Szene in einer Schulklasse - ein Mädchen sitzt schreibend an einem Tisch - eine Hand stützt sich neben ihr auf.

Ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) kann jungen Leuten helfen, sich nach dem Schulabschluss beruflich zu orientieren. Auf dem Land gibt es viele freie Plätze, doch die Zahl der Freiwilligen geht zurück. Mit E-Rollern und WG-Zimmern sollen die Jugendlichen gelockt werden.

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Gesunkene Nachfrage bei FSJ

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Ein bunter Klassenraum, Pflanzen auf der Fensterbank, Regale voll mit Kinderbüchern. Rebecca Staier steht an der Tafel und klebt Sticker auf den gemalten Stundenplan: Aufgaben in Mathematik, wann die Pause und der Morgenkreis stattfinden. Beinahe sieht es so aus, als wäre hier eine junge Lehrerin bei der Arbeit.

Rebecca Staier ist 19 Jahre alt und macht ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) an der Schule am Drachenfeld in Erbach (Odenwald). An der Schule, die von Kindern und Jugendlichen mit geistigen und körperlichen Beeinträchtigungen besucht wird, unterstützt sie die Lehrkräfte bei einer Vielzahl von Aufgaben. Vermittelt wurde sie vom Deutschen Roten Kreuz (DRK).

Ob Kopien machen oder den Stundenplan vorbereiten, Staier kümmert sich. Häufig übernimmt sie aber auch pädagogische Aufgaben. "Ich betreue einzelne Schülerinnen und Schüler, die stärker eingeschränkt sind und im Unterricht Hilfe brauchen."

Auf dem Land sinkt die Nachfrage

Hessenweit bieten über 30 Träger ein Freiwilliges Soziales Jahr an - es sind Sport- und Kultureinrichtungen, kirchliche, politische oder soziale Einrichtungen und Hilfsorganisationen. Für viele junge Menschen bietet das FSJ ein Jahr der Orientierung. Gleichzeitig ist die Mitarbeit der Freiwilligen für die Einrichtungen eine willkommene Unterstützung. Doch die Bewerberzahlen sind rückläufig und besonders Organisationen auf dem Land fehlt es an FSJlern.

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Auf dem Land ist Platz für viele Freiwillige

Rebecca Staier - sie macht gerade ein Freiwilliges Soziales Jahr. Frau mit halblangen blonden Haaren und Brille steht neben einem Bücherregal und nimmt ein Buch heraus.
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2021 gab es in Hessen 5.772 Stellen, die mit FSJlern besetzt waren. Im Jahr davor waren es noch 5.929. Besonders in ländlichen Regionen sind die Bewerberzahlen rückläufig. So haben sich zum Beispiel beim Deutschen Roten Kreuz im Odenwaldkreis nur 140 Freiwillige angemeldet. Ein Jahr davor waren es noch 180.

Einen Grund dafür sieht DRK-Fachbereichsleiterin Dagmar Emig-Mally im demografischen Wandel. So habe der Odenwaldkreis mit seinen knapp 100.000 Einwohnern ein höheres Durchschnittsalter als andere hessische Kreise. "Uns fehlen hier einfach die jungen Leute." Emig-Mally befürchtet, dass die Bewerberzahlen weiter sinken werden. In den ländlichen Regionen gibt es kaum Zuzug, anders als in den Städten, die für junge Menschen oft attraktiver sind.

FSJler wieder in die Dörfer locken

Wer ein FSJ macht, bekommt für seine Arbeit ein Taschengeld von maximal 423 Euro im Monat. Eine eigene Wohnung ist davon nicht zu finanzieren. Hinzu kommt, dass diejenigen, die ihr Jahr in einer Einrichtung auf dem Land absolvieren, mobil sein müssen.

Fünf Organisationen, darunter der DRK-Freiwilligendienst Volunta, haben Ideen entwickelt, um FSJler wieder aufs Land zu locken. Angedacht sind kostenfreie Wohngemeinschaften, aber auch in Sachen Mobilität soll sich was tun. "Ein E-Roller könnte so ein Anreiz sein", erklärt Cosima Dries von Volunta. Noch fehlt es an den Fördermitteln für das Projekt, "doch die Chancen stehen gut", sagt Dries.

Beide Seiten profitieren

Dass die Verbände sich nach Kräften um die FSJler bemühen, zeigt wie wichtig die jungen Leute für die Arbeit in den Einrichtungen sind. "Die jungen Menschen bringen ihre Stärken und Talente ein und helfen damit Dinge zu tun, die sonst von festen Mitarbeitern nicht angeboten werden könnten", erläutert Nathanael Seitz von der Koordinationsstelle der LAG Freiwilligendienste Hessen.

In Alten- und Pflegeeinrichtungen könne dies beispielsweise eine längere Unterhaltung mit den Seniorinnen und Senioren sein. Kleine Extras, für die den Pflegekräften im Alltag oft die Zeit fehle. Und so sitzt auch Rebecca Staier an ihrem Arbeitsplatz in der Schule an manchen Tagen im Bällebad und spielt mit einem der Schüler, für den der Unterricht gerade zu belastend ist.

Im Sommer wird die 19-Jährige ihr Freiwilliges Soziales Jahr beenden. Was als Notlösung gedacht war, weil die Corona-Pandemie ihr Auslandsjahr unmöglich machte, hat ihr nun eine berufliche Perspektive eröffnet. Staier möchte im Wintersemester mit dem Studium Lehramt an Förderschulen beginnen.

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