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Ärger in Sozialen Medien über Darmstädter Ausländerbehörde

Viele Menschen warten stehend in einem Treppenhaus, von welchem eine Tür in Verwaltungsräume führt. Das Treppenhaus ist künstlich belichtet, an der Wand oben ein farbiger Fries aus kleinen Rechtecken.

Mit mehr Personal und optimierten Arbeitsabläufen wollte die Darmstädter Ausländerbehörde ihre Serviceleistung verbessern. Doch Betroffene berichten nach wie vor von Nichterreichbarkeit und chaotischen Zuständen vor Ort.

Mit dem Bezug moderner Räume und der Einführung eines neuen Konzepts sollte eigentlich alles besser werden bei der Ausländerbehörde in Darmstadt. Doch auch gut sechs Wochen nach Vorstellung der Pläne scheinen die chaotischen Verhältnisse dort dieselben zu sein wie eh und je.

Betroffene berichten aktuell von der schieren Unmöglichkeit, die Behörde zu erreichen oder einen Termin dort zu bekommen. Für sie steht häufig viel auf dem Spiel. Es geht um Aufenthaltstitel und Asyl, die Möglichkeit in Deutschland eine Arbeitsstelle anzutreten oder einen Studienplatz annehmen zu können.

Menschen kauern auf den Fluren

In den Sozialen Medien veröffentlichte eine Twitter-Nutzerin kürzlich Foto- und Videoaufnahmen von größeren Menschengruppen, die auf den Fluren der Behörde auf dem Fußboden sitzen und darauf warten, vorgelassen zu werden. Sie beklagt, dass ihre E-Mails und schriftlichen Terminanfragen unbeantwortet bleiben und es kein telefonisches Durchkommen gibt.

The struggle is real, the Darmstadt Ausländerbehörde never answer emails, phone calls or written requests for appointments, their great solution was come everyday at 4am and start a line... @Stadt_Darmstadt @dwnews @hessenschau #Darmstadt #Ausländerbehörde

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"Ich dachte, so etwas gibt es nur in meinem Dritte-Welt-Land", schreibt die aus Honduras stammende Frau in dem Netzwerk. Und dass längst nicht jeder, der sich in die Warteschlangen einreiht, auch darauf hoffen könne, nach bis zu achtstündiger Wartezeit tatsächlich mit einem Termin in der Tasche nach Hause zu gehen.

Nur wer rennt, hat eine Chance

Venous Sander, auf Ausländerrecht spezialisierte Rechtsanwältin, kann die Beschreibungen bestätigen. "Auch wir haben in der letzten Zeit erneute Beschwerden gehabt", sagt die Juristin, die in Bürogemeinschaft mit ihrer Kollegin Sonja Plückebaum in Darmstadt eine Kanzlei betreibt.

Einer ihrer Mandanten habe sich tags zuvor extra frei genommen, um schon um fünf Uhr morgens anzustehen, sagt Sander. Bei Öffnung sei er wegen Überfüllung gar nicht erst eingelassen worden. Nur wer schnell genug nach oben renne, habe eine Chance. "Das müssen Zustände sein wie beim Ticketverkaufsstart für ein begehrtes Konzert, ganz ganz schlimm."

Erst nach 160 Anrufversuchen wurde abgenommen

Sie selbst habe sich für eine Mandantin, die wegen anstehenden Mutterschutzes dringend eine vorläufige Aufenthaltserlaubnis, eine so genannte Fiktionsbescheinigung, brauchte, extra zwei Stunden terminfrei genommen, um bei der Behörde anzurufen. Rund 160 Anrufversuche habe sie unternommen, ehe jemand abgenommen habe.

Die Dame am Telefon sei auch sehr nett gewesen und habe sich gekümmert. Ihrer Auskunft zufolge sei das Telefon immer besetzt. Doch die Erfahrung lehre etwas anderes, sagt Sander. Auch das Ausfüllen des Kontaktformulars auf der Webseite der Behörde gehe ins Leere: "Man bekommt ja nie eine Antwort."

Neue Büros, neues Konzept - kaum Verbesserung

Die Probleme mit der Darmstädter Ausländerbehörde sind seit Jahren bekannt. Oberbürgermeister Jochen Partsch (Grüne) hatte sie schließlich zur Chefsache erklärt. Eine "Task Force" sollte Umstrukturierungsprozesse anstoßen und Arbeitsabläufe verbessern. Dazu gehörte auch die Einrichtung einer Hotline.

Doch weder das noch der Bezug neuer Räume im Luisencenter in diesem Jahr zeigten eine Verbesserung. "Eigentlich ist alles noch schlimmer geworden", beklagte damals Anwältin Plückebaum gegenüber dem hr. Die Behörde sei weiterhin nicht erreichbar, es finde schlicht keine Kommunikation statt.

Mitte Juli kam die Stadt dann mit einer "grundlegenden Neuorganisation" der Behörde um die Ecke. Mehr Personal wurde angekündigt. Ein Serviceteam sollte die Terminvergabe koordinieren, Fachteams sollten auf unterschiedliche Anliegen spezieller eingehen können. Wer gehofft hatte, dass dadurch rasche Abhilfe geschaffen würde, sieht sich nun enttäuscht.

Stadt: "In den Anfängen des Aufbaus"

"Das neu zu schaffende Serviceteam der Ausländerbehörde befindet sich derzeit noch in den Anfängen des Aufbaus", teilte die Stadt am Donnerstag auf hr-Anfrage mit. Durch die hohen Rückstände und das damit verbundene hohe Aufkommen an Vorsprachen komme es weiter "gelegentlich zu längeren Wartezeiten".

Es seien drei Stellen des Serviceteams besetzt worden, eine weitere sowie die der Teamleitung noch im Besetzungsverfahren. Weitere Neueinstellungen in der nächsten Zeit würden helfen, die "Zahl an Wartenden deutlich zu reduzieren", macht die Stadt weiter Hoffnung. Die Dienstleistungen würden sukzessive erweitert, sodass künftig auch eine unkomplizierte Terminvereinbarung und das Ausstellen von Dokumenten sichergestellt werden könnten.

Neue Gesetze und Ukraine-Krieg verschärfen Situation

Klingt irgendwie so, als hätte man das alles schon einmal gehört. Anwältin Sanders ist denn auch mehr als skeptisch, dass die Neuerungen den schnellen Durchbruch bringen. "Es kommen immer mehr Novellierungen im Ausländerrecht", erklärt die Juristin. "Und irgendwie hat man vergessen, die Ausländerbehörden entsprechend personell auszustatten."

Hinzu komme der Ukraine-Krieg und die dadurch entstehenden neuen Fälle. "Das wird Darmstadt einfach nicht stemmen können." Alleine, um den Rückstau abzuarbeiten und so etwas wie Normalität in die Sache zu bringen, so schätzt die Anwältin, werden wohl ein bis zwei Jahre ins Land gehen.

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