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Zahlreiche Ermittlungsverfahren wegen Corona-Spaziergängen

Eine Menschenmasse geht eine Straße im Dunkeln entlang. Im Bildhintergrund ist eine erleuchtete Kirche zu sehen.

Die meisten Corona-Einschränkungen sind wieder aufgehoben. Auch die Proteste sogenannter Querdenker sind abgeflaut. Die zahlreichen unangemeldeten Demonstrationen im vergangenen Winter beschäftigen aber weiterhin die hessische Justiz.

Im Corona-Winter 2021/22 waren sie schon fast so etwas wie ein Ritual. Über Monate hinweg veranstalteten Gegner der Corona-Maßnahmen Montag für Montag "Spaziergänge", um ihrem Missmut über die Pandemie-Politik von Bund und Land Ausdruck zu verleihen. Organisatoren gab es in den allermeisten Fällen nicht - zumindest nicht offiziell. Trotz ihrer Regelmäßigkeit sollten die Proteste den Eindruck spontaner Unmutsbekundungen vermitteln.

Eine Darstellung, die von den hessischen Ermittlungsbehörden offenkundig nicht geteilt wird. Denn mindestens 41 Ermittlungsverfahren sind in den vergangenen Monaten gegen mutmaßliche Organisatorinnen und Organisatoren von Anti-Maßnahmen-Protesten eingeleitet worden, das ergab eine Anfrage an die neun hessischen Staatsanwaltschaften.

Schwerpunkte in Nord- und Südhessen

Ein Großteil der Ermittlungsverfahren dreht sich dabei um die Frage, ob die vermeintlich spontanen Spaziergänge geplant waren und somit gemäß Versammlungsgesetz hätten angemeldet werden müssen. Einen Schwerpunkt bildet dabei Nordhessen, wo nach Auskunft der Staatsanwaltschaft Kassel alleine 18 Verfahren gegen namentlich bekannte Personen eingeleitet wurden. Diese betreffen Aufzüge in Kassel sowie Melsungen, Fritzlar und Spangenberg (alle Schwalm-Eder).

In einem Fall wurde das Ermittlungsverfahren inzwischen eingestellt. Ein weiteres Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. In allen anderen Fällen wurden - zum Teil nach Zusammenlegung mehrerer gegen dieselben Beschuldigten geführten Ermittlungen - Strafbefehle beantragt beziehungsweise Anklagen erhoben.

Mit deutlichem Abstand folgt der Zuständigkeitsbereich der Staatsanwaltschaft Darmstadt, wo allein wegen der Nicht-Anmeldung von Demonstrationen acht Ermittlungsverfahren gegen neun mutmaßliche Organisatorinnen und Organisatoren eingeleitet wurden. Fünf davon wurden mittlerweile - teils unter Auflagen - eingestellt. Die übrigen drei Ermittlungsverfahren sind noch nicht abgeschlossen.

Organisatoren nicht immer identifizierbar

Im Gegensatz dazu verzeichnete die Staatsanwaltschaft in Wiesbaden keine Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit Anti-Maßnahmen-Demonstrationen. Die Frankfurter Staatsanwaltschaft erklärte auf hr-Anfrage, dass derartige Ermittlungen nicht gesondert erfasst würden. Die Zahl der Ermittlungsverfahren könnte somit theoretisch höher liegen als die dem hr bestätigten 41 Fälle.

Ein Problem, vor dem alle Ermittler stehen, ist die Identifizierung der Organisatorinnen und Organisatoren. In Fulda, wo Anfang des Jahres die hessenweit größten "Montagsspaziergänge" mit zeitweise mehr als 1.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern stattfanden, konnte die Polizei durch genaue Observierung der Demonstration zwei mutmaßliche Organisatoren ermitteln. Gegen beide hat die Staatsanwaltschaft inzwischen Anklage erhoben. Derweil musste die Staatsanwaltschaft Hanau alle drei bei ihr geführten Ermittlungsverfahren einstellen, weil die mutmaßlichen Organisatoren nicht mit hinreichender Sicherheit ermittelt werden konnten.

Insgesamt wurden 10 der 41 dem hr bestätigten Ermittlungsverfahren bisher eingestellt. Eines endete letzte Woche vor dem Amtsgericht Marburg mit einem Freispruch für den Beschuldigten. In 18 Verfahren wurden Strafbefehle erlassen oder Anklage erhoben. Zwölf Ermittlungsverfahren sind bislang noch nicht abgeschlossen.