Drogenpolitik Frankfurt will gegen Elend im Bahnhofsviertel vorgehen

Offener Drogenkonsum, Prostitution, die Verelendung der Menschen - die Situation im Frankfurter Bahnhofsviertel wird immer schlimmer. Die Stadtpolitik sucht nach Lösungen.
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Reportage – die Situation im Frankfurter Bahnhofsviertel

Abhängige, die sich auf den Bürgersteigen Heroinspritzen setzen, offen sichtbarer Drogenhandel und Prostitution: Das Frankfurter Bahnhofsviertel ist seit Jahren für diese Bilder bekannt. Aber viele Menschen aus dem Viertel zwischen Hauptbahnhof und Bankentürmen sagen, die Zustände seien in den vergangenen Jahren und Monaten noch schlimmer geworden.
Probleme durch die Droge Crack
Das Viertel sei inzwischen gefährlicher, sagt zum Beispiel Michaela. Sie lebt seit 17 Jahren in der Szene, momentan nimmt sie an einem Methadon-Programm teil, um ihre Heroinsucht in den Griff zu bekommen. Im Bahnhofsviertel fühle sie sich zunehmend unsicher. "Es ist eine Katastrophe geworden", sagt sie. Den Grund sieht sie in der billigen Rauchdroge Crack, die die Stimmung auf der Straße aggressiver gemacht habe.
Die Droge Crack stelle auch für die städtische Drogenpolitik eine besondere Herausforderung dar, sagt der Frankfurter Gesundheitsdezernent Stefan Majer (Grüne). "Wir versuchen seit vielen Jahren, Rauchräume anzubieten." Doch das Rauchen einer Crack-Pfeife dauere nur wenige Sekunden, sodass Abhängige sich dafür besonders bei warmen Temperaturen im Sommer eher in einen Hauseingang setzten, statt einen Drogenkonsumraum aufzusuchen.
Verdrängung durch Corona-Pandemie und Bauarbeiten
Die Frankfurter Ordnungsdezernentin Anette Rinn (FDP) sieht zwei weitere Gründe dafür, dass sich die Zustände im Bahnhofsviertel deutlich verschlimmert" hätten: Einerseits die Corona-Pandemie, andererseits der Umbau der unterirdischen B-Ebene des Frankfurter Hauptbahnhofs. Wegen der geschlossenen Zugänge zu den Teilen des Bahnhofs gebe es weniger Rückzugsräume für Drogenabhängige.
Das Ziel der Ordnungsdezernentin ist: "Wir müssen es schaffen, den offenen Drogenkonsum von der Straße in die Hilfseinrichtungen zu verlagern." Wichtig sei dabei, dass die Szene nicht einfach in andere Stadtteile verdrängt werde. Rinn spricht sich deshalb für eine noch größere Präsenz der Polizei im Bahnhofsviertel aus.
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Verelendung im Frankfurter Bahnhofsviertel

Polizeipräsident sieht "Multi-Problemlage"
Schon jetzt sind laut Polizei fast 200 Beamtinnen und Beamte nur für das Gebiet zuständig. Der neue Frankfurter Polizeipräsident Stefan Müller erklärte die "Multi-Problemlage" im Bahnhofsviertel in seiner Antrittsrede vor rund einer Woche für eines der drängenden Themen, die er angehen wolle.
Doch die "Verelendung der Menschen", wie Polizeisprecher Thomas Hollerbach sagt, sei durch vollzugspolizeiliche Maßnahmen alleine nicht zu lösen. Es müssten alle an einem Strang ziehen, sagt Hollerbach: Polizei, Hilfseinrichtungen und die Stadt.
Hoffnung auf Spielräume durch den Bund
Gesundheitsdezernent Majer sieht noch einen weiteren Akteur in der Verantwortung: den Bund. Majer hoffe, dass mit der neuen Bundesregierung neue Spielräume für Drogenpolitik entstehen könnten – zum Beispiel im Kampf gegen Crack. "Manche Fachleute sagen, dass Cannabis diesen extrem aufgeregten Crack-Nutzern helfen könnte, wieder runterzukommen", führt er als Beispiel an.
Auch eine Orientierung am sogenannten Züricher Modell hält Majer für sinnvoll. In der Schweizer Stadt werde der Kleinhandel zwischen Drogenabhängigen in Einrichtungen erlaubt, dafür aber auf der Straße besonders streng kontrolliert. "Bei uns läuft es leider genau andersherum", sagt Majer.
Neues Koordinierungsbüro
Während die Frankfurter Dezernenten auf die Umsetzung der Drogenpolitik des Koalitionsvertrages der Ampelkoalition warten, wollen sie im nächsten Schritt die Pläne aus dem eigenen Koalitionsvertrag angehen. Darin haben sich Grüne, SPD, FDP und Volt zum Ziel gesetzt, ein neues Koordinierungsbüro im Bahnhofsviertel zu eröffnen.
Laut Rinn soll die Stelle im Herbst ihre Arbeit aufnehmen und für eine bessere Vernetzung der verschiedenen Akteure in dem Viertel sorgen.