Dragqueen Electra Pain posiert in bundem Kleid und rosaner Perrücke auf einer Brücke.

Auch im Jahr 2022 sind Demos für die Akzeptanz von Menschen aus der schwul-lesbischen und queeren Szene noch nötig, findet Dragqueen Electra Pain. Sie beklagt zunehmende homophobe Angriffe.

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Queerfeindlicher Angriff in Frankfurt

Manuel Irlbeck und Dragqueen Electra Pain
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Beleidigungen, gewaltsame Angriffe, sogar Morddrohungen: Die Stimmung gegenüber Menschen aus der LGBTQ+-Szene sei in den vergangenen Jahren aggressiver geworden, sagt Electra Pain aus Offenbach. Hessens bekannteste Dragqueen wurde im März selbst Opfer homophober Gewalt in Frankfurt. Aus Anlass des CSD Frankfurt an diesem Wochenende fordert mehr Schutz für die schwul-lesbische und queere Community.

Für Tanzshows steht Pain häufig in Frankfurt auf der Bühne. Auf Tik Tok hat sie mittlerweile über 400.000 Follower. In ihren Videos zeigt sie ihre Transformation: vom Mann mit bürgerlichem Namen Daniel - den Nachnamen verrät sie nicht - zur Kunstfigur Electra Pain. Außerdem geht es um Homosexualität, das Leben als Dragqueen, Outing, Mobbing, Toleranz und Liebe. Im Alltag arbeitet der 34-Jährige im Öffentlichen Dienst.

hessenschau.de: Electra Pain, wie reagieren die Leute, wenn Sie für Ihre Shows oder zum Feiern als Dragqueen auf der Straße unterwegs sind?

Electra Pain: Es gibt immer sehr viele Reaktionen: Interessierte Blicke, viele Leute tuscheln. Ich bekomme auch viele Komplimente. Leute kommen dann auf mich zu und sagen: Du siehst toll aus, es ist toll, was du machst.

Dragqueen Electra Pain trägt sich Schminke im Gesicht auf.

Aber es gibt auch negative Reaktionen. Leute, die mir Schimpfwörter hinterher rufen - besonders abends oder nachts. Deswegen muss man wirklich aufpassen, wo man nachts entlang läuft. Und da habe ich wirklich das Gefühl, dass diese negativen Reaktionen zunehmend aggressiver werden. Leider. Auf Social Media ist das aber noch krasser als auf der Straße. Im Netz ist der Hass richtig groß, und da habe ich sogar schon Morddrohungen bekommen.

hessenschau.de: Wie gehen Sie mit solchen Reaktionen um?

Electra Pain: Es gibt Tage, an denen ich echt schlecht mit solchen Dingen klarkomme. Aber es gibt auch wieder Tage, an denen ich gut damit klarkomme und denke: Jetzt erst recht! Jetzt kämpfe ich dafür, dass das irgendwann endlich aufhört. Aber dieser Hass macht auf jeden Fall etwas mit einem. Es ist schon nicht ohne.

hessenschau.de: Kann sich aus Ihrer Sicht denn überhaupt sicher fühlen, wer beispielsweise als Dragqueen in Frankfurt auf der Straße unterwegs ist?

Electra Pain: Leider nein. Und es tut mir auch im Herzen weh, weil ich Frankfurt wirklich liebe. Aber was ich wahrnehme, ist, dass die homophoben Angriffe in letzter Zeit wieder stark angestiegen sind. Auch Bekannte von mir wurden schon attackiert, und das macht mir extreme Angst. Früher konnte man noch unbeschwert über die Zeil laufen.

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„Auf der Straße ist der Umgangston richtig aggressiv geworden. Auf Social Media ist der Hass wirklich groß, da habe ich schon Morddrohungen bekommen.“
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Aktuell ist der Umgangston richtig aggressiv, und Situationen werden schnell kritisch. Es bleibt nicht mehr nur bei bösen Sprüchen. Erst vor kurzem wurde einem Homosexuellen sogar der Kiefer gebrochen.

hessenschau.de: Sie selbst wurden im März von Unbekannten mit Pfefferspray an der Konstablerwache in Frankfurt attackiert. Was ist da passiert?

Electra Pain: Ich hatte damals einen Interviewtermin in der Stadt und wollte dann noch zu Freunden, die in einem Club an der Konstablerwache waren. Und ich dachte mir, dass ich diese hundert Meter einfach laufen kann und mir dafür kein Taxi nehmen muss. Doch dann kam ein Unbekannter wie aus dem Nichts auf mich zu und hat mir mit Pfefferspray ins Gesicht gesprüht. Ich habe dann zum Glück Hilfe von Passanten bekommen, und es ging alles relativ gut aus.

Aber seelisch bleibt natürlich die Angst. Ich gucke mich jetzt immer zehnmal um, wenn ich auf der Straße bin, weil es könnte ja wieder etwas passieren. Diese Entwicklung macht mir wirklich Angst. Und da frage ich mich schon, was denn noch passieren soll. Muss erst jemand umkommen, damit endlich gehandelt wird und die Sicherheit verstärkt wird?

hessenschau.de: Was müsste sich aus Ihrer Sicht ändern, damit Sie mit einem sicheren Gefühl auf die Straße gehen können?

Electra Pain: Demos wie der Christopher Street Day sind gut und schön. Aber gerade in Zeiten, wo die Attacken zunehmen, reicht es meiner Meinung nicht, nur zu reden. Und es reicht nicht, nur an den gesunden Menschenverstand zu appellieren. Wir müssen wirklich aktiv handeln.

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„Es reicht nicht, nur an den gesunden Menschenverstand zu appellieren. Wir brauchen mehr Kameras in der Innenstadt und mehr Polizeipräsenz.“
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Ich bin daher für Kameras in der Innenstadt und mehr Polizeipräsenz. Die Attacken konzentrieren sich zumindest in Frankfurt meist auf den Bereich, wo die Szene-Bars sind. Genau dort muss es Kameraüberwachung geben, damit Täter gefasst werden oder abgeschreckt werden, überhaupt erst anzugreifen. Da ist auf jeden Fall die Politik gefordert, unsere Sicherheit zu schützen.

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Polizei Frankfurt will mehr Präsenz zeigen

Nach mehreren queerfeindlichen Übergriffen in Frankfurt in den vergangenen Wochen will die Polizei im Szeneviertel der schwul-lesbischen Community mehr Präsenz zeigen. Auch Zivilbeamte sollen zum Einsatz kommen, kündigte ein Polizeisprecher am Mittwoch an. Dies sei zugleich ein klares Zeichen für Toleranz, Vielfalt und Respekt in der Stadt.

"Es ist vollkommen inakzeptabel, dass sich Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und ihrer äußeren Erscheinung in bestimmten Straßen nicht mehr sicher fühlen", hieß es. Die Frankfurter Polizei reagiere deshalb mit einem verstärkten Präsenz- und Schutzkonzept. Außerdem würden solche Straftaten nun beim Staatsschutzkommissariat der Frankfurter Kriminalpolizei bearbeitet, da in den meisten Fällen Hass ein Tatmotiv sei.

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hessenschau.de: Bislang ist es so, dass die Polizei homophobe Angriffe nicht unbedingt gesondert erfasst.

Electra Pain: Es braucht eine vernünftige polizeiliche Statistik in Hessen, in der alle Angriffe aus Homophobie oder LGBTQ+-Feindlichkeit erfasst werden. Eine solche Statistik gibt es meines Wissens nach bisher nur in Berlin. Homophobe Angriffe dürfen nicht verharmlost werden. Man muss diese Taten klar benennen. Deswegen fordere ich, dass da auf jeden Fall härter durchgegriffen wird und sich etwas ändert.

hessenschau.de: Schließen Sie aus solchen Erfahrungen, dass sich die Gesellschaft in Sachen Toleranz zurückbewegt?

Electra Pain: Mein Gefühl ist, dass die Mehrheitsgesellschaft doch sehr tolerant ist und uns akzeptiert, so wie wir sind. Aber es gibt einen kleinen lauten Teil, der richtig aggressiv ist. Diese Leute sind teilweise auch gewaltbereit. Ich will nicht daran glauben, dass das viele sind. Trotzdem wird dieser kleine Teil immer aggressiver.

hessenschau.de: Haben sie eine Erklärung dafür?

Electra Pain: Mir scheint, umso mehr Rechte wir bekommen und umso mehr Sichtbarkeit auch entsteht, desto lauter und aggressiver wird dieser kleine Teil, weil der irgendwie Angst vor etwas hat. Vielleicht befürchten sie, dass ihnen etwas weggenommen wird.

Es liegt auch oft an Unwissenheit. Manchmal bekomme ich Kommentare wie: "Bald stirbt die Weltbevölkerung aus, weil es immer mehr LGBTQ+-Menschen gibt." Da muss es aus meiner Sicht auf jeden Fall mehr Aufklärung geben, auch schon an Schulen. Die Leute sollen verstehen, was es genau bedeutet, LGBTQ+ zu sein und dass es keine Gefahr für jemanden darstellt.

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„Ich glaube, dass die Mehrheitsgesellschaft tolerant ist. Aber es gibt einen kleinen lauten Teil - und der wird immer aggressiver.“
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hessenschau.de: Am Samstag feiert der Frankfurter Christopher Street Day (CSD) sein 30. Jubiläum. Was bedeutet das für Sie?

Electra Pain: Das bedeutet für mich 30 Jahre Kampf für unsere Rechte. Das ist eine lange Zeit. Ich finde es auch erschreckend, dass es nach 30 Jahren immer noch notwendig ist, dass wir immer noch genauso um Akzeptanz kämpfen wie damals. Und da frage ich mich, warum sich in vielen Köpfen immer noch nichts bewegt hat.

Der CSD ist im Grunde eine Demonstration und keine Parade oder Fest. Das möchte ich immer wieder betonen. Wir kämpfen dort für etwas Wichtiges, nämlich für unsere Akzeptanz. Klar, wir feiern auch nebenbei das, was wir erreicht haben. Und wir feiern unser Leben und auch, dass wir so sein dürfen, wie wir sind. Aber der CSD ist vor allem eine Demonstration, das darf man nicht vergessen.

Das Interview führte Sophia Luft.

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