Wechsel der Geschlechtsidentität Warum ein Transmann aus Wetzlar auf das Selbstbestimmungsgesetz wartet
Die Bundesregierung will das alte Transsexuellengesetz durch ein Selbstbestimmungsgesetz ablösen. Transmenschen würde dadurch das Leben erleichtert. Ein Betroffener und ein Experte erklären, inwiefern.
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Warum ein Transmann auf das Selbstbestimmungsgesetz wartet

Konstantin Sauer hat blau-grüne Augen, einen Dreitagebart und Geheimratsecken. Der Transmann lebt mit seiner Frau in Wetzlar. Vor drei Jahren outete er sich. Dass er anders ist als andere, habe er schon im Kindergartenalter bemerkt: "Ich habe mich nicht als Mädchen identifiziert und lieber mit den Jungs gespielt", erinnert sich der 28-Jährige. Das habe sich bis in die Pubertät gezogen.
Damals entwickelte sein Körper weibliche Züge. Für den Jugendlichen brach eine besonders schlimme Zeit an. Äußerlich trat er als Mädchen auf, trug Frauenkleidung und rot gefärbte schulterlange Haare. Innerlich sei es ihm aber immer schlechter gegangen, erinnert sich Konstantin Sauer: "Ich habe unter Depressionen gelitten und einen Suizidversuch unternommen."
Personenstandsänderung kostet 1.500 Euro
Im Alter von 25 Jahren outete sich Konstantin Sauer als trans. Auch seinen Vornamen ließ er kurz danach ändern. Dafür musste er einen Antrag beim Amtsgericht Frankfurt stellen und zwei psychologische Gutachten anfertigen lassen. So schreibt es das Transsexuellengesetz von 1981 vor. Die Vornamen- und Personenstandsänderung kostete ihn 1.500 Euro und dauerte neun Monate.
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Konstantin Sauer aus Wetzlar begrüßt das geplante Selbstbestimmungsgesetz

Das Transsexuellengesetz und den gesamten Prozess dahinter hält Konstantin Sauer für reformbedürftig. Er kritisiert die Gutachter-Fragen, die für manche Betroffene extrem belastend seien, die hohen Kosten und die lange Verfahrensdauer.
Er selbst habe positive Erfahrungen mit seinen Gutachtern gemacht. Doch er kenne Betroffene, die schlechte Erfahrungen mit den Sachverständigen machten, weil diese etwa Fragen gestellt hätten, die sich um Sex mit Tieren oder Kindern und um Masturbationsverhalten drehten. "Solche Fragen gehen gar nicht", findet Konstantin Sauer. Trans-Sein sei keine Frage der Sexualität, sondern eine der Identität.
Ministerin Paus: "Hürden menschenverachtend und entwürdigend"
Tatsächlich plant die Bundesregierung, das Transsexuellengesetz abzuschaffen - so wie es im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP vereinbart wurde. Stattdessen will die Ampelkoalition ein Selbstbestimmungsgesetz beschließen. Dieses soll die Änderung eines Geschlechtseintrags erleichtern und bei Standesämtern ermöglichen. Die Eckpunkte zum geplanten Selbstbestimmungsgesetz stellten Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) und Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) am Donnerstag vor.
Die bisherigen Hürden dafür seien menschenverachtend und entwürdigend, sagte Paus. Das geltende Rechte behandele Transsexuelle wie Kranke, sagte Buschmann. Die ärztliche Begutachtung sowie die Notwendigkeit eines Gerichtsverfahrens sollen künftig entfallen. Per Erklärung beim Standesamt sollen Volljährige künftig Geschlecht und Vorname im Pass ändern lassen können.
Psychotherapeuten befürworten neues Gesetz
Ein neues Gesetz hält auch die Bundespsychotherapeutenkammer für sinnvoll, wie ihre Delegierten beim Deutschen Psychotherapeutentag (DPT) im Mai in einer Resolution festhielten: "Der DPT spricht sich dafür aus, dass künftig die Änderung des Geschlechtseintrags bei Transidentität über eine Erklärung gegenüber dem Standesamt und nicht länger über ein Gerichtsverfahren mit zwei Gutachten geregelt wird."
Früher galt Transsexualität als Störung
Auch der emeritierte Kinder-und Jugendpsychiater Bernd Meyenburg aus Frankfurt begrüßt die Initiative das neue Gesetz. Meyenburg baute in den 1980er Jahren eine Beratungsstelle für transidente Kinder und Jugendliche am Frankfurter Uniklinikum auf. Sein Hauptkritikpunkt am bisherigen Verfahren sind die Gutachterfragen, weil sie eine Belastung für die Betroffenen darstellten. Das liege unter anderem daran, dass das Transsexuellengesetz aus einer Zeit komme, in der man davon ausging, "dass es sich um eine psychische Störung handelt, die heilbar ist", erklärt Meyenburg.
Seit der Jahrtausendwende spreche man davon, dass Transidente sich "dem Gegengeschlecht zugehörig fühlen", berichtet Meyenburg. Psychologisch behandlungsbedürftig sei dieses Zugehörigkeitsgefühl nicht - nur das Leiden, das sich daraus ergeben könnte. Das sei teils erheblich.
Experte: Gutachten nicht nötig
Von 1986 bis 2018 führte Meyenburg Beratungsgespräche mit transidenten Menschen und erstellte Gutachten für Amtsgerichte. In einer Untersuchung von mehr als 1.400 solcher Berichte kamen er und Kollegen zum Ergebnis, "dass nur zwei Personen wieder einen Wunsch zur Rückumwandlung äußerten". Seiner Erfahrung nach könnten transidente Menschen selbst entscheiden, welchem Geschlecht sie sich angehörig fühlen, und benötigten dafür kein Gutachten, sagt der Experte.
Um zu verhindern, dass das neue Gesetz missbraucht werde, hält Bernd Meyenburg allerdings ein einfaches psychologisches Attest für sinnvoll. Vor allem bei Teenagern sei Vorsicht geboten. Heranwachsende befänden sich in der Identitätsfindungsphase. Als Gutachter habe er etliche 13-Jährige beraten, die letztlich doch mit ihrem biologischen Geschlecht zurechtgekommen seien.
In der Eheurkunde steht noch der alte Vorname
Konstantin Sauer aus Wetzlar ist sich sicher, dass er die richtige Entscheidung getroffen hat. Noch nie habe er so gerne in den Spiegel geschaut wie heute, erzählt er. Sein Selbstwertgefühl sei gestiegen.
"Ich bin einfach nur glücklich, diesen Weg gehen zu können und mich jetzt besser zu fühlen", sagt der 28-Jährige mit einem Lächeln. Sollte das Selbstbestimmungsgesetz kommen, möchte er den Vornamen Konstantin endlich in seine Eheurkunde eintragen lassen. Dort steht noch der Vorname, den er vor seinem Outing hatte. Öffentlich nennen möchte er ihn nicht. Er habe sich nie damit verbunden gefühlt, sagt Konstantin Sauer. Nun könne er diesen früheren Namen endgültig hinter sich lassen.