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Herausforderungen für Kitas und Eltern

Mutter mit Kindern stehen vor und klingeln an einer Kita-Tür.

Der zweite Corona-Winter bringt Erzieherinnen, Kinder und Eltern gleichermaßen an die Belastungsgrenze. Letztere fordern vom Land eine einheitliche Test-Linie.

"Es ist eine sehr große Belastung für Leitungen und Träger", beschreibt Yvonne Fritz die Kinderbetreuung im zweiten Corona-Jahr. Fritz ist Leiterin des Sozialdienstes katholische Frauen e.V. in Gießen, dem Träger dreier Kindertagesstätten in der Stadt. Das Virus sei in den Einrichtungen allgegenwärtig, sagt sie. Das schmälere die Zeit für pädagogische Arbeit.

Das Konzept der drei katholischen Einrichtungen sieht grundsätzlich geschlossene Gruppen vor. An den Randzeiten des Tages, an denen weniger Kinder zu betreuen sind, wurden die Gruppen jedoch zusammengelegt. So konnten die Kinder mit weniger Personal betreut werden.

Das ist seit den Beschlüssen der Landesregierung, wonach seit dem 25. November nur noch "konstante Gruppen" in den Einrichtungen gestattet sind, nicht mehr möglich: "Wir mussten an den Randzeiten reduzieren, damit sich die Kinder nicht durchmischen."

Eine halbe Stunde weniger werden die Kinder in Fritz' Kitas nun betreut. "Den meisten Kindern macht das nichts", berichtet sie. Für Eltern, die weiter weg wohnen oder deren Arbeitsplatz nicht in der Nähe der Kita liegt, sei das aber ein Problem.

Flexibilität von Eltern gefordert

Eltern in ganz Hessen beschreiben die Betreuungssituation seit Ausbruch der Pandemie als belastend. Vor allem dann, wenn familiäre Unterstützung – beispielsweise von Großeltern in Rente – nicht möglich sei. Von vielen solcher Rückmeldungen berichtet die Landesarbeitsgemeinschaft Kita-Eltern Hessen (LAG) auf Anfrage des Hessischen Rundfunks.

"Bei eingeschränkter Betreuungszeit ist gleich der ganze Arbeitsalltag umzuplanen", teilt die LAG mit. Flexible Arbeitszeiten seien nicht in jedem Job möglich, und Urlaubstage seien bekanntlich endlich. "Für all diese Maßnahmen haben die Eltern keine Geduld und die Arbeitgeber kein Verständnis mehr."

Belastend für die Kinder

Bereits zu Beginn der Pandemie mussten offene und teiloffene Kindertagesstätten in geschlossene Gruppen gehen. Erst diesen Sommer konnten viele Einrichtungen die Gruppen wieder öffnen. Nun geht es zurück in ein geschlossenes System. Ein Hin und Her, dass vor allem zulasten der Kinder geht.

"Für sie geht eine gute Grundstruktur verloren", sagt Antje Gaubatz, stellvertretende Leiterin der evangelischen Kindertagesstätte Käthe in Wiesbaden. "Kinder brauchen diese Struktur, um sich zu orientieren."

In ihrer Einrichtung sei man deswegen bewusst in geschlossenen Gruppen geblieben, auch als eine Öffnung zwischenzeitlich wieder möglich wurde. Zudem sei die Sorge um die Zahlen im Winter sei zu hoch gewesen.

Am Anfang habe man die Gruppen sogar im Außengelände getrennt, berichtet Gaubatz. Sie hofft, dass zumindest diese Maßnahme zum Wohl der Kinder künftig nicht mehr zum Einsatz kommen muss: "Manche Freundschaften sind gruppenübergreifend. Da blutet das Erzieher-Herz auf jeden Fall."

"Keine Tür-und-Angel-Gespräche mehr"

Auch den Eltern seien ständige Veränderungen nur schwer zu vermitteln. "Die Elternarbeit hat stark unter der Pandemie gelitten", bedauert Gaubatz. Früher seien die Eltern in die Einrichtung gekommen, und man habe zwischen Tür und Angel sprechen können. Heute müssten sie draußen warten. Das schmälere den Austausch massiv.

Die Kindertagesstätte Käthe nutzt nun eine Info-App, um den Eltern möglichst viele Informationen zukommen zu lassen. Ein ähnliches Konzept verfolgen auch die katholischen Kindertagestätten in Gießen. Sie haben begonnen, mit der für Kindertagesstätten entwickelte KiKom-App zu kommunizieren.

"Das war wahnsinnig viel Arbeit für die Kita-Leitung", berichtet Kita-Leiterin Fritz. Die Informationen für die App zu sammeln und einzupflegen, habe eine Menge Zeit in Anspruch genommen. "Aber jetzt können wir schnell kommunizieren, und die Eltern können auch eintragen, wann sie den Kita-Platz benötigen."

Zu wenig Personal

Ein weiteres Problem: Infektionen machen - unabhängig von Corona - auch vor dem Personal nicht halt. Gerade, wenn dieses mit Kindern zusammenarbeitet. "Wenn Erzieher krank sind, müssen Betreuungszeiten gekürzt werden", sagt Gaubatz. Das stoße bei einigen Eltern auf wenig Verständnis, vor allem dann, wenn diese spontan ihren Alltag umdisponieren müssten: "Eltern müssen flexibel bleiben. Das ist auf Dauer eine große Belastung. Das kann ich verstehen."

Thomas Krohn, Vorsitzender des Gesamtelternbeirats in Frankurt, benennt ein Problem, das sich in der Kinderbetreuung schon vor Corona bemerkbar gemacht habe: "Das Personal ist grundsätzlich knapp, Herbst und Winter führten schon immer zu Tagen mit zusätzlichen Einschränkungen bei den Betreuungszeiten. Schließlich werden auch Erzieher/innen krank und fallen aus. Corona macht diesen Effekt deutlicher."

Das bestätigt auch Antje Gaubatz: "Unseren Bildungsauftrag können wir kaum erfüllen." Und dabei werde der Betreuungsaufwand immer größer – auch durch Corona. "Kinder, die jetzt in die Eingewöhnung kommen, hatten bisher kaum Kontakt zu Gleichaltrigen", sagt sie. Auch das Erlernen von "lebenspraktischen Dingen" wie Schuhe anziehen und essen mit Besteck müsse intensiver von den Einrichtungen begleitet werden. Eine Herkulesaufgabe. Der Betreuungsschlüssel müsste angepasst werden, um auf die Bedürfnisse der Kinder eingehen zu können, fordert Gaubatz.

Streitfrage Testung

Fast noch stärker als der Betreuungszeitraum rückt zurzeit die Diskussion um die Testmöglichkeiten für Kinder in den Vordergrund. "Als ersten Schritt halten wir die Unterstützung der Eltern durch die Bereitstellung von Selbsttests für erforderlich", schreibt der Gesamtelternbeirat Frankfurt auf seiner Homepage.

Tests für die Kinder werden zurzeit zu 50 Prozent vom Land übernommen. Die andere Hälfte zahlen die Träger und Kommunen. Doch nicht alle sind dazu bereit - so wird die landesweite Teststrategie zum Flickenteppich.

In einem offenen Brief an das Sozialministerium forderte die LAG das Land jetzt auf, die Kosten für Tests komplett zu übernehmen. Auf Anfrage des hr schreibt das Sozialministerium: Man habe sich mit den Kommunen auf das aktuelle Vorgehen geeinigt, damit vor Ort entschieden werden könne, ob "die Tests sorgfältig und sensibel für die Bedürfnisse der Kinder" durchgeführt werden könnten. Eine Antwort auf den offenen Brief der LAG und damit die Frage nach der Kostenübernahme gab es am Dienstag noch nicht. Sie sei aber in Arbeit.