Start am 15. März Wie sich Hessens Kliniken und Pflegeheime auf die Impfpflicht vorbereiten

Noch haben Beschäftigte in Kliniken und Pflegeeinrichtungen Zeit, sich gegen Covid-19 impfen zu lassen. Ab dem 15. März gilt die Impfpflicht im Gesundheitswesen. Deshalb laufen in Hessens Krankenhäusern und Altenheimen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Einige Probleme sind programmiert.
Impfen, impfen, impfen. Für Tamara Jung ist es Gesprächsthema Nummer eins - seit Wochen. Die 34-Jährige leitet den Bereich Pflege und Betreuung im Schloss Meerholz in Gelnhausen (Main-Kinzig). Hier werden Demenzkranke, Menschen mit Behinderung und Wachkomapatienten gepflegt. Wer hier arbeitet, muss bis zum 15. März eine Corona-Schutzimpfung haben. Dann tritt die Impfpflicht im Gesundheitswesen in Kraft.
In medizinischen Einrichtungen laufen deshalb bundesweit die Vorbereitungen auf Hochtouren - auch in Hessen. Sie versuchen, noch möglichst viele der ungeimpften Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von der Immunisierung zu überzeugen. Denn wer den Stichtag reißt, darf dort bald nicht mehr arbeiten und das bedeutet: Lücken in ohnehin eng gestrickten Dienstplänen.
Diakonie fürchtet Ausfälle in häuslicher Pflege
"In fast jeder Besprechung ist das Impfen Thema", sagt Jung. Bei Schicht-Übergaben und in Teamsitzungen spricht sie es an, schickt Zweifler zur Beratung beim Hausarzt. An Silvester gab es eine eigene Impfaktion für Mitarbeiter. Viele Ungeimpfte gibt es nicht mehr im Schloss Meerholz, sagt sie. Die Impfquote beim Personal liege bei 90 Prozent.
Insgesamt sei die Impfbereitschaft beim Pflegefachpersonal in Deutschland hoch, sagt Uwe Seibel vom Berufsverband für Pflegeberufe. Er glaubt zwar nicht, dass es allein durch die Impfpflicht zu großen Ausfällen von Fachkräften kommen wird, weist aber darauf hin, "dass die Personaldecke auch vor Corona gefährlich zu dünn war".
Besorgt schaut die Diakonie Hessen auf den Stichtag am 15. März. Ihr gehören 140 Pflegeheime, 47 Tagespflegeeinrichtungen und 132 ambulante Pflegedienste an.
Zwar sei die Impfbereitschaft in der stationären Pflege hoch. Doch in der ambulanten Pflege höre man immer häufiger von Impfzurückhaltung und Impfskepsis der Beschäftigten, sagt Dagmar Jung, Leiterin der Abteilung Gesundheit, Alter, Pflege bei der Diakonie Hessen: "Hier steht zu befürchten, dass die häusliche Pflege mancherorts gefährdet ist, sollte das zuständige Gesundheitsamt künftig den nicht geimpften Beschäftigten ein Arbeitsverbot aussprechen."
Pandemiepläne für Personalkrisen
Im Schloss Meerholz geht Tamara Jung gedanklich schon die Personalplanung durch - zur Sicherheit: "Natürlich macht man sich strategisch Gedanken darüber, was wäre, wenn diese Mitarbeiter ausfallen." Alle Pflegeorganisationen hätten für den Ernstfall Pandemiepläne, teilt die Diakonie Hessen mit. Darin sei niedergelegt, wie bei Personalkrisen verfahren werde, um die Versorgung aufrecht zu erhalten.
Doch die Pläne würden an Grenzen, stoßen, sollten Pflegekräfte wegen Beschäftigungsverboten dauerhaft ausfallen, sagt Dagmar Jung von der Diakonie: "Ersatz ist nicht in Sicht, denn der Markt für Neueinstellungen ist leer." Auch viele Azubis an Pflegeschulen seien noch ungeimpft und könnten so den Praxisteil ihrer Ausbildung nicht antreten.
Kliniken: Personal zu über 90 Prozent geimpft
Optimistisch zeigen sich Hessens Krankenhäuser bei der Vorbereitung auf die Impfpflicht. Wie eine hr-Anfrage bei Kliniken in neun großen Städten zeigt, bemühen auch sie sich gerade verstärkt um einen nahtlosen Übergang nach dem 15. März.
Die Corona-Impfquote des medizinischen Personals liege bei über 90 Prozent, melden das Sana Klinikum Offenbach, das Klinikum Hanau, die Helios Dr. Horst Schmidt Kliniken Wiesbaden (HSK), die Kliniken Darmstadt und Fulda sowie das Uniklinikum Gießen-Marburg (UKGM). Vom Uniklinikum Frankfurt und dem Klinikum Kassel lagen dazu zunächst keine Angaben vor.
Eine Erhebung des Robert-Koch-Instituts (RKI) vom 10. Januar hatte gezeigt, dass bundesweit rund 92 Prozent des Krankenhauspersonals vollständig geimpft sind. Ungeimpft waren demnach rund zwei Prozent der Ärztinnen und Ärzte, sowie rund sechs Prozent des Pflegepersonals an deutschen Krankenhäusern.
Überzeugungsarbeit für Ungeimpfte
Wer geimpft ist und wer nicht, dürfen und müssen die Kliniken bei ihren Mitarbeitern abfragen. Alle hessischen Kliniken, die auf unsere Anfrage geantwortet haben, geben an, dass sie entsprechende Listen führen, viele bereits seit Monaten. Um ungeimpfte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter noch umzustimmen, gehen sie nach eigenen Angaben gezielt auf diese zu.
Die HSK in Wiesbaden schreiben zum Beispiel: "Einzelne Mitarbeiter:innen, die nicht geimpft sind, wurden über ihre Führungskraft angesprochen und werden auch noch mal angeschrieben, um ihnen die Konsequenzen der Impfpflicht zu verdeutlichen". Viele bieten, wie das Klinikum Darmstadt und das Sana Klinikum Offenbach, Beratungsgespräche an und veranstalten Impftage für das Personal.
Kündigungen wegen Impfpflicht
Doch nicht alle lassen sich überzeugen: Manche denken über Kündigung nach - und einige gehen tatsächlich. "Uns sind bislang nur Einzelfälle bekannt, dass Beschäftigte aufgrund der Impfpflicht über eine Kündigung nachdenken", sagt ein Sprecher des Uniklinikums Frankfurt. Dem Klinikum Hanau liegen dagegen schon vereinzelte Kündigungen vor, die auf die Impfpflicht zurückzuführen sind, so Sprecherin Nadja Turger: "Wir erwarten, dass uns im Zuge einer strikten Umsetzung zirka drei bis fünf Prozent des Personals verlassen würden."
Die Caritas, Trägerin von 34 stationären Pflegeeinrichtungen in Hessen, meldet ebenfalls Kündigungen: "Einzelfälle, die definitiv die Einrichtung spätestens zum 15.03. verlassen werden." In Fulda blickt man dagegen hoffnungsvoll ins Ausland: "In anderen Ländern (zum Beispiel Frankreich), in denen es schon länger eine Impfpflicht für Mitarbeitende im Gesundheitswesen gibt, haben sich nur weniger als ein Prozent für eine Kündigung entschieden", teilt das dortige Klinikum mit.
Unklar sei noch, wie die Impfpflicht nach dem 15. März konkret durchgesetzt wird, kritisieren mehrere Kliniken und auch der Berufsverband für Pflegeberufe auf unsere Anfrage. Wer bis dahin keine vollständige Immunisierung oder Befreiung von der Impfpflicht nachweisen kann, den müssen die Kliniken und Pflegeheime ans Gesundheitsamt melden. Dieses kann Beschäftigte dann auffordern, den Nachweis vorzulegen. Passiert das nicht, kann das Amt der betreffenden Person verbieten, die Einrichtung zu betreten oder dort zu arbeiten, erklärt die Kassenärztliche Bundesvereinigung.
Verbände: konkrete Umsetzung unklar
"Aber wie es dann weitergeht, da gibt es eine Unschärfe", sagt Uwe Seibel vom Berufsverband für Pflegeberufe. Die Arbeitgeber seien in so einem Fall nicht explizit angehalten, dem Mitarbeiter oder der Mitarbeiterin zu kündigen. Auch bei einer Freistellung bliebe die Frage, welche Rechte der oder die Freigestellte hat - und erneut, wie es weitergeht: "Ich kann mir das vielleicht vier oder acht Wochen anschauen - aber ewig kann ich die Stelle nicht freihalten." Auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und die Gewerkschaft Verdi fordern mehr Rechtssicherheit, wie zuletzt die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtete.
Betreffen wird dieser Ernstfall letztlich nur wenige, da ist sich Seibel sicher. Viel mehr als die Impfpflicht würden die Arbeitsbedingungen in seiner Branche das Personal in die Flucht schlagen. Von Intensivpflegerinnen und -pflegern höre er öfter den Satz: "Ich halte jetzt nochmal durch - aber nach der Pandemie bin ich weg."