Die Omikronwelle rollt - und vielen Seniorenheimen brechen reihenweise die Pflegekräfte weg. In einem hessenweit einmaligen Projekt werden in Gießen und Marburg nun Ehrenamtler im Crash-Kurs zu Krisenhelfern ausgebildet.

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Mit Krisenhelfern gegen den Personalmangel in der Altenpflege

Eine Dozentin spricht im Seminarraum mit Teilnehmern des Krisenhelfer-Kurses.
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Normalerweise finden in der Volkshochschule Lich Töpferkurse und Französischeinheiten statt. Nun sind Schulungen zur Krisenhelferin oder zum Krisenhelfer für die Altenpflege dazu gekommen. Die Freiwilligen sollen lernen, wie sie in der Pandemie aushelfen können, wenn akute Personalnot herrscht.

Es sollen die Basics der Altenpflege gelernt werden

Am ersten Schulungs-Vormittag steht das Thema Demenz auf dem Stundenplan. In einem Rollenspiel sollen die Teilnehmer eine demente Seniorin dazu bringen, in ihr Zimmer zurückzukehren. Außerdem auf dem Lehrplan des Krisenhelfer-Crashkurses stehen Themen wie die richtige Hygiene, Unterstützung beim Gehen, Essen und Trinken oder dem Toilettengang.

"Es geht um die grundlegenden Bedürfnisse des Menschen - die absoluten Basics", sagt Christiane Kempf, stellvertretende Leiterin der DRK Schwesternschaft Marburg. Sie hat das Programm ins Leben gerufen und das Curriculum mitentwickelt. Kurse gibt es in Marburg und im Gießener Raum. Es nehmen Angehörige von Pflegebedürftigen teil oder einfach Menschen, die helfen wollen. "Ich habe selbst einen Vater im Pflegeheim und sehe den ständigen Pflegenotstand durch Corona", sagt eine 54-Jährige aus Gießen. Sie traue sich ohne Schulung aber nicht mehr zu, als nur mit den Patienten zu spielen.

Ein Memoblatt zum Umgang mit Dementen

Kurs-Kosten werden von den Landkreisen übernommen

Der Anlass für das hessenweit einmalige Projekt war eine erste große Krankheitswelle zu Beginn der Pandemie: "Ein Altenheim in unserer Nähe hatte absoluten Personalausfall, weil fast alle Mitarbeiter und auch das Personal an Corona erkrankt waren", sagt Kempf. Man habe überlegt, wie Menschen, die helfen wollen, dies fachgerecht tun könnten. Und dazu gehöre auch die Erkenntnis, was schnell geschulte Helfer nicht leisten könnten, wo die Fachkraft weiterhin gebraucht werde.

Die Kosten für die Teilnahme werden von den Landkreisen Gießen und Marburg-Biedenkopf sowie den einzelnen Städten übernommen - sogar ein möglicher Verdienstausfall wird zum Beispiel in Gießen kompensiert. "Um drohenden Personalengpässen in der Pflege entgegenzuwirken, möchten wir gerne die Initiative ergreifen", erklärt Landrätin Anita Schneider (SPD).

Viele Pflegekräfte fallen wegen Corona aus

Und diese Initiative dürfte an einigen Orten bald schon notwendig sein: Laut Zahlen des Regierungspräsidiums Gießen waren alleine Mitte Januar in ganz Hessen 2.000 der 58.000 Altenpflegekräfte in Einrichtungen an Corona erkrankt, oder wegen entsprechender Quarantäne zuhause. Das Regierungspräsidium geht nach eigenen Angaben aber davon aus, dass die Zahlen noch höher liegen, weil die Übermittlung der Daten durch die Pflegeeinrichtungen nicht vorgeschrieben sei. Experten gehen außerdem davon aus, dass die Omikronwelle noch längst nicht ihren Höhepunkt erreicht hat.

Eine Teilnehmerin des Krisenhelfer-Kurses sitzt an einem Tisch und hört aufmerksam zu

Neue Kurse sollen mehr Helfer ausbilden

Und was sagen die Altenheime zu den Krisenhelfern? "Wenn jemand helfen mag, wir werden ihn oder sie mit offenen Armen empfangen", erklärt Christa Hofmann-Bremer, die Leiterin des Gießener Johannesstifts.

Nur ob das ausreicht, das sieht sie noch skeptisch: "In so einem Kurs können bis zu zwölf Ehrenamtler ausgebildet werden. Aber wir sind hier eine große Region mit vielen Einrichtungen. Selbst wenn sich zwölf Teilnehmende pro Kurs finden, die werden ganz schnell verteilt sein."

Neue Kurse sind für Anfang Februar angesetzt. Dann, wenn sich die Omikronwelle laut Experten wahrscheinlich auf dem Höhepunkt befindet.

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