Hilfstransporte in die Ukraine "Wir erleben eine ganz große Welle der Hilfsbereitschaft"

Schlafsäcke, Verbandsmaterial und haltbare Lebensmittel: An vielen Orten in Hessen werden Spenden und Hilfsgüter gesammelt, um sie an die ukrainische Grenze zu bringen. Die ersten hessischen Helfer sind schon vor Ort.
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Hilfe aus Hessen für Ukraine

Erst sei da eine Art Schockstarre gewesen, dann das Bedürfnis, irgendetwas zu tun, sagt Gábor Czifra. Wie viele andere stellte sich der 32-Jährige aus Bad Nauheim (Wetterau) nach dem Einmarsch von Putins Truppen in der Ukraine die Frage: "Wie kann ich helfen?"
Czifra hat die Antwort auf diese Frage für sich schnell gefunden: "Geld ist eine Sache. Aber was wirklich hilft, sind die Hände." So habe sich Czifra nach einem Großeinkauf am Samstagnachmittag in sein voll gepacktes Auto gesetzt und sei losgefahren, an die ukrainische Grenze in Ungarn.
Fahrer für Flüchtlinge an der Grenze
Auch während des Telefongesprächs mit dem hr am Montagnachmittag sitzt Czifra wieder im Auto, denn er bringt Menschen von der Grenze zu Unterkünften, teilweise viele Kilometer weiter.
"Gestern gab es einen schwierigen Fall, eine Frau mit fünf Kindern, die seit drei Tagen nichts gegessen und nicht geschlafen hatten", erzählt Czifra. Er habe die Familie dann zusammen mit einem anderen Freiwilligen hunderte Kilometer ins Landesinnere Ungarns gebracht, wo ein anderer Teil der Familie wartete.
Gute Versorgung mit Hilfsgütern
"Die Menschen freuen sich einfach, wenn sie sich gegenseitig in den Arm nehmen und zur Ruhe kommen können", sagt Czifra. Es gebe seinem Eindruck nach eine recht gute Versorgung mit Hilfsgütern an der ungarischen Grenze. "Es gibt aber einen Mangel an Fahrern, die die Menschen von A nach B bringen."
Auf Dauer sei es nicht besonders effizient, die Personen in kleinen Autos zu fahren. Er gehe davon aus, dass bald öffentliche Transportangebote für die Flüchtlinge in Ungarn zur Verfügung stehen und seine Hilfe vor Ort dann nicht mehr gebraucht werde. "Solange ich das Gefühl habe, ich kann einen Beitrag leisten, werde ich hier bleiben", sagt Czifra.

Feuerwehr-Lkw voller Spenden
Einen Beitrag leisten wollen gerade viele Menschen in Hessen, zum Beispiel auch in Egelsbach (Offenbach). Die erste Ladung Kleidung, Isomatten, Schlafsäcke und Verbandsmaterial ist von dort aus am Montagmorgen auf den Weg gebracht worden.
Zuvor hatte Christian Klöppel von der Freiwilligen Feuerwehr Egelsbach den Aufruf eines Egelsbacher Gastronomen bei Facebook gesehen, der Spenden sammelte. "Wir hatten noch Desinfektionsmittel bei der Feuerwehr", sagt Klöppel. Das habe er anbieten wollen.

Hilfen sollen bis in die Kampfzone gelangen
Daraus sei dann schnell mehr geworden: Schließlich stellte die Freiwillige Feuerwehr auch ihren Lkw für den Transport - samt einer Fahrerin und einem Fahrer, die nun bereits auf der Fahrt nach Polen sind. An der ukrainischen Grenze sollen die Hilfsgüter dann teilweise an die Geflüchteten übergeben werden. Ein anderer Teil soll an ukrainische Fahrer übergeben und weiter "direkt in die Kampfzone" gebracht werden, wie Klöppel erklärt.
Die Freiwillige Feuerwehr Egelsbach sei in enger Absprache mit der Gemeinde und dem Kreis. So wolle man in der kommenden Woche voraussichtlich einen weiteren Transport organisieren. "Es ist einfach so schrecklich, was gerade in der Ukraine passiert", sagt Klöppel, "da müssen wir einfach helfen".
Nur was wirklich gebraucht wird
In der nächsten Woche wollen sich auch vier Freunde aus Hanau (Main-Kinzig) mit zwei Lkw auf den Weg nach Polen machen. Einer von ihnen ist Niko Deeg aus dem Vorstand der jüdischen Gemeinde Hanau. Über die Gemeinde habe er auch Kontakt zu Menschen in der Ukraine.
"Gestern haben wir mit Leuten vor Ort telefoniert, um zu erfahren, was wirklich gebraucht wird", sagt Deeg. "Duschgel zum Beispiel können sie nicht gebrauchen", denn an der Grenze gebe es gar keine Möglichkeiten zu duschen. "Stattdessen braucht es zum Beispiel Binden, Windeln, Trinkwasser und Dinge, die man sofort essen kann", erklärt Deeg.
Die Hilfsgüter werden Supermärkte aus Hanau zur Verfügung stellen, die Lkw werden ebenfalls durch private Sponsoren finanziert. Am Montag kommender Woche wollen Deeg und die anderen Hanauer aufbrechen. "Wir werden dann solange bleiben, bis die Lkw leer sind und wirklich alles ankommt", verspricht Deeg.
Unterstützung für die Partnerstadt
In Darmstadt sollte noch am Montagabend ein Bus in Richtung ukrainische Grenze losfahren. Die recht kurzfristige Aktion hat der Verein "Partnerschaft Deutschland-Ukraine/Moldova zusammen mit der Stadt organisiert.
Für Claudia Ehry aus dem Vorstand des Vereins sei direkt klar gewesen, dass man sich um die Menschen aus der Partnerstadt Uzhhorod kümmern müsse. Naheliegend seien zunächst Geldspenden gewesen. "Wir haben aber ganz viele Anrufe von Menschen bekommen, die benötigte Dinge spenden wollten", sagt Ehry.
Über Kontakte zu einem Touristikunternehmen habe sich dann ein geeigneter Bus gefunden. Um 23 Uhr sollte er am Montagabend aufbrechen, gefüllt mit Decken, Handtüchern, Lebensmitteln, Pflastern und Medikamenten.
Bus soll nicht leer zurückkommen
Am Donnerstag soll der Bus dann zurückkehren und 45 Menschen aus der Ukraine mitbringen. "Es gibt viele Freiwillige, die Flüchtlinge aufnehmen wollen", sagt Ehry. So könne schon 33 Personen eine sichere Unterkunft geboten werden. Weitere Personen würden vorerst in Hotelzimmern untergebracht.
"Es gibt gerade eine ganz große Welle der Hilfsbereitschaft", sagt Ehry, "das ist wunderbar." Sie könne nichts versprechen, wolle aber auch nicht ausschließen, dass es in der kommenden Woche wieder einen Hilfstransport aus Darmstadt geben könnte - so wie vermutlich auch aus vielen anderen hessischen Städten.
Geldspenden für die Menschen in der Ukraine
Aktuell gibt es viele Spendenaktionen und Hilfstransporte auch in anderen hessischen Städten und Kreisen. Oft gibt es eine Übersicht auf den Internetseiten der Vereine, Städte oder Gemeinden mit Informationen dazu, wie Privatpersonen helfen können. Teilweise gibt es dort auch die Möglichkeit, Unterkünfte für Geflüchtete anzubieten.
Zu Geldspenden rufen zum Beispiel im Namen von 23 deutschen Hilfsorganisationen die "Aktion Deutschland Hilft" und das "Bündnis Entwicklung Hilft" auf - in Kooperation mit der ARD:
Stichwort: ARD / Nothilfe Ukraine
Spendenkonto: DE53 200 400 600 200 400 600
Internet: spendenkonto-nothilfe.de
Einen Überblick über weitere Spendenkonten finden Sie hier auf tagesschau.de.