überdies mehr Fortbildung für die Beamten. Es sei zudem nicht zu bestreiten, dass es Rassismus bei der Polizei gebe. Der Umgang damit lasse zu wünschen übrig.