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Wie Jugendliche an der Frankfurter Schillerschule auf den Wegfall der Corona-Tests reagieren

Testergebnis vor Schülerbank mit Maske

An Hessens Schulen lief in der Pandemie vieles nicht so wie von Eltern und Kindern gewünscht. Die eine Sache, die nachweislich gut funktioniert hat - die Schnelltests - schafft die Politik jetzt praktisch ab. Warum?

"Wir werden mit Corona leben müssen" - mit diesem programmatischen Satz verkündete Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) am Donnerstag weitere Corona-Lockerungen. Unter anderem an den Schulen: Die Maskenpflicht ist schon seit Anfang März aufgehoben, nun verzichten die Schulen auch auf die dreimal wöchentlichen verpflichtenden Schnelltests. Stattdessen sollen die Schülerinnen und Schüler nur noch zweimal freiwillig testen, vorzugsweise zuhause. Die Testkits stellt weiter die Schule.

Eigenverantwortung statt Zwang, das klingt erstrebenswert. Aber leider belegen die Zahlen: Bei Corona-Schnelltests ist Vertrauen gut, Kontrolle viel besser. Das Testen sollte von Lehrern beaufsichtigt werden, sonst brechen die Erkennungsraten drastisch ein.

Hessens Schultests: ein Erfolgsmodell

Das kann man nach einem kurzen Blick in die Nachbarländer nachrechnen. Baden-Württemberg zum Beispiel erlaubte schon im vergangenen Herbst, dass Eltern ihren Kindern ein negatives Testergebnis bescheinigen konnten, anstatt auf die gemeinsamen Tests unter Aufsicht zu setzen.

Die Schultests fanden etwa 10 Prozent aller gemeldeten Infektionen unter den Schülern in Baden Württemberg. Das zeigen Zahlen, die das SWR-Datenteam einsehen konnte. In Hessen machen dagegen die an Schulen gefundenen Fälle rund 30 Prozent der Inzidenz in der Altersgruppe von 5 bis 14 Jahren aus.

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Rechnet man es auf die Anzahl der Fälle um, die zusätzlich durch die Schultests gefunden wurden, zeigt sich: Das Testregime in Hessen war also fast viermal so effektiv wie das im südlichen Nachbarland - was nach Ansicht der vom SWR befragten Experten auch daran liegt, dass Baden-Württemberg anders als Hessen auf zahlreiche Zulieferer und Tests schwankender Güte setzte, was die Effektivität der Tests gesenkt hat.

Was Schultests uns allen bringen

Zeit für eine nur scheinbar naive Frage: Ist es überhaupt nötig, an den Schulen zu testen? Schließlich werden Corona-infizierte Kinder und Jugendliche nur äußerst selten schwer krank. Auch Nebenwirkungen einer Corona-Infektion wie das Risiko einer späteren Pims-Folgeerkrankung scheinen beherrschbar - die Erkrankung tritt nur in etwa einem von 3.000 Fällen auf und gilt als gut behandelbar. Wozu also der Aufwand?

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Tatsächlich spielten die Schultests eine wichtige Rolle im Kampf gegen das Virus. Hatte man in früheren Pandemie-Phasen Sorge, dass geöffnete Schulen dem Erreger eine schnellere Ausbreitung ermöglichen könnten, änderte die Verfügbarkeit von Schnelltests ab dem Frühjahr 2021 die Lage. Durch die anlasslose Testung an den Schulen konnte man nämlich so viele Infektionen aufdecken und Infektionsketten unterbrechen. Infektionen, die sonst unentdeckt geblieben wären, wurden nicht in die Familien und zu anderen Kindern getragen.

Die Folge: Geöffnete Schulen, an denen getestet wurde, sorgten unter dem Strich für einen Rückgang bei den Neuinfektionen. Das errechneten Statistiker der TU München. Modellierer am Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik (ITWM) hielten auf Basis ihrer Berechnungen Tests sogar für eines der effektivsten Mittel überhaupt, um Viren auszubremsen (PDF).

Ein starkes Argument, um die Schulen offen halten zu können. Aber die Tests waren nicht nur gut dafür, die Infektionsdynamik im ganzen Land niedriger zu halten, sondern dienten auch dem Schutz der Schulen selbst: Es sollte verhindert werden, dass infizierte Schüler in der Klasse andere anstecken und ganze Klassen und Schulen lahm gelegt werden.

Die Schüler sind ohnehin durch(seucht)

Genau dieses Szenario allerdings droht nicht mehr. Dafür ist ausgerechnet die unaufhaltbare Omikron-Welle verantwortlich. Die Inzidenzen waren in den vergangenen Wochen in den Altersgruppen der Schülerinnen und Schüler nämlich besonders hoch und laufen deshalb jetzt aus.

Inzwischen hat ein Großteil der Schülerinnen und Schüler Corona schon gehabt: Bei 36,1 Prozent der 5- bis 14-Jährigen in Hessen wurde in diesem Jahr eine Corona-Infektion festgestellt. Die Wissenschaftler des ITWM schätzen, dass tatsächlich weniger als die Hälfte aller ansteckenden Infektionen erkannt werden. Das würde bedeuten, dass mehr als 70 Prozent der Schülerinnen und Schüler in diesem Jahr schon eine Corona-Infektion hatten.

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Das schränkt aber die Möglichkeiten des Virus ein, sich an den Schulen auszubreiten, weil eine eben überstandene Infektion in den allermeisten Fällen vor einer Neuansteckung schützt.

Und so hält auch der Statistiker Helmut Küchenhoff, der mit seinem Team die bremsende Wirkung der Schultests berechnet hatte, anlasslose Tests inzwischen für verzichtbar. "Die Anzahl der positiven Tests ist nicht die richtige Größe. Man sollte eher auf die Krankenhäuser schauen", sagte Küchenhoff im Interview in hr-iNFO.

Das Virus ist ohnehin nicht mehr zu halten

Diese Position passt in eine Phase, in der die Politik offenkundig ohnehin den Versuch aufgegeben hat, das Virus noch zu halten. Seit diesem Wochenende werden samstags und sonntags nicht einmal mehr neue Fälle aus Hessen gemeldet.

Rings herum sind fast alle Maßnahmen zur Eindämmung des Virus gefallen, auch wenn Omikron in den höheren Altersgruppen durchaus noch Opfer finden kann. Die Inzidenzen sind weiter auf hohem Niveau. Der Virologe Martin Stürmer glaubt, dass sie erst im Mai deutlich fallen werden.

Da hätte es wenig Sinn, dass die Schulen sich dem allein entgegen stemmen. Auch das Interesse, ein klares Bild des Infektionsgeschehens an den Schulen zu haben, scheint nicht mehr hoch zu sein. Dass durch den Wegfall der Tests die gemeldeten Inzidenzen in der Altersgruppe der 5- bis 14-Jährigen um etwa 20 Prozent einbrechen dürften - vielleicht kommt es der Schulpolitik ganz gelegen. Auch wenn Lehrer- und Elternvertreter und Schülerinnen und Schüler Bedenken anmelden.

In den hessischen Schulen lautet die Devise ab diesem Montag also: Augen zu und durch.

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Daten und Zahlen

Damit Sie die Berechnungen für diesen Artikel nachvollziehen können, haben wir sie als sogenanntes Notebook mit Berechnungen und Ergebnissen auf der Plattform Github bereitgestellt.

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