Ukraine-Krieg Warum manche Kommunen an ihren russischen Städtepartnerschaften festhalten - und andere nicht
Viele hessische Städte und Gemeinden haben ihre Partnerschaften zu russischen Kommunen auf Eis gelegt. Fulda, Bad Homburg und Offenbach dagegen halten ganz bewusst an der Freundschaft fest. Sie haben die russische Bevölkerung im Blick.
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Städtepartnerschaften mit Russland liegen derzeit auf Eis

Auf dem zentralen Europakreisel in Bad Homburg (Hochtaunus) wehen an den neun Fahnenmasten abwechselnd Europa-Flaggen und die Flagge der Ukraine - ein Zeichen der Solidarität. Bis zum vergangenen Donnerstag sah das noch ganz anders aus: Es wehten dort unter anderem die Flaggen der Schweiz, Italiens - und auch die Russlands. Denn die Kurstadt pflegt mehrere Städtepartnerschaften: mit dem italienischen Terracina, mit Chur in der Schweiz oder eben mit Peterhof bei Sankt Petersburg in Russland.
Partnerschaften über Ländergrenzen hinweg
Städte- und Gemeindepartnerschaften dienen vor allem dazu, Menschen über Grenzen hinweg zusammenzubringen. So gibt es zwischen den Partnerkommunen beispielsweise Schüleraustausche, Bildungsreisen oder kulturelle Kooperationen. Auch wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen einzelnen Firmen gehört dazu. Neun Städte und Gemeinden plus zwei Landkreise haben Partnerschaften mit Russland. Die Partnerschaft Hessens mit der Region Jaroslawl hat die Landesregierung vor einigen Tagen auf Eis gelegt.
Ende der weiteren InformationenBad Homburg: Dialog mit Menschen muss weiter gehen
Anders als die Flagge am Europakreisel vermuten lässt, will aber Bad Homburg die Städtepartnerschaft zu Peterhof aufrechterhalten. "Man darf die Bevölkerung in Russland jetzt nicht fallen lassen", sagt Oberbürgermeister Alexander Hetjes (CDU) dem hr. Er legt viel Wert darauf, zu unterscheiden, dass es sich nicht um einen Krieg der russischen Bevölkerung gegen die Ukraine handele, sondern um einen Krieg Putins. "Wir wissen aus den Gesprächen in unsere Partnerstadt Peterhof, dass die Menschen dort inoffiziell genauso denken wie wir."
Auch Fulda und Offenbach halten an Freundschaft fest
Ähnlich äußern sich auch Hetjes Amtskollegen aus Fulda und Offenbach. "Die militärische Entscheidung wurde von der politischen Führung Russlands getroffen", erklärt Offenbachs Oberbürgermeister Felix Schwenke (SPD), weshalb auch seine Stadt an ihrer Städtepartnerschaft ins russische Orjol festhalte. Aus Fulda heißt es, die Städtepartnerschaft mit Sergiew Posad sei vor allem von Engagierten geprägt und weniger politischer Natur.
Die meisten Partnerschaften ruhen derzeit
Trotzdem: Die meisten hessischen Kommunen lassen einer Umfrage des hr zufolge ihre Partnerschaften nach Russland vorerst ruhen. Dabei gehe es "ausdrücklich nicht darum, das russische Volk zu treffen, sondern ein klares Signal in Richtung Staatsführung zu senden", erklärt Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) die Entscheidung für seine Stadt. So habe es von der politischen Führung der zentralrussischen Partnerstadt Jaroslawl nicht ein Wort der Distanzierung von Putins Angriff auf die Ukraine gegeben - aus der Bevölkerung dagegen schon. "Das finde ich bemerkenswert", so Kaminsky.
Ministerin: "Zusammenarbeit ist derzeit undenkbar"
Genau wie Hanau hat auch die Stadt Kassel eine Partnerschaft mit Jaroslawl und lässt diese ebenfalls ruhen. Mit der gleichnamigen Region pflegt auch das Land Hessen seit mehr als 30 Jahren eine Partnerschaft. Auch die liegt nun vorerst auf Eis. "In der jetzigen Situation ist eine Zusammenarbeit undenkbar", so Europaministerin Lucia Puttrich (CDU). "Wir müssen die Grenzen aufzeigen. Und die Mittel, die wir haben, sind nicht sehr viele." Es gehe also vor allem darum, ein Zeichen zu setzen.
Auch kleinere Kommunen wie Wächtersbach (Main-Kinzig) lassen ihre Städtepartnerschaften nach Russland ruhen, andere halten sich die Entscheidung noch offen: So soll sich in Oberursel (Hochtaunus) zunächst der Magistrat mit dem Thema befassen.
Eiszeit dauert auf politischer Ebene schon länger
Mehreren hessischen Kommunen gaben gegenüber dem hr an, dass die Verbindungen auf politischer Ebene in den vergangenen Monaten oder schon seit Jahren ohnehin immer mehr eingeschlafen seien.
Ganz anders verhalte es sich mit den freundschaftlichen Verbindungen zur Bevölkerung. Deshalb sind sich auch alle befragten hessischen Kommunen einig darin, dass diese teilweise über Jahrzehnte aufgebauten Beziehungen nicht vollends gekappt werden sollen, "soweit das ohne Gefahr für unsere Freundinnen und Freunde möglich ist", ergänzt Hanaus Oberbürgermeister Kaminsky.