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Die Tücken des Internets für Blinde

Bildkombination aus zwei Fotos. Links: auf einem Smartphone ist eine App zu sehen, die die Verbindungen im öffentlichen Verkehr anzeigt. Im Bildhintergund unscharf der Eingang zu einer U-Bahn-Station. Rechts: ein Mann mit Earplugs und einem Smartphone in der Hand steht am Eingang zu einer U-Bahn-Station.

Smartphones haben das Leben für Blinde leichter gemacht. Viele Internetseiten sind per Sprachausgabe für sie erfahrbar - bei Behördenseiten hapert es aber noch.

Es ist ein Wort-Feuerwerk, das aus dem Lautsprecher des Laptops ertönt. Hasan Koparans Finger fliegen über die Tastatur. Ein Computer-Programm liest dem blinden 34-Jährigen vor, was er auf der Webseite der Agentur für Arbeit in Frankfurt anklickt. "Linkliste, E ..., Erklärung zur Barriere …, Barriere …, Impressum." Koparan lässt die leiernde Computerstimme nicht ausreden, denn er weiß genau, wonach er sucht. Aber er findet es nicht, weil es nicht da ist.

An Papier führt noch kein Weg vorbei

Prinzipiell sei die Seite für Blinde bedienbar, sagt er. Aber Koparan vermisst ein spezielles barrierefreies Formular. Er will damit ein Training beantragen, das ihm hilft, als blinder Mensch sicher zur Arbeit zu kommen.

Weil das PDF-Formular online nicht barrierefrei verfügbar sei, müsse er auf die Papierform zurückgreifen. Handschriftlich ein Formular auszufüllen, das sei für Blinde ohne Hilfe von anderen aber nicht machbar, bedauert Koparan. "Die Menschen, die blind sind, haben ja genauso ein Recht, ihren Behördenkram allein zu erledigen", findet er. Sensible Daten wie Vermögenswerte oder Einkommen seien "Dinge, die Dritte eigentlich nichts angehen".

EU-Richtlinie: Barrierefreiheit auf Behörden-Webseiten

Als schwierig bezeichnet Andrea Katemann von der Deutschen Blindenstudienanstalt in Marburg diese Situation und verweist auf eine EU-Richtlinie: "Wir müssten ja längst die Webseiten von öffentlichen Stellen barrierefrei gemacht haben." Bis zum Herbst 2020 hätte die Richtlinie umgesetzt werden sollen. Da sei aber noch einiges zu tun, sagt die Expertin. Gerade PDF-Dokumente seien für blinde und hochgradig sehbehinderte Menschen auf Webseiten häufig überhaupt nicht zugänglich. Innerhalb des PDFs fehle es an der nötigen Sprachsteuerung.

Ein Mann mit Sehbehinderung steht am Treppenabgang zu einer U-Bahn. Er hält einen "Blindenstock" zusammengeklappt in seiner Hand.

Dabei sei technisch vieles möglich, sagt Hasan Koparan. Mit Hilfe der Sprachausgabe seines Smartphones sucht sich der 34-Jährige zum Beispiel Zugverbindungen raus oder lässt sich Bilder bei Facebook beschreiben.

Dafür wischt er mit dem Finger über ein Bild. Darauf zu sehen sind der Fußballtrainer Carlo Ancelotti von Real Madrid und einige Daten. Seine Sprachausgabe sprudelt los. Koparan erfährt, dass der spanische Fußballverein 2,41 Punkte pro Spiel geholt hat und dass auf dem Bild ein Erwachsener zu sehen ist. Das Programm erkennt Trainer Ancelotti nicht, aber Koparan ist trotzdem zufrieden. "Ich habe ein Bild im Kopf, und das ist einfach eine tolle Sache", sagt er.

Ärgernisse beim Online-Banking

Das Beispiel zeigt für Koparan: Manche private Unternehmen sind recht weit, was Barrierefreiheit für Blinde angeht. Behörden seien teilweise spät dran, urteilen Expertinnen und Experten.

Der blinde hr-Redakteuer Thorsten Schweinhardt ärgert sich regelmäßig über Banken. Einerseits, sagt er, biete Online-Banking für Menschen ohne oder mit eingeschränktem Sehvermögen eine prima Möglichkeit, ihre Geldgeschäfte ganz allein zu erledigen. Um diese möglichst sicher abzuwickeln, seien dafür andererseits spezielle Apps nötig. Und diese seien nicht immer barrierefrei. "Ich will doch meine Bank danach aussuchen, welche Kontobedingungen sie mir bietet, und nicht danach, ob ich die Sicherheitsapp bedienen kann", sagt Schweinhardt.

Appell an Parteien

Karl Matthias Schäfer vom Blinden- und Sehbehindertenbund Hessen fasst zusammen: "Wir sind auf einem guten Weg, es muss aber noch sehr viel getan werden." Die EU-Richtlinie für Barrierefreiheit auf Seiten von Behörden hält er für eine Errungenschaft. Nötig sei jedoch eine Richtlinie, die auch private Unternehmen darauf verpflichtet. "Beim Surfen bin ich ja selten auf Seiten offizieller Stellen und viel öfter auf Seiten kommerzieller Anbieter", sagt er.

Ihm fehle inzwischen das Verständnis dafür, wenn Behörden ihre Seiten nicht barrierefrei einrichteten. Die Technik dafür liege längst vor, Word etwa könne jedes Formular daraufhin überprüfen. Schäfer will im Landtag Druck machen, "dass wir zu einer barrierefreien Internet-Welt kommen. Da werden wir auch die Parteien in die Pflicht nehmen."

Smartphone macht das Leben für Blinde leichter

Bis Hasan Koparan als blinder Mensch auf Behörden-Webseiten auch alle PDF-Formulare problemlos online ausfüllen kann, wird es wohl noch etwas dauern. Sebastian Schmidt von der Agentur für Arbeit in Frankfurt erklärt, man wolle im Idealfall alles barrierefrei anbieten, man stecke aber noch mitten in dem Prozess.

Smartphones jedenfalls hätten blinden Menschen das Leben leichter gemacht, sagt Koparan. E-Mails schreiben, Zugverbindungen raussuchen, auf Social Media unterwegs sein - durch die integrierte Sprachausgabe habe er alle Möglichkeiten, die ein sehender Mensch auch habe. "Ich kann mir sogar Filme anhören beziehungsweise, ich sage ja als Blinder auch gucken."

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