Chefredakteur Christian Stadtfeld sitzt am Schreibtisch und zeigtauf einem Laptop, wie Webseite, auf welcher er mit einem Hitlerschnurrbart dargestellt wird.

Sie werden als "gekaufte Volksverräter" und "Propaganda-Clowns" bezeichnet: Journalisten gehören zu den Feindbildern in der Pandemie. Für manche Reporter stehen übelste Anfeindungen auf der Tagesordnung.

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Corona-Hass gegen Journalisten

hessenschau vom 15.12.2021
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Der Blick ins Postfach ist für Christian Stadtfeld oft kein angenehmer. Als "Hurensohn" und "Bastard" wird er in Mails beschimpft. Andere bezeichnen ihn als "gekauften Volksverräter" und "Propaganda-Clown". Für den Chefredakteur von Osthessen News ist das keine Seltenheit mehr.

Es vergehe mittlerweile fast kein Tag ohne Beleidigungen und Bedrohungen, sagt der 33-Jährige. Querdenker, Impfgegner und Corona-Leugner hätten sich auf ihn und seine Redaktion eingeschossen.

Stadtfeld und sein Reporter-Team berichten über die Pandemie. Was es offenbar in den Augen einiger noch schlimmer macht: Sie haben auch eine Kampagne ins Leben gerufen, mit der sie sich fürs Impfen aussprechen. Unter dem Motto "Mit diesem Pieks schütze ich meine Heimat" rufen darin unter anderem Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) und Ärzte zum Impfen auf.

Zahlreiche Absender angezeigt

Spätestens seit einem Kommentar von Stadtfeld, in dem er sich für eine Impfpflicht ausspricht, kochen die Emotionen über. Seine Texte wurden in Telegram-Kanälen von Kritikern der Corona-Politik geteilt. Die Gegner der Corona-Maßnahmen gerieten in Rage. Ein User schrieb: "Dem Lappen würde ich gern eine drücken." Ein anderer: "Er will mich impfen, ich will ihn schlagen."

Stadtfeld sieht sich immer öfter Bedrohungen ausgesetzt, er steht in Kontakt mit der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internet- und Computerkriminalität (ZIT). Auch hat der Reporter schon zahlreiche Absender angezeigt. Es geht unter anderem um Beleidigungen, aber auch um das Verwenden verfassungswidriger Kennzeichen. So wurde ein Bild veröffentlicht, auf dem Stadtfeld ein Hitler-Bärtchen gemalt und der Schriftzug von Osthessen News mit einem Hakenkreuz versehen wurde.

Hass und Hetze gegen Journalisten wegen Corona-Berichterstattung

DJV: Hemmschwelle zur körperlichen Gewalt gesunken

Mit Hass und Hetze müssen derzeit viele Medien-Vertreter im Land notgedrungen umgehen. Sprecher Hendrik Zörner vom Deutschen Journalisten-Verband (DJV) berichtet auf Anfrage: "Sogenannte Querdenker, Coronaleugner und Impfgegner haben es zunehmend auf Journalistinnen und Journalisten abgesehen. Die Berichterstatter sind für sie Teil der Merkel-Diktatur, gegen die Gewaltanwendung nach ihrem verstörten Weltbild angebracht ist."

Beschimpfungen und Pöbeleien seien an der Tagesordnung, sieht Zörner. "Mancherorts wurden Journalisten auch schon körperlich angegriffen, etwa in Berlin. Wir beobachten, dass die Hemmschwelle zur Anwendung körperlicher Gewalt gefährlich gesunken ist." Immer häufiger müssen Polizeikräfte Journalisten bei Corona-Demos schützen.

hr-Reporter in Kassel beschimpft und geschubst

Attackiert wurden auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hessischen Rundfunks bei einer Demo von Corona-Querdenkern mit über 20.000 Teilnehmern im März in Kassel. "Wir wurden übel beschimpft und heftig geschubst. Auf unsere Kamera wurde eingeschlagen", berichtet Fernsehreporter Sebastian Jakob. Das hr-Team wurde von wütenden Demonstranten umzingelt. "Die Polizei war unterrepräsentiert. Da machte sich Hilflosigkeit breit."

Seine hr-Kollegin Isabell Kramer ergänzt: "Wir haben uns bewusst zurückgehalten, sind aber trotzdem zur Zielscheibe geworden. Es war erschreckend, wie wir angeschrien und angepöbelt wurden. Hätten wir kein Sicherheitspersonal gehabt, wäre es bestimmt eskaliert."

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20.000 bei Querdenker-Demo in Kassel

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Auch Mika Beuster, Reporter-Chef beim Weilburger Tageblatt und Vize-Bundesvorsitzender beim DJV, hat solche Erfahrungen gemacht. Auch er habe bereits mehrere Anzeigen bei der Polizei gestellt. Doch die Hürden für Ermittlungen seien hoch. Oft seien die Drohungen zu unkonkret. "Aber wer ist schon so dumm und kündigt seine Aktionen mit Ort und Zeit vorher an?"

Osthessen-News-Chef Stadtfeld beobachtet: "Seit dem Corona-Ausbruch erleben wir eine Verrohung der Gesellschaft. Unzufriedene laden ihren Frust zu allen möglichen Problemen wegen der Pandemie bei uns ab. Man wird am Telefon angeschrien und beschimpft - schon dann, wenn jemand nicht schnell genug einen Impftermin bekommt."

Stadtfeld gesteht: "Das alles geht nicht spurlos an einem vorbei. Es ist abscheulich, so hasserfüllte Reaktionen und Botschaften zu bekommen, aber man muss professionell damit umgehen." Doch klar ist für ihn: "Wir werden uns von solchen Hassbotschaften nicht einschüchtern lassen. Meinungsfreiheit ist unser höchstes Gut. Wir werden unseren Weg konsequent weitergehen."

Demonstrant mit Lügenpresse Plakat inmitten Demo mit Polizei

Innenminister warnt vor Radikalisierung

Jüngst hatte auch Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) vor einer Radikalisierung von Teilen der Querdenker-, Corona-Leugner- und Impfgegner-Szene gewarnt. Verdächtige Wahrnehmungen sollten der Polizei und Hatespeech im Internet über hessengegenhetze.de - die zentrale Plattform des Landes - gemeldet werden.

Beuth warnte alle, "die meinen, ihrer verblendeten Weltsicht mit Bedrohungen oder Angriffen Ausdruck verleihen zu müssen". Einschüchterungen oder Bedrohungen von Amtsträgern oder Mitbürgern, die auf die Einhaltung der geltenden Regeln achten, würden nicht geduldet. "Wer zu Gewalt aufruft oder diese in die Tat umsetzt, wird harte Konsequenzen der Strafverfolgungsbehörden zu spüren bekommen."

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