Anhänger des "Königreichs Deutschland" wollen im Main-Kinzig-Kreis ein Lebensmittelgeschäft eröffnen - exklusiv für selbst ernannte Staatsangehörige des Fantasielandes. Hier soll sich die Reichsbürgerszene künftig vernetzen. Kreis und Gemeinde wehren sich.

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Reichsbürger mieten sich Räume in Hasselroth

Foto eines Fensters, auf welchem ein Emblem und darüber ein Schriftzug "Königreich Deutschland" in Schreibschrift angebracht ist. Das Emblem zeigt ein Wappen, das eine Krone trägt. Es gliedert sich in schwarz, rot, goldene Flächen (von unten nach oben), wobei sich vom schwarzen "Grund" helle Strahlen nach oben richten.
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Vegane Rohkost, gefiltertes Wasser und Informationen zum Eintritt ins "Königreich Deutschland": Am kommenden Wochenende wollen Reichsbürger den "Paradise Garden" in Hasselroth (Main-Kinzig) eröffnen - einen Lebensmittelladen und Vernetzungsort für selbst ernannte Bürger des Fantasiekönigreichs.

Der Kreisausschuss des Main-Kinzig-Kreises und die Gemeinde Hasselroth reagierten am Dienstag auf das Vorhaben und forderten in einer Mitteilung "keine Toleranz für Verfassungsfeinde", der Staatsschutz sei nun in der Pflicht. Die Bürger und Bürgerinnen sollten sich "aktiv und mit klarer Kante" von den Umtrieben der Reichsbürger distanzieren.

"Außenstelle des Königreichs Deutschland"

Beworben wird der Treffpunkt des "Königreichs" im Internet als "dauerhaft maskenfrei, testfrei und ohne Impfzwang". Dass es mittlerweile keine Masken mehr braucht, um in herkömmliche Supermärkte zu gehen, scheint die Macher nicht zu beeindrucken, es geht ihnen offensichtlich um höhere Ziele: Der selbst ernannte Staatsbürger des "Königreichs Deutschland", Jens Becker, kündigte auf seiner Internetseite an, in Hasselroth eine Außenstelle des "Königreichs" zu eröffnen.

Es solle ein "Projektzentrum" sein auf dem Weg zu einem "reibungslosen Wechsel in die neue Zeit". Die Eröffnung sei exklusiv für Anhänger des "Königreichs". Auf Beckers Seite heißt es, wer ohne "Staatsangehörigkeit" komme, könne allerdings für die Dauer der Veranstaltung seine Zugehörigkeit zum Pseudo-Land erklären. Nur so könne man auf mögliche Corona-Maßnahmen verzichten.

Becker betreibt die Firma EMX Exchange mit einem Postfach in Frankfurt: Er wirbt auf seiner Internetseite für Kryptowährung im "Königreich", aber auch für esoterische Seminare, etwa zu "Russischer Lichtnahrung". Bei der Eröffnung des "Paradise Garden" können Besucher am kommenden Wochenende Einzelberatungen bei Becker zum "Systemumstieg" buchen - für 50 Euro die halbe Stunde, Unternehmen zahlen 100 Euro.

Bürgermeister wurde überrascht

Der Bürgermeister von Hasselroth, Matthias Pfeifer (SWG), wurde am vergangenen Wochenende nach eigenen Angaben überrascht vom neuen "Lebensmittelladen" der "Königreich"-Anhänger. Ein Bürger habe ihm einen Link geschickt, sagte er dem hr. Es gebe bisher keine Gewerbeanmeldung, es handele sich bei dem Haus in der Bahnhofstraße um eine Privatadresse.

Er habe bereits mit dem Ordnungsamt gesprochen - "aber machen können wir gar nichts", sagte Pfeifer. Er unterstützt die Stellungnahme des Landkreises, in der die Vermieter der Immobilie aufgerufen werden, das Mietverhältnis mit der verfassungsfeindlichen Organisation zu beenden.

Allerdings wurde offenbar auch die Vermieterin der Immobilie überrumpelt und erst vom Bürgermeister über den politischen Hintergrund der neuen Mieter informiert. Nun wolle sie versuchen, den Vertrag noch aufzuheben, sagte Pfeifer am Dienstag dem hr.

Verfassungsschutz warnte vor Immobilienkäufen

Dass die "Königreich"-Anhänger in Hasselroth fündig geworden sind, dürfte den Sicherheitsbehörden nicht passen: Das hessische Landesamt für Verfassungsschutz warnte bereits im Juli vergangenen Jahres öffentlich vor Ankaufversuchen durch Anhänger des "Königreichs Deutschland", die offenbar expandieren wollen. Der Verfassungsschutz stuft die Organisation als extremistisch ein.

Auf hr-Anfrage teilte der Verfassungsschutz mit, die Aktivitäten des "Königreichs" in Hessen würden aufmerksam beobachtet. Es sei der Behörde vorab bekannt gewesen, dass Anhänger des "Königreichs" planten, einen Lebensmittelladen und eine "Gemeinwohlkasse" - eine Art Bank - im Rhein-Main-Gebiet zu eröffnen. In letzter Zeit würden die Königreich-Anhänger versuchen, ihren Einfluss deutschlandweit auszubauen.

In Hessen gebe es eine mittlere einstellige Zahl an Unternehmen, die sich dem "Königreich" zuordnen. Für den Main-Kinzig-Kreis geht das Amt von einer unteren dreistelligen Zahl an Personen aus, die zur Reichsbürgerszene gehören.

Unter dem Vorwand, ein "ökologisches Gemeinwohldorf" zu gründen, seien bei hessischen Kommunen schon im letzten Jahr Anfragen zum Ankauf und der Anmietung von Immobilien eingegangen, die für 30 bis 300 Personen geeignet wären, teilte der Verfassungsschutz mit.

"König" aus Sachsen-Anhalt

Als König des selbst ernannten Königreiches tritt Peter Fitzek aus Sachsen-Anhalt auf, der laut Verfassungsschutz die hoheitlichen Befugnisse und Rechtsgrundlagen der Bundesrepublik leugnet.

Der Verfassungsschutz zählt die Anhänger des "Königreichs" zur Szene der Reichsbürger, die eine Gefahr darstellten: "Sämtliche staatlichen Maßnahmen können Aggressionen und Gefahrensituationen bis hin zu schweren Gewalttaten auslösen." Der Initiator des Geschäfts in Hasselroth, Becker, bewirbt offen die selbst geschriebene Verfassung des "Königreichs" und die Ideen von Fitzek.

Auch in Sachsen erfolgreich

Der hessische Verfassungsschutz sieht beim "Königreich" auch den Versuch Einzelner, Geld zu verdienen: Die Strukturen dienten der Selbstbereicherung von "König" Peter Fitzek und einigen Funktionären zulasten derer, die in die Strukturen investieren, warnt die Behörde. Der beworbene "Gemeinwohlsinn" bei der Expansion diene damit eher als Fassade.

Auch in Sachsen warnte der Verfassungsschutz zuletzt im März Kommunen, dass Fitzek und seine Anhänger Immobilien suchten. Im Erzgebirge und im Landkreis Görlitz seien sie bereits fündig geworden, hieß es von der Behörde. Ziel sei es, dort als Selbstversorger in extremistischen Siedlungsgemeinschaften zu leben und das selbst ernannte "Staatsgebiet" zu vergrößern.

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