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Auch mit Corona: Krankmeldung nicht mehr telefonisch

Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Während die Infektionszahlen steigen, fällt eine wichtige Erleichterung für Hausärzte und Patienten weg: Die telefonische Krankschreibung ist nicht mehr erlaubt. Ärzte fürchten, dass die Praxen dadurch zum Pandemie-Treiber werden. Ein Mediziner fordert hier den Boykott.

Die Sommerwelle rollt: In dieser Woche nähert sich die Zahl der täglichen Corona-Neufälle in Hessen wieder der Marke von 10.000 an. Auch der Test von Catherine aus Frankfurt fiel vor wenigen Tagen positiv aus. Sie hat starken Husten und Fieber, an Arbeiten ist nicht zu denken. Für ihren Arbeitgeber braucht sie daher schnellstmöglich eine Krankschreibung.

Als sie ihre Hausärztin anruft, erfährt sie, dass sie - trotz der Infektion und ihrer Symptome - in die Praxis kommen muss. Sie könne den gelben Zettel weder telefonisch bestellen noch den Ehemann zum Abholen schicken, heißt es. Persönliches Erscheinen erforderlich.

"Ich habe gedacht, ich kann ja nicht mit Corona Straßenbahn fahren, und Fahrradfahren habe ich mir auch nicht zugetraut." Also habe sie sich ins Auto gesetzt und sei zum Arzt gefahren. Bei fast 30 Grad musste sie dort auf dem Balkon warten, um niemanden anzustecken, wie sie berichtet.

Regelung Ende Mai ausgelaufen

Vor wenigen Wochen noch wäre Catherine die Fahrt zur Praxis erspart geblieben. Bis Ende Mai war eine Krankmeldung bei Erkältungssymptomen per Telefon möglich. Die Regelung war im ersten Pandemie-Jahr eingeführt worden, um das Ansteckungsrisiko in den Wartezimmern zu senken. Außerdem sollten die Praxen so entlastet werden. Und auch für Patientinnen und Patienten brachte das Vorteile.

Doch seit dem 1. Juni gilt diese Sonderregelungen nicht mehr. Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Hessen äußerte sich auf hr-Anfrage kritisch zu der Entscheidung, sie nicht zu verlängern. "Im Grunde müssen die Praxen nun erneut eine höchst mangelhafte Kommunikation und Strategie der Politik ausbaden", moniert der Sprecher der KV, Karl Roth.

Noch deutlicher äußert sich Harald Heiskel, der in Frankfurt eine Gemeinschaftspraxis mit mehreren Kollegen betreibt. "Diese Regelung einfach zu kippen, ist völlig unsinnig, absolut kontraproduktiv und unverantwortlich", formuliert es der Hausarzt.

"Feuern die Pandemie enorm an"

Vor allem den Zeitpunkt kritisiert er: Man sehe gerade einen massiven Anstieg der Zahlen und habe eine Variante, die so infektiös sei wie keine zuvor. Wenn er alle Infizierten tatsächlich einbestellen und in das Wartezimmer setzen müsse, sieht der Arzt darin eine große Gefahr: "Dann feuern wir die Pandemie enorm an".

Neben dem hohen Ansteckungsrisiko fürchtet er noch einen weiteren negativen Effekt - für die Praxis und die Mitarbeiter. Seit zwei Jahren habe man bei den Hausärzten eine ständige Überlastung. Zum einen durch die Infektionswellen, zum anderen durch das Nacharbeitung von Vorsorgeuntersuchungen zwischen den Wellen. Die Regelung, dass man Krankschreibung über das Telefon ausstellen durfte, sei eine Entlastung gewesen. "Wir können sehr, sehr viel über das Telefon klären, bei den Patientinnen und Patienten, die wir kennen. Das hat uns geholfen." Doch das ist nun Geschichte.

Bundesausschuss verteidigt Auslaufen

Verantwortlich dafür, dass die Regelung nun gekippt wurde, ist der Gemeinsame Bundesausschuss von Ärzten, Krankenhäusern und Krankenkassen (G-BA). Das sei im Einklang mit den Lockerungen im alltäglichen Leben erfolgt, wie dem Wegfall der Test- und Maskenpflicht, heißt es auf hr-Anfrage.

"Alle Träger des G-BA und damit auch die Kassenärztliche Vereinigung als Vertretung der Ärzteschaft und die Krankenkassen waren sich einig, dass das Pandemie-Geschehen bundesweit im Mai einen Punkt erreicht hatte, der es erlaubt, in vielen Teilen der Gesundheitsversorgung Sonderregelungen zurückzunehmen – so auch bei der telefonischen Krankschreibung", erläutert eine Sprecherin.

Videosprechstunde als Alternative

Der G-BA verweist aber auf eine Alternative, die Ärzte und Patienten nutzen können: Man habe die Möglichkeit geschaffen, dass Versicherte nach einer Videosprechstunde eine Krankschreibung erhalten können. Voraussetzung dafür ist demnach, dass bei der Erkrankung keine körperliche Untersuchung nötig ist.

Der Ausschuss kündigt außerdem an, das Geschehen im Blick zu behalten und die Regelung falls nötig zu reaktivieren. "Sollte die Corona-Pandemie in den kommenden Monaten jedoch wieder an Fahrt gewinnen, kann der Gemeinsame Bundesausschuss seine Sonderregelungen in Bezug auf seine regulären Richtlinienbestimmungen für bestimmte Regionen oder bei Bedarf auch bundesweit wieder aktivieren."

Heiskel will Regel boykottieren

Für Hausarzt Heiskel wäre das eine Erleichterung. Bis dahin appelliert er an seine Kolleginnen und Kollegin, die Regel zu boykottieren. "Ich rufe sehr dazu auf, dass wir uns nicht an diese unverantwortlichen Regeln halten, sondern vernünftig so agieren wie wir das auch gewohnt sind."

Catherine aus Frankfurt kann dem Besuch in der Praxis am Ende doch noch etwas Positives abgewinnen. Die Ärztin habe sie sehr gründlich untersucht und mit Medikamenten versorgt. "Sie hat mir sämtliche Eventualitäten erörtert, mich abgehört und gesagt: 'Achtung, bei Ihrem Husten kann sich das alles noch anders entwickeln'."

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