Kinder lächeln

In der AWO Kita Gießen-Rödgen treffen Welten aufeinander: entschleunigte Naturverbundenheit und fortschrittliche Technik. Für dieses Konzept ist die Kita nun mit dem deutschen Kitapreis samt hohem Preisgeld ausgezeichnet worden.

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Kitapreis für Gießener Einrichtung

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Sie ziehen los auf ihren Acker, ausgestattet mit großen bunten Gießkannen - und einem großen bunten Tabletcomputer. Über schmale Holzbohlen balancieren die Kindergartenkinder damit durch das Gemüsebeet. Sie gießen den jungen Mais und die Bohnen, probieren die ersten Radieschen. "Scharf", stellen sie fest.

"Bitte lächeln", ruft dann ein Junge in die Runde und macht mit dem Tablet ein paar Fotos vom heutigen Arbeitsfortschritt. Die Kinder grinsen und winken in die Kamera: Selfie-Session mit Blick auf Kuhweiden, Brombeerbüsche und selbst gepflanztes Gemüse. Es ist, als gäbe es nichts Alltäglicheres für die Kinder.

Zweiter Platz als Kita des Jahres

Die Kinder besuchen die AWO-Kita in Rödgen bei Gießen, die am Montag als einzige hessische Einrichtung mit dem Deutschen Kitapreis 2022 ausgezeichnet worden ist. Unter 1.200 Bewerbungen schaffte es die Einrichtung in der Kategorie "Kita des Jahres" auf den zweiten Platz. Damit erhält sie außerdem 10.000 Euro Preisgeld.

Kinder im Gemüsefeld

Die Einrichtung verfolgt ein besonderes Konzept, das zwei scheinbar gegensätzliche Welten miteinander verbindet: Naturpädagogik und Digitalisierung. Einerseits hat die Kita ein eigenes Bauernhofprojekt, das sie gemeinsam mit einem örtlichen Landwirt unterhält. In einem großen Bauwagen umgeben von Äckern, Weiden und Obstbäumen können die Kinder landwirtschaftliche Abläufe und Prozesse im Jahreslauf spielerisch erlernen.

Andererseits legt die Einrichtung einen Schwerpunkt auf Digitalisierung: Jede Gruppe ist mit digitalen Endgeräten ausgestattet. Die Kinder dokumentieren damit beispielsweise ihre Fortschritte auf dem Feld oder finden gemeinsam heraus, welche Pflanze da überhaupt gerade wächst. Auch die Absprachen im Mitarbeiterteam und die Kommunikation mit den Eltern läuft per App.

"Kinder werden als eigenständige Menschen betrachtet"

Die Jury lobte die Rödgener Kita einerseits für ihre besonderen Lernräume und andererseits für ihr offenes pädagogisches Konzept: "Kinder werden hier als eigenständige und kompetente Menschen betrachtet", heißt es in der Begründung.

"Einfach unglaublich", stellt Kita-Leiterin Beate Diehl über die Auszeichnung fest. "Wir wären bei der Bewerbung niemals davon ausgegangen, dass wir überhaupt unter die ersten zehn kommen." Besonders freue sie, dass die Jury hervorgehoben habe, wie kindorientiert die Kita arbeitet.

Kinder können viel selbst bestimmen

Diehl erklärt: In der AWO Kita können die 65 Kinder können jeden Tag frei entscheiden, wo sie spielen möchten. Statt klassischer Gruppenräume gibt es etwa einen Kreativraum, eine Baustelle oder einen Rollenspielbereich. Wer möchte, kann mit zum Bauernhofprojekt.

Bauwagen mit Kindern

Auch bei den Essenszeiten und der Auswahl werde ihnen innerhalb eines gewissen Regelrahmens viel Freiheit gewehrt, so die Kita-Leiterin. Die Kinder könnten selber entscheiden, mit wem, wann und was sie essen, zudem könnten sie ihre Mahlzeit selbst portionieren.

"Auch nichts zu essen können sie entscheiden, dann müssen sie aber zumindest etwas trinken." Diehl ist überzeugt: So werden die Kinder besser an eine reale Essenssituation und an gesunde Ernährung herangeführt, als wenn man ihnen einfach alles vorsetzen würde.

Mutter: Extra nach Rödgen gezogen

Offen heiße für die Kita deshalb nicht, einfach nur die Türen zu öffnen, sondern sei eine Frage der Haltung. Das Bildungsverständnis der Kita gehe davon aus, dass Kinder am besten selbstgesteuert lernen, so Diehl. "Es ist ein hohes Gut zu lernen, mich selber wahrzunehmen und für mich einzustehen."

Damit reagiere die Kita auch auf gesellschaftliche Entwicklungen, meint die Kita-Leiterin. "Viele Menschen gehen in unserer Gesellschaft daran kaputt und werden krank, weil sie nicht die Stärke haben zu erkennen, was sie brauchen, oder weil sie ihre eigenen Bedürfnisse nicht äußern können, ohne andere damit zu verletzen."

Mit diesem Konzept sind auch viele Eltern hier zufrieden. Eine Mutter lobt besonders den wertschätzenden Umgang mit den Kindern, eine andere den freien Umgang mit der Natur, den die Kinder hier erleben. Und eine Mutter erzählt: Sie sei sogar extra nach Rödgen gezogen wegen der Kita.

Weitere Informationen

Der Deutsche Kita-Preis

Der Deutschen Kita-Preises ist eine gemeinsame Initiative des Bundesfamilienministeriums und der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung. Er wird seit fünf Jahren verliehen. Ausgezeichnet werden Kitas und lokale Bündnisse, die sich etwa in einer Gemeinde für frühkindliche Erziehung engagieren. Die Preisverleihung findet in Berlin statt. Der erste Platz in der Kategorie "Kita das Jahres" ging 2022 an das baden-württembergische Familienzentrum Olgakrippe aus Heilbronn. Im vergangenen Jahr schaffte es bereits eine andere AWO Kita aus Gießen (Marshallstraße) auf den zweiten Platz.

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