Eine Hand hält ein Coronatest-Röhrchen mit einer Klammer. Die andere Hand führt ein Coronatest-Stäbchen in das Röhrchen ein. Im Hintergrund der Oberkörper eines Schülers mit OP-Maske.

Hessens Schulen gehen am Montag einen weiteren Schritt in Richtung Normalität: Die Testpflicht entfällt. Lehrer- und Elternverbände zeigen sich besorgt, auch unter Schulkindern herrscht nicht nur Freude. Steigt die Gefahr, dass wieder mehr Unterricht ausfällt?

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Neue Corona-Verordnung ab Freitag

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"Es ist wieder ein normaler Schulbetrieb möglich": Mit diesen Worten verkündete Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) am Donnerstag die neuen Corona-Regeln für Hessens Schülerinnen und Schüler. Oder besser: das Ende nahezu aller Beschränkungen. Denn am Montag fallen auch die letzten Schutzmaßnahmen an Hessens Schulen, unter anderem die Testpflicht.

Die zehnjährige Lina Marie Callensee kann sich das noch gar nicht vorstellen. Mittlerweile sei es Alltag, vor dem Unterrichtsbeginn an der Adolf-Reichwein-Schule in Heusenstamm (Offenbach) erst einmal einen Test zu machen. "Das ist jetzt unsere Normalität", sagt sie.

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Das gilt nach Ende der Testpflicht an Hessens Schulen

Bislang mussten sich Schülerinnen und Schüler sowie das Lehrpersonal dreimal die Woche vor Ort testen. Nun erhalten sie zwei Tests pro Woche zur freiwilligen Testung zu Hause. Schülerinnen und Schüler müssen der Schule eine Infektion - im Gegensatz zum Lehrpersonal - außerdem nicht mehr mitteilen; Kontaktpersonen werden nicht von der Schule, sondern in Eigenverantwortung informiert.

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Ans Testen gewöhnt hat sich zwar auch der elfjährige Paul Maier. Trotzdem freut er sich auf die nächste Woche: "Dann haben wir mehr Zeit für Unterricht", nimmt er an. Teilweise hätten die Tests an seiner Schule, dem Franziskanergymnasium Kreuzburg in Großkrotzenburg (Main-Kinzig), bis zu 30 Minuten gedauert.

GEW fürchtet Anstieg der Infektionen

Doch längst nicht alle fiebern dem Wegfall der verpflichtenden Corona-Selbsttests entgegen. Anni Lotfi sieht die bevorstehenden Lockerungen kritisch. Die 17-Jährige besucht die 9. Klasse der Humboldtschule in Bad Homburg und trägt nach wie vor eine Maske im Unterricht - auch "aus Respekt zu anderen", wie sie sagt. Durch die Testpflicht habe sie sich sicherer gefühlt. Sie befürchtet, dass die Maßnahmen zu früh aufgehoben werden und es wieder zu Schulschließungen kommt.

Diese Sorge hat auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissen (GEW) Hessen. Ihr Vorsitzender Thilo Hartmann ist überzeugt: Die regelmäßigen Corona-Tests haben einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, den Präsenzunterricht in den vergangenen Monaten weitgehend aufrechtzuerhalten und sicherer zu gestalten.

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Nun befürchtet Hartmann einen erneuten Anstieg der Krankheitsfälle unter den Schülerinnen und Schülern und dem Personal, weil Infektionen ohne die verbindlichen Tests nicht oder zu spät erkannt werden. Nach dem Ende der Maskenpflicht und wegen fehlender Luftfilteranlagen gebe es nun keinen wirksamen Schutz mehr in den Klassen. "Eine unnötige Gefährdung der Abschlussprüfungen", findet der GEW-Vorsitzende.

Testpflicht deckte ein Drittel der Infektionen an Schulen auf

Tatsächlich weisen Daten der Kultusministerkonferenz und des Robert Koch-Institus (RKI) aber darauf hin, dass diese Gefahr deutlich gesunken ist. Das Infektionsaufkommen unter Lehrkräften sei durch die Verbreitung leichter übertragbarer Virusvarianten wie Delta und Omikron höher gewesen als das der gleichaltrigen Gesamtbevölkerung. In der Folge nahmen bereits ab der zweiten Jahreshälfte 2021 Quarantänemaßnahmen, Distanzunterricht oder Schulschließungen ab.

Die regelhaften Tests in den Schulen waren indes ein wirksames Mittel, um Infektionsketten zu brechen. Etwa ein Drittel der Fälle in der Altersgruppe der 5- bis 14-Jährigen wurde dadurch gefunden. Das zeigt der Vergleich zu Ferienzeiten: Die Inzidenzen brachen dann stets um jeweils etwa ein Drittel ein. Das könnte darauf hindeuten, dass Infektionen in den Ferien seltener entdeckt wurden.

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Für die erste Woche nach den Osterferien liegen laut Kultusministerium noch keine hessenweiten Zahlen vor. Am Dienstag - dem zweiten Schultag - seien 0,2 Prozent der Schülerinnen und Schüler und 0,8 Prozent der Lehrkräfte in Quarantäne gewesen und damit weniger als vor den Ferien.

LEB: "Aussagekraft sinkt ins Bodenlose"

Dass freiwillige Selbsttests für zu Hause, wie das Kultusministerium sie nun bereitstellt, nur bedingt eine Alternative zur Testpflicht darstellen, zeigt der Vergleich mit Baden-Württemberg. Dort setzte man bereits im vergangenen Jahr auf diese Methode, fand aber weniger Fälle als beispielsweise in Rheinland-Pfalz - trotz höherer Schülerzahl. Das könnte beispielsweise darauf hindeuten, dass die Testungen zu Hause nicht gründlich genug waren; auch die Qualität der Selbsttests könnte eine Rolle spielen.

Zweifel an deren Richtigkeit hat auch der Vorsitzende des Landeselternbeirats, Volkmar Heitmann. Schon die in der Schule verwendeten Antigen-Tests seien ungenau gewesen und hätten häufig falsch-negative Ergebnisse ausgewiesen. Mit den freiwilligen Tests zu Hause sinke die Aussagekraft "ins Bodenlose".

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Sinnvoller seien regelmäßige PCR-Pooltests nach der Lolli-Methode und die Untersuchung von Abwasser auf Virenreste, so Heitmann. Das könnte zu einer verlässlicheren Datengrundlage beitragen und die Schulen sicherer machen - besonders für Haushalte mit gefährdeten Familienmitgliedern.

Inzidenz bei 5- bis 14-Jährigen sinkt

Die Entwicklung der Inzidenz in der Gruppe der 5- bis 14-Jährigen zeigt: Die Schulen sind bereits sicherer geworden als noch vor einigen Wochen. Die Gefahr von Ausbrüchen in den Klassen ist zurückgegangen. Der Grund dafür dürfte der hohe Grad an Durchseuchung sein. Viele Kinder in dieser Altersgruppe haben bereits eine Infektion mit der Omikron-Variante hinter sich und sind nun nicht mehr so leicht infizierbar.

Fünftklässlerin Lina Marie Callensee ist zwar misstrauisch, ob es dabei bleibt. Schließlich habe man in zwei Jahren Pandemie gesehen, dass sich die Situation im Herbst immer wieder anspanne. Trotzdem gibt sie sich pragmatisch: "Es kriegt irgendwann doch eh jeder. Und wenn wir alle einmal durch sind, hat Corona nicht wirklich eine Chance zu mutieren."

Paul Maier schlägt saisonale Regeln an den Schulen vor: Lockerungen im Sommer, Verschärfungen im Winter. Aber jetzt sei ein guter Zeitpunkt, um ein bisschen Normalität auszuprobieren - die "alte" Normalität.

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