Die letzten verbliebenen Waldbesetzer im Herrenwald bei Stadtallendorf mussten sich am Freitag geschlagen geben. Nun wird ein Baum nach dem anderen gefällt.
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Sie wurden weggetragen oder aus schwindelerregender Höhe heruntergeholt: Die 19 Umweltaktivisten, die den Herrenwald bei Stadtallendorf (Marburg-Biedenkopf) am Freitagmorgen noch besetzt hielten, kamen am zweiten Tag der Waldräumung nicht gegen die Staatsgewalt an.
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Ende der weiteren InformationenAm Freitagmittag meldete die Polizei, die mit hunderten Einsatzkräften vor Ort war: Die "Sicherheitszone" im Herrenwald sei komplett geräumt. Damit erreichten die Beamten ihr Ziel, alle Aktivisten aus dem rund sechs Hektar großen Waldgebiet wegzubringen. Sie machten damit den Weg frei für die Rodung der Bäume sowie den geplanten Ausbau der A49.
Polizeieinsatz mit Hebebühne
Die Baumhäuser, die Demonstranten gebaut hatten, wurden geräumt und beseitigt. Am Vormittag befanden sich noch zehn Waldbesetzer in den Bäumen. Wenige Stunden später holten Polizisten die letzte Baumbesetzerin aus einer Höhe von 15 Metern zurück auf den Boden. Sie benutzten dazu eine Hebebühne und sägten sich den Weg durchs Geäst frei.
Weit mehr Baumbesetzer gibt es im Dannenröder Forst, der sich einige Kilometer weiter weg bei Kirtorf (Vogelsberg) befindet. Dort haben die Rodungen und Räumungen noch nicht begonnen.
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Loca-tag 'teaser_more_audio_sr' not found Polizei riegelt Herrenwald ab - Rodungen fortgesetzt

Die Beamten hatten es nach eigenen Angaben am Morgen zunächst mit Reden versucht. Es gab Gespräche mit Aktivisten, den Bereich zu verlassen, in dem gerodet werden soll, wie ein Polizeisprecher berichtete. 16 Menschen, die sich geweigert hätten, habe man zur Identitätsfeststellung dann vorläufig festgenommen.
Am Abend meldete die Polizei, dass es insgesamt 20 Festnahmen gegeben habe im Tagesverlauf.
Polizei setzt Schlagstöcke ein
Am Nachmittag gab es eine Demonstration mit rund 80 Teilnehmern von Stadtallendorf bis zu dem Waldstück. Sie verlief nach Polizeiangaben friedlich. Jedoch hätten mehrere Aktivisten anschließend versucht, wieder in den Herrenwald einzudringen.
Die Polizei unterband das mit Hilfe von "unmittelbarem Zwang", das heißt, sie wurde auch handgreiflich und setzte Schlagstöcke ein. Im Wald herrsche wegen der Rodungen Lebensgefahr, betonte eine Polizeisprecherin. Später riegelte die Polizei den Herrenwald mit mehreren Ketten aus Beamten buchstäblich ab.
Eine spontane Blockade eines sogenannten Harvesters, mit dem Bäume gefällt werden, hätten die Einsatzkräfte ebenfalls nach kurzer Zeit aufgelöst. Daran waren nach Auskunft der Polizei 21 Menschen beteiligt - sie erhielten einen Platzverweis. Insgesamt verwiesen die Beamten am Freitag 29 Aktivisten des Platzes.
Autobahn-Baugesellschaft: Arbeiten im Plan
Ein Sprecher der Autobahn-Projektgesellschaft Deges gab am Nachmittag zur Auskunft, dass man mit den Rodungen rascher vorangekommen sei als geplant. Im Herrenwald sollen Bäume auf einer Fläche von 49 Hektar fallen. Im Dannenröder Forst sollen weitere 27 Hektar Wald der Autobahn weichen.
In den ersten beiden Tagen habe man Bäume auf einer Fläche von vier bis fünf Hektar im Herrenwald umschneiden lassen, teilte die Projektgesellschaft mit: "Wir sind damit im Plan und werden die Fällarbeiten am kommenden Montag an mehreren Stellen entlang der Trasse fortsetzen." Dazu stehe man auch in engem Kontakt zur Polizei. Am Wochenende will Deges wegen der angekündigten Demonstrationen keine Bälle fällen lassen. "Wir wollen keine Konfrontation, deshalb ruhen die Arbeiten am Wochenende", sagte der Sprecher.
Aktivisten erfreut über "riesige Solidaritätswelle"
Die Umwelt- und Klimaschützer protestieren gegen den Weiterbau der A49 in Mittelhessen, für den im Herrenwald und im Dannenröder Forst auf mehreren Hektar Bäume gefällt werden sollen. Trotz massiver Proteste begannen die ersten Rodungsarbeiten am Donnerstag. Es wurden bereits zwei bis drei Hektar Wald gerodet.
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Eine Sprecherin des Bündnisses Autokorrektur, das gegen die A49 protestiert, sagte, es sei sehr traurig zu sehen, dass nun tatsächlich Bäume fallen. Doch es gebe mittlerweile auch bundesweit "eine riesige Solidaritätswelle" mit Aktionen und Demonstrationen. Am Vortag hätten Aktivisten in den Bäumen sehr lange Widerstand geleistet und damit die Rodungsarbeiten hinausgezögert. Dieser Widerstand gehe weiter, sagte sie.
Auch Demos in Frankfurt und Berlin

Der Protest gegen den Autobahnbau wurde am Freitag nach Berlin getragen. Mit Transparenten demonstrierten Umweltaktivisten an der Hessischen Landesvertretung in der Hauptstadt gegen die Rodungen. Teilnehmer von Fridays for Future solidarisierten sich mit ihnen und zogen mit Transparenten durch die Frankfurter Innenstadt. Auf einem stand: "Die Dinos dachten auch, sie hätten Zeit."
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau kompakt, 02.10.2020, 16.45 Uhr