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Kristina Hänel zur Abschaffung von Paragraf 219a

Portrait Kristina Hänel.

Kristina Hänel hat jahrelang für die Abschaffung des Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche gekämpft. Nun hat der Bundestag sie beschlossen. Direkt danach gab es Applaus für die Gießener Ärztin auf der Besuchertribüne.

Am Freitagvormittag um 10.33 Uhr ging ein jahrelanger Kampf zu Ende: Paragraf 219a ist weg. Nach einer teilweise sehr emotionalen Debatte im Bundestag stimmten die Abgeordneten der SPD, der Grünen, der FDP sowie der Linken dafür, die Union und die AfD dagegen. Zuvor hatte sich die Ampel-Koalition im Bund darauf bereits geeinigt.

Direkt nach der Abstimmung standen zahlreiche Abgeordnete auf und drehten sich applaudierend nach hinten um. Denn: Auf der Besuchertribüne saß die Gießener Ärztin Kristina Hänel, leicht nickend in Richtung der Abgeordneten. Neben ihr saßen weitere Ärztinnen und Ärzte. Hänel hatte sich seit Jahren für die Abschaffung des Werbeverbots für Abtreibungen eingesetzt und war zum Gesicht einer Protestbewegung geworden.

Nun empfinde sie zwar keine Genugtuung, aber dafür eine gewisse Freude und Erleichterung, wie sie vor der Abstimmung im Interview mit hr-iNFO berichtete. "Es ist noch viel zu tun, aber ich denke, dass sich die Situation der Betroffenen dadurch verbessern wird." Hänel war extra nach Berlin gereist, um bei der Abstimmung dabeizusein.

Ärzte sollen nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden

Der Paragraf 219a im Strafgesetzbuch hatte das Anbieten, Ankündigen oder Anpreisen von Schwangerschaftsabbrüchen aus finanziellem Vorteil heraus oder in grob anstößiger Weise untersagt.

Die Abschaffung soll nun einerseits sicherstellen, dass Ärztinnen und Ärzte, die Schwangerschaftsabbrüche im gesetzlichen Rahmen vornehmen, künftig nicht länger mit strafrechtlicher Verfolgung rechnen müssen, wenn sie sachliche Informationen über Ablauf und Methoden eines Schwangerschaftsabbruchs bereitstellen. Zum anderen sollen betroffene Frauen leichter Zugang zu sachgerechten fachlichen Informationen erhalten.

Oppositionspolitiker sehen dagegen in der Streichung einen Eingriff in das Schutzkonzept für das ungeborene Leben. Es sei unzutreffend, dass es zu wenig Informationen bei ungewollten Schwangerschaften gebe, hieß es von der CDU. Vielmehr wolle die Ampelkoalition mit dem Wegfall "ein Erfolgserlebnis produzieren".

Gesicht der Protestbewegung

Kristina Hänel hatte seit Jahren dafür gekämpft, auf ihrer Homepage entsprechende Informationen bereitstellen zu dürfen. Nachdem Abtreibungsgegner sie deshalb angezeigt hatten, war sie 2017 vor dem Amtsgericht Gießen und in den folgenden Jahren in mehreren weiteren Instanzen zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Schließlich hatte sie Verfassungsbeschwerde eingelegt. Vor ihrer Praxis und in direkten Zuschriften war Hänel zudem immer wieder bedroht und beschimpft worden.

Abtreibungsgegner vor dem Amtsgericht Gießen, das im November 2017 den Fall der Ärztin Kristina Hänel verhandelte

Im Interview mit hr-iNFO sagte Hänel nun: Sie sei mit diesem Thema gar nicht freiwillig in die Öffentlichkeit gegangen. Am Anfang habe sie noch nicht mal mit Bild und Namen erscheinen wollen. "Dann habe ich gemerkt: Es muss sich jemand hinstellen und die Situation erklären - weil das die Betroffenen nicht können und auch nicht wollen." Angetrieben habe sie in erster Linie die Wut über die Lage der betroffenen Frauen.

"Versorgungslage weiterhin schwierig"

Sie hoffe, dass durch die Streichung des Paragrafen nun etwas mehr Sachlichkeit hineinkomme und ungewollt schwangere Frauen besser an seriöse Informationen von Fachleuten gelangen können. Derzeit würden zu diesem Thema im Netz vor allem "Fakenews, Holocaustvergleiche und widerliche Bilder" verbreitet werden, so Hänel.

Die Versorgungslage in Deutschland bleibe allerdings weiterhin schwierig, sagte sie. "Zu einer guten Versorgung gehört eine kinderfreundliche Gesellschaft, dazu gehören kostenlose Verhütungsmittel und eine qualifizierte, gewollte Beratung, aber auch ein ausreichendes Angebot von sicheren Schwangerschaftsabbrüchen."

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