Orientalische Fruchtfliege

Sie nerven im Haushalt und richten massiven Schaden in der Landwirtschaft an. Die EU will die Ausbreitung von Fruchtfliegen möglichst früh und umweltschonend verhindern - gesteuert von der Uni Gießen aus.

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Kampf gegen Mittelmeerfruchtfliegen

hessenschau vom 19.01.2023
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So winzig und doch so schädlich: Nur wenige Insekten sind wohl dermaßen unbeliebt wie Fruchtfliegen. Was in der heimischen Küche vor allem nervig und eklig ist, kann in der Landwirtschaft massive Schäden anrichten und verheerende Ernteverluste bedeuten. Während viele andere Insektenarten bedroht sind, sind Fruchtfliegen auf dem Vormarsch, darunter invasive Arten aus wärmeren Regionen.

Die Orientalische Fruchtfliege kann beispielsweise bis zu 300 Arten von Obst und Gemüse befallen, darunter heimische Sorten wie Kartoffeln, Auberginen, Tomaten, Äpfel und Zwetschgen. Innerhalb ihres nur wenige Wochen langen Lebens legen die Weibchen hunderte Eier, jeweils etwa 20 pro Frucht. Die Larven zerfressen das Obst von innen, es fällt vom Baum oder verfault.

Gießen ist führend in der Insektenforschung

Die ursprünglich in Südostasien beheimatete Fliegenart kann große Strecken zurücklegen. Aufgrund der Erderwärmung gilt sie inzwischen auch in Europa als potenziell gefährlicher Schädling. In der Europäischen Union gilt deshalb eine Melde- und Bekämpfungspflicht. Weil die EU die Ausbreitung schon im Frühstadium verhindern will, finanziert sie nun mit etlichen Millionen Euro ein Forschungsprojekt, das von der Justus-Liebig-Universität Gießen aus gesteuert wird.

In Gießen ist man schon lange internationaler Vorreiter in der Insektenforschung - auch bei der Bekämpfung invasiver Fruchtfliegenarten. Marc Schetelig vom Institut für Insektenbiotechnologie hat sich bereits mit der vor einigen Jahren aus Asien eingewanderten Kirschessigfliege befasst, die vor allem Stein- und Beerenobst befällt.

Mann im Labor

Nun geht es um beziehungsweise gegen die Orientalische Fruchtfliege und die Pfirsichfruchtfliege. In Gießen sollen Techniken entwickelt werden, um die Plagegeister möglichst effektiv zu bekämpfen - und zwar ohne Insektizide. Dafür folgt man in Gießen dem Konzept der "Sterilen Insektentechnik".

Männchen mit Strahlung unfruchtbar gemacht

Professor Schetelig erklärt: Im Labor werden Fruchtfliegenstämme gezüchtet. Bevor sie freigelassen werden, werden die Männchen durch radioaktive Bestrahlung sterilisiert, also unfruchtbar gemacht. Im betroffenen Gebiet unterwandern die Laborfliegen dann den wilden Stamm: Die sterilen Männchen aus dem Labor paaren sich mit ihren wilden Artgenossinnen, produzieren dabei aber keinen Nachwuchs. Die Population verringert sich mit der Zeit.

"Die Idee ist schon seit über 60 Jahren etabliert", berichtet Schetelig. Die Gießener Insektenforscher wollen diese Art der biologischen Bekämpfung nun auf invasive Spezies übertragen und außerdem effektiver machen.

Weibliche und männliche Puppen farblich sortiert

Sie haben es geschafft, Fruchtfliegen-Stämme genetisch so zu verändern, dass sich ihre Puppen farblich unterscheiden: Männliche Puppen sind braun, weibliche sind weiß. Durch die farbliche Markierung könne man die gezüchteten Puppen mit einer Reissortiermaschine voneinander trennen, erklärt Schetelig.

Diese von Natur aus nicht gegebene optische Unterscheidbarkeit sei, so der Professor, in der Schädlingsbekämpfung enorm hilfreich. Schließlich wolle man nur sterile männliche Fliegen freilassen und nicht auch Weibchen, die dann wieder Schaden anrichten würden.

Millionen Fliegen pro Woche in Insektenfarmen

Um die Technik im großen Maßstab anwenden zu können, werden die genetisch veränderten Stämme von Gießen aus noch im Puppenstadium zu riesigen Insektenfarmen geschickt, beispielsweise nach Spanien, Guatemala und Mauritius. "Dort werden aus solchen Stämmen Millionen Fliegen pro Woche hergestellt", berichtet Schetelig.

Behälter mit Fliegen

Dann würden die sterilisierten Männchen mit Kleinflugzeugen über die Plantagen geflogen und freigelassen. Bis eine Fliegenplage verschwindet, könne es allerdings Monate oder auch Jahre dauern, sagt Schetelig: "Das ist ein großer Aufwand, aber der rechnet sich für die Umwelt."

Von der EU fließen in den kommenden vier Jahren sieben Millionen Euro in das Forschungsprojekt, 1,5 Millionen davon gehen direkt an die Uni Gießen. Noch bis Freitag treffen sich in Gießen rund 50 beteiligte Forscherinnen und Forscher aus ganz Europa zu einem Kick-Off-Meeting.

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