Ein Arzt und eine Pflegekraft in Schutzkleidung beugen sich über einen Patienten, der in einem Bett auf der Intensivstation liegt. Das Bild ist durch eine offene Tür fotografiert, weshalb das Bild rechts und links graue Flächen zeigt.

Die Omikron-Welle kommt mit Wucht. Trotz vieler milder Verläufe könnte sie - durch die schiere Masse an Neuinfektionen - zu Engpässen in Kliniken führen. Davor warnt der Corona-Expertenrat. Hessische Häuser fürchten größere Ausfälle beim Personal.

Schaut man auf die blanken Zahlen, so könnte man in den Wiesbadener Horst-Schmidt-Kliniken (HSK) von einer leichten Entspannung ausgehen. Auf der Normalstation müssen sich Ärzte und Pflegekräfte aktuell um weniger Covid-19-Patientinnen und -Patienten kümmern – 15 sind es noch, statt 28 in der vergangenen Woche. Auch auf der Intensivstation hat die Zahl der Corona-Fälle abgenommen, wie der Ärztliche Direktor Ralf Kiesslich erklärt. "Das mag aber eine Momentaufnahme sein", sagt er. Einen Trend will er daran nicht festmachen - im Gegenteil: "Unsere Mitarbeiter:innen wissen, dass wir möglicherweise vor einer großen Herausforderung stehen."

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Corona-Lage in den Krankenhäusern

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Denn die Omikron-Welle kommt mit Wucht, und sie wird vermutlich auch die Klinik mitten im hessischen Corona-Hotspot treffen. Seit Tagen meldet Wiesbaden Rekordwerte bei der Inzidenz. Am Mittwoch lag der Wert laut Robert-Koch-Institut bei fast 1.900, das entspricht knapp einer Verdopplung innerhalb von nur einer Woche. Auch die hessenweite Inzidenz steigt und hat in dieser Woche erstmals die 1.000er-Marke geknackt.

 "Angespannt – wie das Kaninchen vor der Schlange"

Genau dieser rasante Anstieg bereitet dem Corona-Expertenrat der Bundesregierung Sorge. Am Wochenende hatte das Gremium gewarnt, dass man bei weiter steigenden Inzidenzen mit sehr vielen Krankenhauseinweisungen rechnen müsse. "Es ist anzunehmen, dass die medizinische Versorgung zumindest regional eingeschränkt sein wird", hieß es. Das könne zum Beispiel bei der Versorgung von Patienten mit anderen Krankheiten zur Gefahr werden.

"Die aktuelle Lage ist dauerhaft angespannt, man könnte sagen: wie das Kaninchen vor der Schlange", formuliert es Steffen Gramminger, Geschäftsführer der Hessischen Krankenhausgesellschaft (HKG). Man beobachte die Inzidenzzahlen mit Spannung. "Wir müssen natürlich davon ausgehen, dass die stationäre Zahl steigt - es ist nur die Frage, wie stark."

Eine seriöse Prognose für die nächsten Wochen ist kaum möglich, denn mit Omikron haben sich die Bedingungen verändert. Bisher scheinen die Infektionen vor allem bei Menschen mit Booster-Impfung milder zu verlaufen. Gleichzeitig verbreitet sich die neue Variante rasant, 10.000 neue Fälle und mehr binnen eines Tages sind in Hessen keine Seltenheit. Erkrankt davon auch nur ein kleiner Prozentsatz schwer, beschert das den Kliniken hohe Patientenzahlen. Dabei erreicht sie die Welle immer etwas zeitversetzt: Denn von der Infektion bis zur Entwicklung schwerer Symptome vergehen mehrere Tage.

Schon jetzt mehr Covid-Patienten auf Normalstationen

Auch wenn es in der HSK in Wiesbaden noch nicht der Fall ist: Hessenweit hat sich ein leichter Anstieg schon in den letzten Tagen bemerkbar gemacht, sagt Verbandschef Gramminger. "Wir sind jetzt in der Summe zum ersten Mal seit einigen Wochen wieder bei über 1.000 Covid-Patienten in den hessischen Krankenhäusern." Dabei hat sich die Zahl der Intensivpatienten kaum verändert: Sie schwankt laut Daten des Sozialministeriums seit zwei Wochen zwischen 215 und 250.

Eine Zunahme zeichnet sich dagegen auf den Normalstationen ab. Vor rund zwei Wochen wurden dort noch knapp 590 Menschen mit einer bestätigten Corona-Infektion oder einem Verdacht behandelt - am Mittwoch waren es schon mehr als 890.

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Engpässe beim Personal befürchtet

Nicht nur steigende Patientenzahlen bereiten Steffen Gramminger Sorgen. Durch die Omikron-Welle infizieren sich auch immer mehr Pflegekräfte, Ärztinnen und Ärzte. "Und das in einer Situation, in der wir sowieso keine große Personaldecke haben und seit zwei Jahren eine Dauerbelastung besteht." Da könne es in einzelnen Bereichen relativ schnell zu großen Engpässen kommen, fürchtet er. Patientenzahlen wie in den vorherigen Wellen werde man dann gar nicht mehr bewältigen können.

Eine bundesweite Umfrage der Deutschen Krankenhausgesellschaft zeigt: In drei Viertel der befragten Kliniken ist aktuell mehr Personal erkrankt als üblicherweise zu dieser Jahreszeit. Explizite Zahlen für Hessen gebe es nicht, sagt Gramminger, aber Rückmeldungen aus der wöchentlichen Abstimmung mit den Kliniken. Vergangene Woche hätten sich zwei bis fünf Prozent mehr Mitarbeiter krankgemeldet als im Vorjahreszeitraum. Gramminger rechnet mit einer steigenden Tendenz, wenn die Inzidenzen weiter steigen: "Letzte Woche hat es sich schon bemerkbar gemacht, da war es noch nicht besorgniserregend. Aber die Entwicklung, die macht mir schon Sorgen."

Den steigenden Krankenstand beim Personal spürt auch der Ärztliche Direktor der HSK in Wiesbaden, Kiesslich: "Wir nehmen vermehrte Ausfälle unserer Mitarbeiter:innen wahr, die sich in Isolation begeben müssen. Die hohen Inzidenzen betreffen unser Personal in gleichem Maße wie die Normalbevölkerung." Die Anzahl der Mitarbeitenden, die sich als Kontaktpersonen in Quarantäne begeben müssten, sei aber gering, da die meisten geimpft und geboostert seien.

OPs verschieben, Patienten verlegen

"Wir sind auf steigende Patient:innenzahlen als auch auf vermehrte Ausfälle von Mitarbeiter:innen vorbereitet", betont Kiesslich. Ein Pandemieplan mit verschiedenen Eskalationsstufen könne sofort umgesetzt werden. Schon in den vergangenen beiden Jahren hatten die Krankenhäuser, wenn es eng wurde, zum Beispiel planbare Operationen verschoben und Patientinnen und Patienten in weniger belastete Kliniken verlegt.

In Wiesbaden will man sich noch für ein weiteres Problem wappnen: Weil sich Omikron so rasch verbreitet, entdecken sie bei immer mehr Patienten, die wegen anderer Erkrankungen zu ihnen kommen, eine Corona-Infektion als Zufallsbefund. Für sie soll eine weitere Corona-Station eröffnet werden, denn auch sie müssen isoliert, gleichzeitig aber nicht vornehmlich gegen Covid-19 behandelt werden.

"Wir fühlen uns einerseits gut vorbereitet", erklärt der Ärztliche Direktor Kiesslich, "aber andererseits hoffen wir, dass es zu nicht zu Ausnahmesituationen kommt."

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