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KroKi-Haus für chronisch kranke Kinder

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Ob Diabetes, Mukoviszidose oder Depressionen - jedes vierte Kind in Hessen ist chronisch krank. Manche davon brauchen so viel Betreuung, dass sie nicht zu Hause wohnen können. Im Gießener KroKi-Haus werden Kinder und Jugendliche nach einem einzigartigen Konzept betreut.

Wie in einem Horrorheim. So hatte Fabi sich vor einigen Jahren das Leben in einer Wohngruppe vorgestellt. Nach monatelangen Klinikaufenthalten und ambulanter Therapie war der heute 14-Jährige da aber auch schon ein gebranntes Kind.

Doch zu Hause leben - das ging einfach nicht mehr. Fabian erkrankte schon als Kind an einer unerklärlichen Depression und entwickelte starke Ängste, berichtet seine Mutter Sylvia D. Er wachte nachts auf, schrie, lag stundenlang wach. Auch tagsüber verließ er das Haus irgendwann nicht mehr, ging nicht mehr in Schule, brauchte quasi 24 Stunden Betreuung.

Junge guckt in die Kamera

"Nach einem langen stationären Aufenthalt in einer Kinder- und Jugendpsychiatrie haben wir als Familie dann festgestellt: Die Wiedereingliederung in den Familienalltag und die alte Schule funktionieren nicht", so Sylvia D. Weil es Fabi aber weiterhin schlecht ging, suchten die Eltern schließlich einen Ort, an dem er leben kann und die Hilfe bekommt, die er braucht. Sie landeten im KroKi-Haus in Gießen - 250 Kilometer von ihrem Wohnort entfernt.

Jedes vierte Kind ist chronisch krank

Laut einer Studie der DAK-Gesundheit ist mehr als jedes vierte Kind in Hessen chronisch krank. Das heißt, ihre Krankheit ist zwar behandelbar, aber meistens nicht heilbar. Für Kinder wie Fabi gibt es nach den Erfahrungen seiner Eltern aber nicht sehr viele passende Angebote. Sie wünschen sich außerdem, dass Fabi nicht in einem Umfeld mit ausschließlich psychisch Erkrankten lebt.

Das KroKi-Haus hat in dieser Hinsicht ein besonders Konzept: In der Jugendhilfeeinrichtung leben zwölf Kinder und Jugendliche zusammen, die entweder psychisch oder körperlich chronisch krank sind und nach einer akuten stationären Behandlung eine intensivere Betreuung brauchen, als es zu Hause möglich wäre.

Die Kinder haben zum Beispiel eine Niereninsuffizienz, Morbus Crohn, Mukoviszidose - oder eben eine Depression wie Fabi. Im KroKi-Haus werden sie von einem interdisziplinären Team pädagogisch, therapeutisch und medizinisch betreut, falls nötig über Jahre.

"Deutschlandweit einzigartig"

Johanna Kräske-Rawer leitet die Einrichtung. Die Pädagogin sagt: "Das KroKi-Haus ist in dieser Form deutschlandweit einzigartig, weil wir so ein breites Spektrum an Krankheitsbildern aufnehmen." Einige Pädagoginnen haben zusätzlich noch eine medizinische Ausbildung, auch eine Pflegekraft und ein Psychotherapeut gehören zum festen Team.

Frau guckt in Kamera

Die Kinder und Jugendlichen sollen sich hier nicht fühlen wie in einer Klinik oder in einem Pflegeheim, sondern ganz wie zu Hause. Sie leben in Einzelzimmern, die sie selbst gestalten dürfen, gehen zur Schule, in den Sportverein, zur Fahrstunde. Im Haus gibt es mehrere Freizeiträume, darunter auch eine Holz- und Kunstwerkstatt und einen Trainingsraum. Gleichzeitig ist immer jemand für die Bewohnerinnen und Bewohner da - auch nachts.

"Eine Investition in die Zukunft"

Die Jugendhilfeeinrichtung arbeitet eng mit der Kinderklinik am Universitätsklinikum Gießen zusammen. Gegründet wurde das KroKi-Haus von zwei Chefärzten, bis heute trägt ein Verein die Einrichtung. Einer der Mitbegründer ist Klaus-Peter Zimmer, ehemaliger Leiter der Pädiatrie.

Zimmer ist überzeugt: Sich um chronisch kranke Kinder zu kümmern, ist eine Investition in die Zukunft. "Wenn wir diese Kinder jetzt gut behandeln, können sie genauso Chancen haben wie jedes andere Kind auch: Sport machen, Berufe ergreifen, erfolgreich sein, Familie gründen."

Junge spricht mit Mann in einem Kunstraum

Inzwischen hat sich sogar eine KroKids-Stiftung gegründet, die auch über die Gießener Einrichtung hinaus chronisch kranke Kinder unterstützen und über ihre Situation informieren will. Der besondere Ansatz des KroKi-Hauses soll am 24. und 25. Juni in Gießen erstmals auf ein Symposium rund um das Thema vorgestellt werden.

Kein Horrorheim

Auch Fabis Familie nimmt wegen dieses besonderen Konzepts den weiten Weg durch halb Deutschland auf sich. Seit rund eineinhalb Jahren lebt der 14-Jährige nun in Gießen und hat mittlerweile festgestellt: Das hier ist alles andere als ein Horrorheim, sondern ein Ort, an dem er sich wohl fühlt und immer mehr lernt, mit den Herausforderungen in seinem Leben umzugehen.

Auch Fabis Mutter Sylvia bemerkt, dass ihr Sohn sich in der Atmosphäre und den Strukturen der Einrichtung gut entwickelt, es ihm Stück für Stück wieder besser geht. Auch für die ganze Familie sei heilsam, wie wertschätzend mit Kindern und Eltern im KroKi-Haus umgegangen werde. "Als Eltern mit einem psychisch kranken Kind haben wir viel Stigmatisierung erlebt", sagt sie.

"Ich kann wieder durchschlafen"

Es sei nicht alles leicht hier, meint Fabi. Mit manchen Betreuern käme er besser klar als mit anderen. Auch unter den Bewohnerinnen und Bewohnern gebe es durchaus Konflikte. "Jeder hat hier ja seine Probleme - und die treffen halt aufeinander."

Trotzdem hat sich viel verbessert für ihn: Er kann wieder ganz normal durchschlafen. Seit knapp einem Jahr geht er wieder in die Schule und inzwischen sogar in einen Fußballverein. Und jedes zweite Wochenende und in den Ferien fährt Fabi die 250 Kilometer zu seinen Eltern. Erst mal soll das auch so bleiben.

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