Eine Person hält sich den Bauch.

Die schmerzhafte und weit verbreitete Frauenkrankheit Endometriose fand lange in der Medizin kaum Beachtung. Statt einer Bauch-OP soll jetzt ein einfacher Speicheltest die Diagnose massiv erleichtern. Doch am Test und seinen Kosten gibt es auch Kritik.

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Speicheltest für Endometriose

hs 20.02.2023
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Schmerzen während der Menstruation – ist das nicht ganz normal? Die 28-jährige Lena leidet jeden Monat während ihre Periodenblutung unter tagelangen Krämpfen. Hinzu kommen Darmschmerzen, Verdauungsproblemen und Nervenschmerzen in den Beinen, teilweise so schlimm, dass sie kaum Autofahren kann.

Lena geht zu mehreren Ärzten. Mit ihren Schmerzen fühlt sie sich häufig nicht ernstgenommen. Und immer wieder heißt es: Tastuntersuchungen und Ultraschall – alles unauffällig. Erst nach sieben Jahren stellt eine Gynäkologin dann im Ultraschall fest: An Lenas Gebärmutter sitzt ein großer Endometrioseherd.

Neuer Speicheltest verspricht risikofreie Diagnose

Endometriose ist eine der häufigsten gynäkologischen Erkrankungen überhaupt. Schätzungen gehen davon aus, dass rund zehn Prozent aller Frauen im gebärfähigen Alter betroffen sein könnten. Die schmerzhafte Erkrankung gilt als "Chamäleon der Gynäkologie": schwer zu diagnostizieren und zu behandeln. Klarheit bringt nur eine operative Bauchspiegelung – bisher. Denn: Ein neuartiger Endometriosetest verspricht nun eine risikofreie, nicht-invasive und sichere Diagnose, nur mit einer Speichelprobe.

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Volkskrankheit Endometriose

Bei Endometriose siedelt sich Gewebe, das der Gebärmutterschleimhaut ähnelt, außerhalb der Gebärmutter im Bauchraum an, zum Beispiel an den Eierstöcken, am Darm oder der Blase. Das Gewebe kann sich entzünden und zu Verwachsungen führen. Die Krankheit gilt zudem als eine häufige Ursache für unerfüllten Kinderwunsch. Trotzdem vergehen im Durchschnitt zwischen sieben und zehn Jahre bis zu einer Diagnose. Zu den Symptomen gehören:

  • starke, lang andauernde Periodenkrämpfe
  • Unterbauchschmerzen
  • Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, Wasserlassen und/oder Stuhlgang
  • Unfruchtbarkeit
  • Erschöpfungszustände
  • Infektanfälligkeit
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Das Gießener Unternehmen Eluthia vertreibt den bisher einzigartigen Speicheltest, der seit Mitte Januar in Deutschland erhältlich ist. Entwickelt wurde der "Endotest" von der französischen Firma Ziwig. Eluthia-Sprecherin Sehnaz Limon erklärt: Der Test basiere auf der Analyse von microRNAs im Speichel, also sehr kurzen RNA-Strängen, die wichtige Funktionen bei der Regulation von zellulären Prozessen haben.

MicroRNA wird mit künstlicher Intelligenz analysiert

"Man konnte einen direkten Zusammenhang feststellen zwischen der Deregulierung dieser micoRNA und der Entwicklung von Endometrioseherden", so Limon. Mithilfe von künstlicher Intelligenz werde im Labor dann die Konzentration von 109 verschiedenen microRNAs in der Probe bestimmt und das Konzentrationsverhältnis ermittelt. "Daran lässt sich dann erkennen, ob eine Endometriose vorliegt oder nicht."

Durchführbar ist der Test laut Eluthia in jeder Frauenarztpraxis, zugelassen ist er ab 18 Jahren. Das Gießener Unternehmen erhält die Probe und schickt sie zum Hersteller nach Frankreich weiter, wo sie dann analysiert wird. Rund 25 Tage später soll die Diagnose vorliegen.

800 Euro für Test - bisher keine Kassenleistung

Laut Eluthia ist der Test zu mindestens 95 Prozent genau. Die Wirksamkeit sei in einer wissenschaftlichen Studie gemeinsam mit sechs französischen Endometriosezentren bestätigt worden, so das Unternehmen.

Speicheltest in einem Pappkarton

Noch wird der Test allerdings nicht von den deutschen Krankenkassen übernommen. Selbstzahler müssen dafür rund 800 Euro bezahlen. Eluthia erklärt die hohen Kosten mit der aufwendigen Sequenzierung der Proben im Labor. Hinzu kämen die Kosten für die Entwicklung des Tests. Unternehmenssprecherin Sehnaz Limon sagt: "Wir setzen uns dafür ein, dass der Test bald von den Kassen erstattet wird."

Gießener Endemetriosezentrum: Brauche mehr Daten

Am Endometriosezentrum des Gießener Universitätsklinikums hält man den Ansatz zwar für vielversprechend, bisher wird der Test hier aber noch nicht angewendet. Professor Ivo Meinhold-Heerlein, der das Zentrum leitet, erklärt: Einerseits liege das daran, dass der Test erst sehr kurz auf dem Markt sei und auch noch nicht von den medizinischen Fachgesellschaften in Deutschland empfohlen werde.

Andererseits sei die wissenschaftliche Datenlage aus der bisher durchgeführten Studie mit 200 Teilnehmerinnen aus seiner Sicht nicht ausreichend. "In der bisherigen Studie wurden die Patientinnen nicht nach Alter differenziert und auch nicht die verschiedenen Formen von Endometriose unterschieden", so der Gynäkologe. Beides sei aber für die Behandlung der Beschwerden und auch eines möglichen Kinderwunsches wichtig.

Mann im Arztkittel neben Ultraschallgerät

"Sobald hier mehr wissenschaftliche Daten über die Wirksamkeit vorliegen und auch eine Übernahme der Finanzierung durch die Krankenkasse gegeben ist, kann ich mir vorstellen, den Test einzusetzen", meint Meinhold-Heerlein. Sollte es tatsächlich gelingen, Endometriose mittels eines nicht-invasiven Tests sicher oder annähernd sicher nachzuweisen, wäre das insbesondere im Anfangsstadium der Krankheit ein großer Vorteil, meint der Arzt.

Allerdings könne der Test nicht eine möglicherweise notwendige Operation zur Entfernung von Endometrioseherden und möglichen Verwachsungen ersetzen, die in späteren Krankheitsstadien entstehen können.

Betroffenene: Test wäre "absoluter Gamechanger"

Für Betroffene wie Lena wäre der Speicheltest ein "absoluter Gamechanger", sagt sie. "Eine stressfreie Diagnose würde den Betroffenen viel Leid und Warten ersparen." Leisten könne sie sich ihn als Selbstzahlerin allerdings nicht. "Und ich brauche auch Ärztinnen und Ärzte, die meine Symptome ernst nehmen, sonst bringt auch der beste Test nichts."

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