Limburg Schiede Fahrverbot

Seit Jahren kämpft Limburg gegen dreckige Luft. Als erster Kleinstadt in Deutschland drohten ihr bis vor kurzem sogar Dieselfahrverbote. Die sind zwar vorerst vom Tisch, aber der Weg zur Mobilitätswende ist auch hier noch lang.

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0,0000001 Gramm. Ein Hauch  - eigentlich noch nicht mal das - aber sehr wohl messbar und wesentlich für viele Menschen in Limburg. An der entscheidenden Messstelle lag Anfang des Jahres die Belastung bei 39,9 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft im Jahresdurchschnitt. Erlaubt sind EU-weit seit 2010 maximal 40 Mikrogramm. Limburg wendete damit in letzter Minute ein Dieselfahrverbot ab, das ihr schon im April gedroht hätte – als erster Kleinstadt in ganz Deutschland.

Dabei unterscheidet sich Limburg im Grunde gar nicht allzu sehr von vielen anderen hessischen Kleinstädten: In der Stadt leben rund 37.000 Menschen, aus dem Umland pendeln viele weitere in die Stadt hinein, um zur Arbeit, zum Arzt oder zum Einkaufen zu kommen. 90 Prozent der Menschen im Landkreis fahren mit dem Auto zur Arbeit, auch die Autodichte ist hoch, wie vergangenes Jahr eine Befragung der Industrie- und Handelskammer (IHK) zeigte: Auf 1.000 Einwohner kommen 657 Pkw. Zum Vergleich: In Frankfurt sind es 452. Im ÖPNV klaffen Lücken, ebenso wie in der Fahrrad-Infrastruktur. Es ist eine Auto-Region, so wie viele andere auch.

Aber: Die vielen Autos in Limburg sorgten in den vergangenen Jahren für besonders dicke Luft. Annähernd schlechte Stickstoffdioxid-Werte erreichte in Hessen zwischenzeitlich nur noch Darmstadt, wo es seit 2019 bereits Dieselfahrverbote gibt. Die Mobilitätswende ist in Limburg deshalb schon in vollem Gange. Denn mit hohen Schadstoffwerten stieg auch der Druck, etwas zu tun. Und Fahrverbote will Limburg unbedingt vermeiden.

Stadt will Fahrverbote vermeiden

"Für eine Kleinstadt wie Limburg wären Dieselfahrverbote eine Katastrophe", meint Limburgs Pressesprecher Johannes Laubach. Die Stadt fürchte dadurch eine Verlagerung des Verkehrs auf Nebenstrecken, dann auch noch entlang an Kindergärten, Schulen und Wohngebieten. Ähnlich kritisch äußern sich Vertreter von ortsansässigen Unternehmen und auch die IHK Limburg.

Um die Schadstoffbelastung also auf andere Art zu senken, hat die Stadt 2017 einen "Masterplan Mobilität" verfasst. Er umfasst 120 Einzelmaßnahmen, die bis 2030 umgesetzt werden sollen. Das Ziel: einerseits alternative Verkehrsmittel attraktiver zu machen und andererseits den Autoverkehr in der engen Innenstadt möglichst zu reduzieren – allerdings eben nicht mit Zwang, sondern mit vergleichsweise sanften Methoden.

Fahrradstraßen, E-Bikes, Parkgebühren

2021 richtete die Stadt beispielsweise ihre erste Fahrradstraße ein, auf der Radverkehr Vorrang hat, und eröffnete unter dem Hauptbahnhof eine Fahrrad-Tiefgarage. Zudem verbesserte sie bereits bestehende Radwege und sanierte zwei Brücken, damit Autofahrer die Innenstadt besser umfahren können. In einem einjährigen Verkehrsversuch soll eine davon zudem nur noch einspurig befahrbar sein, um mehr Platz für Fußgänger und Radfahrer zu schaffen. Auch die Anschaffung von E-Bikes und anderen elektrischen Fahrzeugen wird in Limburg inzwischen finanziell gefördert.

Hinzu kam beispielsweise noch ein erweitertes Konzept für den Nahverkehr. Fünf Elektrobusse verstärken den teilweise dünn ausgebauten ÖPNV. Der sogenannte Lahnstar kann per App auf Abruf gebucht werden. Neben dem Grundpreis des ÖPNV-Tickets sind dafür lediglich 1,50 Euro als "Komfortaufschlag" fällig. Laut Stadt Limburg haben dieses Angebot seit November 2021 bisher 22.428 Menschen genutzt.

Kleinbus mit Handy davor gehalten und Aufschrift Lahnstar

Besonders einschneidend war für viele Autofahrer wohl auch eine drastische Parkgebühren-Erhöhung: In der Innenstadt wurde Parken zum Teil doppelt oder sogar dreimal so teuer. Parken am zentral gelegenen Kornmarkt kostet nun beispielsweise sechs Euro pro Stunde.

VCD: Praktische Umsetzung stockt noch

Ist Limburg also eine Erfolgsgeschichte, was die Verkehrswende und den Kampf gegen Luftverschmutzung im ländlichen Raum angeht? Zwar sind die Werte gesunken, aber ganz zufrieden ist man beim Verkehrsclub Deutschland (VCD) noch nicht. Der VCD ist nach eigenen Angaben an der Klage beteiligt gewesen, die 2018 die Deutsche Umwelthilfe aufgrund der erhöhten Stickstoffdioxide beim Verwaltungsgerichtshof in Kassel eingereicht hatte.

Stephan Voeth vom VCD-Landesvorstand sagt: Viele der Maßnahmen der betroffenenen Städte seien aus Sicht des VCD durchaus gut. Jedoch stocke es noch an der praktischen Umsetzung, etwa was den Bau von Radwegen angeht. "Das müsste alles noch viel schneller passieren."

Mann blickt in die Kamera

Voeth meint: "Dass kleinere Maßnahmen durchaus helfen können, unter den Grenzwert zu kommen, ist nicht von der Hand zu weisen, aber was immer noch fehlt, ist die ganz große Keule." Hinzu komme: Nicht nur die Verkehrsmaßnahmen hätten die Werte gesenkt, sondern auch die Coronamaßnahmen der vergangenen Jahre, die den Autoverkehr allgemein reduziert hätten. Dieser Effekt könne aber schon bald wieder nachlassen, fürchtet Voeth. "Wenn man so eng am Grenzwert ist, ist man als Kommune sehr gut beraten, weitere Schritte zu gehen, sonst ist man sehr schnell wieder drüber."

Aktuelle Werte im grünen Bereich

Die Stadt Limburg ist überzeugt: Nicht nur ein Corona-Effekt, sondern auch die eigenen Verkehrsmaßnahmen der Stadt haben durchaus zu einer Senkung der Werte beigetragen. Zudem nehme der Anteil schadstoffarmer oder sogar emissionsfreier Fahrzeuge im Verkehr zu. Und auch in Zukunft hat die Stadt noch einiges vor, denn der Masterplan Mobilität ist noch lang.

Zur Kritik an einer bislang langsamen Umsetzung meint Stadtsprecher Johannes Laubach: "Natürlich wäre es wünschenswert, mit einigen Verkehrsvorhaben schneller in die Realisierung zu kommen." Jedoch gebe es für eine kleine Stadt wie Limburg sehr besondere Herausforderungen, etwa was Zuständigkeiten für die Bundesstraßen, Finanzierung der Projekte oder Einbindung von Bürgerinnen und Bürgern angeht. "Das braucht Zeit."

Noch ist Limburg jedenfalls um Dieselfahrverbote herumgekommen. Jedoch werden die Durchschnittswerte der vergangenen zwölf Monate jedes Quartal neu berechnet. Sobald sie wieder über 40 liegen, drohen erneut Verbote. Der letzte Wert vom 30. Juni stimmt zumindest hoffnungsvoll: Er liegt bei 39,4.

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Limburg ist die dritte Station auf der hessenschau-Sommertour zum Thema "Zukunft made in Hessen". Weitere Stopps und Themen:

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