Rein zufällig geriet Gerti Fazlli aus Limburg in die Nähe einer verbotenen Querdenker-Demo. Auch die doppelte Impfung schützte ihn nicht vor einem langen Verfahren. Am Ende kostete ihn ein Döner 700 Euro.

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Querdenker-Verdacht: Döner kostet 700 Euro

Geri Fazlli steht vor einem Döner-Imbiss und schaut in die Kamera. Im Imbiss stehen zwei Männer, einer hinter und einer vor der Theke.
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Am Montag nach Weihnachten vergangenen Jahres fuhr Gerti Fazlli abends noch mal rasch in die Stadt. In der Hospitalstraße von Limburg ging der 41-Jährige in seinen Stammimbiss und aß einen Döner. Er wäre besser hungrig ins Bett gegangen.

Der Döner war völlig in Ordnung. Aber was in den kommenden Monaten folgte, hat Fazlli noch immer nicht verdaut. Denn als er nach dem Essen arglos auf die Straße trat, um zu seinem Wagen zu gehen, wurde er für den Staat zum Gegner der Corona-Maßnahmen.

"Nicht mehr normal"

"Das ist nicht mehr normal, was hier passiert ist", sagt Fazlli. Fast ein Dreivierteljahr hat die juristische Auseinandersetzung gedauert. An die 700 Euro wird sie Fazlli kosten. Sehr viel für jemanden, der als Kellner sein Geld verdient.

Der Vorwurf des Ordnungsamts an Fazlli lautete, "Teilnehmer an einer verbotenen Versammlung im Stadtgebiet Limburg gewesen zu sein". Fast alles sprach von Anfang an dagegen. Aber ob Polizei, Ordnungsamt oder Gericht: Der Apparat kam ins Laufen und war nicht zu stoppen.

Legale Demo, illegaler Spaziergang

Wie so häufig im vergangenen Winter treffen sich am besagten Montagabend in der Limburger Innenstadt Gegner der Corona-Beschränkungen, Impfkritiker, Querdenker. Während Fazlli seinen Döner isst, löst die Polizei einen Block weiter die erlaubte Protestaktion auf. Sie verbietet ausdrücklich Folgeveranstaltungen - wie die in der Szene beliebten "Montagsspaziergänge".

Die angeblichen Spaziergänger ziehen in die Hospitalstraße, wo Gerti Fazlli gerade seinen Döner gegessen und wo er auch sein Auto geparkt hat. Als er zum Wagen gehen will, haben Polizisten die Straße gesperrt. Fazlli kann die Demonstranten "so in zehn Metern Entfernung" nicht übersehen. Ein Beamter verlangt und bekommt vom Imbiss-Kunden den Ausweis. Alles ganz unkompliziert. "Er hat gesagt: Für heute kriegen Sie einen Platzverweis. Ab morgen geht es ganz normal weiter", erzählt Fazlli.

Geht es nicht. Es kommt Bußgeld-Post vom Ordnungsamt. Der Limburger soll samt Gebühren 128,50 Euro zahlen. Fazlli wehrt sich , schreibt eine lange Erklärung. Er nennt den Imbissbesitzer als Zeugen. Der angebliche Coronaleugner schreibt auch, dass er zweimal geimpft ist, und fügt hinzu: "Ich verurteile diese Versammlungen aufs Schärfste!"

Teilnehmer einer "Querdenken"-Demo in Berlin

Häufige Ausreden, keine Ermittlungen

Das alles interessiert das Ordnungsamt nicht. Vielleicht, weil Beschuldigte bei ihren Bußgeld-Widersprüchen wegen Corona-Demos am häufigsten behaupten, was auch Fazlli sagt? Man sei "nur zufällig im abgesperrten Bereich" gewesen, rein privat, zum Einkaufen zum Beispiel. Diese Erfahrung schildert eine Sprecherin der Stadt auf Anfrage. Aber wenn es bei Fazlli nun mal offenkundig so ist? "Da durch die Polizei keine Rückmeldung zu seiner Stellungnahme erfolgte, wurde das Verfahren weitergeführt und nach der Prüfung ein Bußgeld erlassen", heißt es aus dem Rathaus.

Fazllis Anwalt Martin Eisenbach fragt sich noch immer, was das für eine Prüfung gewesen sein soll. Es gebe keinen einzigen Beweis gegen seinen Mandanten, auch nicht in den Akten. Zeugen seien nicht befragt worden. "Am meisten ärgert mich, dass schlampig ermittelt worden ist", sagt er. Es habe gewirkt, als müsse sein Mandant seine Unschuld beweisen.

Aber warum? "Vielleicht will man sich auch nicht so viel Arbeit machen", antwortet Eisenbach. Während Experten derzeit rätseln, wie hart der kommende Corona-Winter wird, haben Ordnungsämter und Gerichte noch immer viel mit dem vergangenen zu tun. Alleine bei der Stadt Limburg laufen noch 120 Verfahren wegen mutmaßlicher Verstöße.

Eingestellt und doch irgendwie bestraft

Den Anwalt nimmt sich Fazlli dann, weil er das Bußgeld nicht auf sich sitzen lassen will. Das Amtsgericht lädt zum Termin, die Richterin in Hadamar warnt vor geringen Erfolgsaussichten. Ein weltfremd anmutender Einwand gegen den 41-Jährigen: Der Justiz gibt zu denken, dass jemand aus einem anderen Stadtteil in die Innenstadt gefahren sein will, nur um sich einen Döner zu holen.

Nach fast einem dreiviertel Jahr und einer halbstündigen Verhandlung ist die Sache dann doch vorbei. Anwalt Eisenbach hat versichert, er würde nie einen wirklichen Querdenker in einer solchen Sache vertreten. Und Kellner Fazlli versprochen, nie mehr Döner in der Nähe einer Demo zu essen.

Die Richterin stellt das Verfahren ein. Und gleichzeitig straft sie den 41-Jährigen ziemlich hart ab. Die Juristin hält fest, dass er die Anwaltskosten selbst tragen muss. Statt des ursprünglichen Bußgelds in Höhe von 128,50 Euro kommen auf den Döner-Kunden jetzt Ausgaben von rund 700 Euro zu.

Lieber gleich zahlen?

Das sei so völlig korrekt und möglich, wenn "der Betroffene vorwerfbar Veranlassung für das eingestellte Verfahren gegeben hat" - so teilt es ein Sprecher des Amtsgerichts auf Nachfrage mit. Es gehe da um keine Schuldzuweisung, sondern um "eine Bewertung der Verdachtslage".

Auf Deutsch: Auch wenn die Straße bei seiner Ankunft nicht gesperrt war, er die illegale Route der "Spaziergänger" nicht kennen konnte und der Imbiss legal geöffnet war, hätte Fazlli nicht hingehen sollen. Und wer weiß, ob er nicht doch demonstriert hat?

Für Gerti Fazlli lautet die Moral seiner Geschichte: "Dann hätte ich lieber die Strafe bezahlt. Aber man muss sich doch frei bewegen dürfen." Seine Freunde ziehen ihn wegen des 700-Euro-Döners jetzt öfter auf: Ob Gold im Fladenbrot gewesen sei.

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