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Ditib darf wieder bekenntnisorientierten Religionsunterricht anbieten

Eine Schülerin mit Kopftuch meldet sich im Unterricht. An der Tafel prangt das Wort "Islam"

Der Moscheeverband Ditib darf nach den Ferien in Hessen wieder bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht anbieten. Die Zweifel an Ditibs Unabhängigkeit bestehen allerdings weiterhin. Unterdessen kritisieren Ditib und Zentralrat der Muslime den staatlichen islamkundlichen Unterricht.

An hessischen Schulen wird es im kommenden Schuljahr wieder bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht in Kooperation mit dem türkischen Moscheeverband Ditib geben. Das kündigte das Kultusministerium am Mittwoch an.

Damit reagiert das Land auf ein Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) in Kassel vom 31. Mai, der die Aussetzung der Kooperation für nicht rechtens erklärt und damit eine erstinstanzliche Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Wiesbaden bestätigt hatte.

Respekt, aber...

Man respektiere die jüngsten Entscheidungen der Gerichte, erklärte Kultusminister Alexander Lorz (CDU). Die Landesregierung treffe daher Vorbereitungen, den Unterricht im Schuljahr 2022/2023 wieder aufzunehmen.

Gleichwohl bestünden weiterhin Zweifel an Ditib als geeignetem Kooperationspartner. Man werde deshalb den Unterricht "eng mit Unterrichtsbesuchen begleiten", so Lorz. Außerdem will das Land weiterhin den allein unter staatlicher Veranwortung stehenden, nicht bekenntnisorientierten sogenannten islamkundlichen Unterricht anbieten.

Ditib verärgert über Vorbehalte

Ditib reagierte mit Unverständnis auf die Vorbehalte. Die Zweifel seien angesichts einer siebenjährigen beanstandungs- und störungsfreien Praxis des Religionsunterrichts nicht nachvollziehbar. Die angekündigten Unterrichtsbesuche und eine erneute Begutachtung würden die "religionsgemeinschaftliche Lebenswirklichkeit der Ditib-Hessen im Sinne ihres grundgesetzlichen Einklangs widerspiegeln", so der Verband.

Die religionspädagogischen und didaktischen Bedürfnisse muslimischer Schülerinnen und Schüler könnten nur durch einen bekenntnisorientierten Religionsunterricht gänzlich gestillt werden, teilte Ditib mit. Den staatlichen Islamunterricht nannte der Verband "verfassungsrechtlich bedenklich". Man behalte sich daher eine "rechtsstaatliche Überprüfung dieses Unterrichtsangebots" vor.

Zentralrat fordert Boykott von islamkundlichem Unterricht

Der Zentralrat der Muslime in Hessen forderte unterdessen alle muslimischen Eltern auf, den staatlich organisierten islamkundlichen Unterricht zu boykottieren. Dieser sei gesetzes- und verfassungswidrig, erklärte am Freitag der Landesvorsitzende Said Barkan. Stattdessen sollten die Eltern ihre Kinder in den Religionsunterricht von Ditib oder in das Fach Ethik schicken.

Barkan warf der Landesregierung vor, den islamischen Religionsunterricht letztlich an hessischen Schulen nicht zu wünschen und die verfassungsrechtliche Gleichstellung des Islams mit anderen Religionen abzulehnen. Dies zeige sich daran, dass das Kultusministerium an seinem islamkundlichen Unterricht festhalte.

Gutachten zweifelte Unabhängigkeit an

Der bekenntinsorientierte islamische Religionsunterricht in Zusammenarbeit mit Ditib war in Hessen 2013 an Grundschulen gestartet und vier Jahre später auf erste weiterführende Schulen ausgeweitet worden. Mit der Zeit kamen allerdings Zweifel an der Unabhängigkeit Ditibs vom türkischen Staat auf.

Das Land gab deshalb 2019 ein Gutachten in Auftrag, das zu dem Schluss kam, dass diese Unabhängigkeit nicht hinreichend gegeben ist. Ausschlaggebend war demnach die Weisungskette vom türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan über die ihm unterstehende Religionsbehörde Diyanet, den Ditib-Bundesverband und dessen hessischen Landesverband.

Ditib vor Gericht erfolgreich

Das Kultusministerium kündigte deshalb im April 2020 an, den Unterricht bis auf Weiteres auszusetzen. Ditib klagte und bekam zunächst vom Wiesbadener Verwaltungsgericht Recht. Einen Antrag des Landes auf Zulassung der Berufung wies der Verwaltungsgerichtshof vor wenigen Wochen zurück, das Urteil ist damit rechtskräftig.

Der Anspruch Ditibs ergebe sich aus dem Einrichtungsbescheid vom Dezember 2012 über die Kooperation mit Ditib. So lange dieser nicht zurückgenommen, widerrufen oder abgelaufen sei, könne das Land auch nicht einfach die Kooperation aussetzen, so das Gericht. Dazu müsse der Einrichtungsbescheid nach den gesetzlichen Regelungen aufgehoben werden.

Entscheidung über Widerruf erst nach neuem Gutachten

Das Kultusministerium will dem Moscheeverband aber noch eine Chance geben. Die letzte Begutachtung liege lange zurück, man wolle deshalb erneut eine externe Expertise einholen, so Lorz. "Auf dieser Basis ist dann zu entscheiden, ob der Einrichtungsbescheid aus dem Jahr 2012, der die Grundlage für die Zusammenarbeit mit Ditib Hessen bildet, durch das Land widerrufen wird."

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