Generation Corona Vier Geschichten vom Erwachsenwerden in der Pandemie

Die einen wünschen sich, Menschen in ihrer Umgebung ohne Masken zu sehen. Ein anderer, überhaupt mal jemanden zu treffen. Hier berichten vier junge Hessinnen und Hessen von zwei Jahren Corona-Alltag.
Die ersten aufregenden Reisen ohne Eltern, die Abschlussparty mit den Schulfreunden, der Start in das Berufsleben - normalerweise wichtige und einzigartige Meilensteine im Leben von Heranwachsenden. Vieles davon war in den vergangenen zwei Jahren pandemiebedingt nicht oder nur eingeschränkt möglich. Vier Geschichten der Generation Corona.
"Spontan sein - seit der Impfung ist das für mich wieder möglich"
Annika Rehm, 17 Jahre alt, besucht in Kronberg (Hochtaunus) die 12. Klasse
"Ich habe während des ersten Lockdowns den Realschulabschluss gemacht und bin dann im Sommer 2020 aufs Gymnasium gewechselt. Der Wechsel wäre natürlich anders gewesen, wenn ich meine neuen Mitschüler ohne Masken und Abstand kennen gelernt hätte. So wusste ich erst mal nicht, wie die anderen unter der Maske aussehen. Ich konnte meine Mitschüler nur in der Schule kennen lernen - Treffen außerhalb waren pandemiebedingt kaum möglich.

Als es dann ein halbes Jahr später im Winter in den Lockdown ging, war das schon krass. Hätte ich im Sommer keinen Anschluss gefunden, wäre ich im Lockdown allein gewesen und hätte mich an niemanden wenden können. So ganz allein zu Hause verkommt man dann wirklich.
„Ich wusste lange nicht, wie meine neuen Mitschüler ohne Maske aussehen.“Zitat Ende
Ich habe aber auch etwas Positives aus dieser Zeit mitgenommen. Ich schätze die Zeit mit meinen Freunden und meiner Familie viel mehr. Einfach spontan sein können und im Moment entscheiden, etwas zu tun - seit der Impfung ist das wieder für mich möglich."
"Die Ausbildung zur Mechatronikerin geht nicht online"
Sarah Kaiser, 18 Jahre alt, aus Steinbach (Hochtaunus) hat vor vier Monaten eine Ausbildung begonnen
"Die Suche nach einer Ausbildung war für mich kein Problem. Aber man hat schon gemerkt, dass manche Unternehmen dieses Jahr keine Ausbildungsplätze ausgeschrieben hatten. Komplett zurückgegangen ist es immerhin nicht. Ich hatte aber auch das Gefühl, dass es nicht so viele Mitbewerber auf die Ausbildungsplätze gab. Ich kann mir vorstellen, dass viele wegen Corona verunsichert waren und nicht wussten, was sie machen wollen. Ich hätte mir auch vorstellen können, erst mal ein Jahr ins Ausland zu gehen. Aber letztendlich war mir das zu unsicher.

Die Einarbeitung in meiner Ausbildungsstätte hat bisher gut geklappt. Ich bin sehr dankbar, dass ich jeden Tag in den Betrieb kommen kann und nicht zu Hause arbeiten muss. Die Ausbildung zur Mechatronikerin ist hauptsächlich praktisch - das geht nicht online.
Ohne Corona wäre die Ausbildung wahrscheinlich schon etwas anders. In der Berufsschule haben andere Azubis erzählt, dass sie in der Ausbildung auch mal nach Hause geschickt wurden und dann online etwas lernen sollten. Bei mir im Betrieb ist nur etwa ein Drittel der Mitarbeiter vor Ort. Der Rest ist im Homeoffice, da ist schon weniger los.
„Ich habe den Eindruck, dass es weniger Mitbewerber auf die Ausbildungsstellen gab als sonst.“Zitat Ende
Bei der Ausbildung hätten wir eigentlich eine Einführungsfahrt gehabt, die ist auch weggefallen. Ich habe mit meinen Kollegen aber im Sommer auch mal am Wochenende etwas zusammen unternommen und sie dadurch kennen gelernt."
"Meinen Job fand ich auf einer Art Tinder für Juristen"
Vladimir Konkachov, 27 Jahre alt, aus Frankfurt hat nach seinem Jurastudium die erste Stelle angetreten
"Die Jobsuche unter Pandemie-Bedingungen war schwieriger. Mein eigentlicher Wunscharbeitgeber hat zum Beispiel keine Berufsanfänger mehr eingestellt, weil es durch Corona finanzielle Einbrüche gegeben hatte. Ich musste mich umschauen und mich umentscheiden, wo ich hingehe. Dadurch bin ich mit der Plattform Legal Head in Berührung gekommen - eine Art Tinder für Juristen auf Jobsuche. Dort wurde ich nach knapp einer Woche fündig.

Für den Berufseinstieg ist es natürlich schwierig, wenn man nur 25 Prozent der Belegschaft kennen lernen kann. Über Teams und Skype ist viel möglich, aber es ist nicht das gleiche. Die Hemmschwelle ist niedriger, einfach über den Gang zu laufen und bei einer Frage schnell nachzufragen als anzurufen und dann möglicherweise die Kollegen in einem wichtigen Gespräch zu stören. Manche Kollegen kenne ich noch gar nicht persönlich, und da kostet es noch mehr Überwindung, digital den Kontakt zu suchen.
„Bei Kollegen, die ich nicht persönlich kenne, kostet es noch mehr Überwindung, digital den Kontakt zu suchen.“Zitat Ende
Ich weiß nicht, ob mich diese Zeit geprägt hat. Ich hatte das Glück, auch im Homeoffice immer nette und hilfsbereite Kollegen zur Seite zu haben. Mein Umzug als Kind aus Russland nach Deutschland war für mich eine Art Corona-Erfahrung, weil ich kein Deutsch sprechen konnte. In der Schule konnte ich mich nicht verständigen, und dann bist du zwar unter Menschen, aber auch komplett allein. Das hat mich wahrscheinlich gestärkt."
"Das Leben bestand plötzlich nur noch aus Mama und Papa"
Katharina Boss, 34 Jahre alt, aus Frankfurt hat die Pandemie als junge Mutter erlebt
"Zu Beginn von Corona hatten wir kaum Unterstützung. Oma und Opa konnten nicht mehr mithelfen, weil wir uns streng an die Regeln gehalten haben und auch nirgendwo mehr hingefahren sind. Das Leben bestand plötzlich nur noch aus Mama und Papa - selbst im Supermarkt war unser Sohn ängstlich, weil auf einmal so viele fremde Menschen da waren.

Jetzt ist meine Angst nicht mehr so groß wie am Anfang der Pandemie. Wir haben uns dreimal impfen lassen, testen uns regelmäßig und achten auf alle Hygiene-Vorschriften. Für uns muss das Leben aber auch irgendwie weitergehen - besonders für unseren Sohn. Er soll nicht nur in einer Corona-Blase aufwachsen. Und auch für mich geht es weiter. Ich bin Lehrerin, und an den Schulen geht es durch das regelmäßige Testen und durch Luftfilter wieder bergauf.
„Besonders für unseren Sohn muss das Leben irgendwie weitergehen - nicht nur in einer Corona-Blase.“Zitat Ende
Für die Zukunft meines Sohnes wünsche ich mir, dass er mehr von der Welt sieht. Wir konnten kaum reisen, was wir sonst gerne gemacht haben. Er kennt daher noch keine anderen Länder und Kulturen, und das finde ich so wichtig fürs Großwerden. Mein zweiter Wunsch hört sich banal an: Aber ich wünsche mir für meinen Sohn, Gesichter ohne Masken zu sehen."
Protokolle: Bo Hyun Kim