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Familie wartet auf barrierefreie Wohnung

Familie Amekrane mit ihren Kindern Rayhana und Amir

Es gibt zu wenige bezahlbare Wohnungen in Frankfurt. Wenn diese barrierefrei sein sollen, wird es noch schwieriger. Eine Frankfurter Familie mit zwei schwerkranken Kindern wartet schon über zwei Jahre auf ein passendes Angebot.

36 Stufen muss Khadija Amekrane ihre Kinder Rayhana und Amir täglich hinauf und hinunter tragen, weil sie selbst nicht mehr laufen können. Durch die Krankheit NCL, auch Kinderdemenz genannt, sind beide stark eingeschränkt. Die Kinder sind erblindet, brauchen Sauerstoff und rund um die Uhr Betreuung.

Die Familie lebt in einem Haus ohne Aufzug. Was sie braucht, ist eine barrierefreie Wohnung in Frankfurt - und zwar dringend. Für die Eltern ist es ein Rennen gegen die Zeit, denn die Kinder werden immer größer und pflegebedürftiger.

Die Stoffwechselkrankheit NCL gilt als unheilbar. Deswegen möchten Khadija Amekrane und ihr Mann den Kindern den Alltag wenigstens so angenehm wie möglich gestalten. "Man kann nichts machen, nur versuchen die Schmerzen ein bisschen zu lindern", sagt Khadija Amekrane.

Familie steht auf der Warteliste

Bereits seit zwei Jahren sucht die Familie nach einer geeigneten Wohnung - denn jeden Tag müssen die acht Jahre alte Rayhana und der sechsjährige Amir in die Schule und den Kindergarten gebracht und dann wieder abgeholt werden. Davor, danach und dazwischen: Arztbesuche, Physiotherapie und Pflege.

Das Wohnungsamt hat laut der Familie zwar Angebote gemacht, bei einer Wohnung passte allerdings der Doppel-Rollstuhl nicht durch die Aufzugstür und auch das Bad war nicht rollstuhlgerecht. Bei der anderen gab es keinen Parkplatz in der Nähe und bei der dritten bekam eine andere Familie den Zuschlag.

Barrierefreier Wohnraum ist knapp

Nun steht Familie Amekrane weiterhin auf der Warteliste mit Priorität eins. Allerdings sei die Liste lang und der barrierefreie Wohnraum knapp, schreibt das Frankfurter Amt für Wohnungswesen auf Nachfrage. Ende 2020 waren fast 9.000 Haushalte als wohnungssuchend für eine Sozialwohnung registriert. Vermittelt werden konnten 1.325 solcher Wohnungen. "Die Zahl der Wohnungssuchenden übersteigt die die Zahl der innerhalb eines Jahres verfügbaren Wohnungen um das Sechs- bis Siebenfache", so das Amt.

Dazu kommt: Von den barrierefreien Wohnungen in Frankfurt entsprechen bei weitem nicht alle der sogenannten DIN 1840 Norm, einer Norm zum barrierefreien Bauen. Einige gelistete Wohnungen sind beispielsweise Altbestand. Barrierefrei kann dann zwar heißen: Erdgeschoss und keine Stufen. Dass ein Rollstuhl durch die Tür passt oder das Bad rollstuhlgerecht ist, heißt das noch lange nicht.

"Barrierfreiheit muss am Wohnungsmarkt von vornherein mitgedacht werden"

Zu wenig barrierfreier Wohnraum ist ein bundesweites Problem, weiß Sabine Bernot von der Organisation für Menschenrechte, die die Einhaltung der UN-Behindertenrechtskonvention im Blick hat. Sie spricht von einer riesigen Versorgungslücke. Der Mikrozensus 2018 beispielsweise habe ergeben, dass nur 1,5 bis 2 Prozent aller Wohnungen barrierefrei sind.

Eine Behinderung haben fast zehn Prozent der deutschen Bevölkerung. Die Tendenz ist mit dem demographischen Wandel steigend. Umso weniger versteht Bernot, wieso die hessische Bauordnung geändert wurde. Zwar enthält diese die Vorgabe, dass in Gebäuden, in der es zwei oder mehr Wohnungen gibt, 20 Prozent der Wohneinheiten barrierefrei sein müssen. Nur ist barrierefrei nicht gleich rollstuhlgerecht.

Die sogenannten Rollstuhl-Wohnungen wurden aus der Verordnung gestrichen. Für Bernot ein unverständlicher Fehler, der weitere Schlupflöcher am Wohnungsmarkt zulässt. Wenn mit dem barrierefreien Bau oder Umbau ein unverhältnismäßiger Aufwand verbunden wäre, müssen die Vorgaben nicht erfüllt werden. Doch wer entscheidet über die Verhältnismäßigkeit?

Es geht um Teilhabe

"Menschen mit Behinderung müssen in die Beurteilung von Barrierefreiheit miteinbezogen werden", sagt Bernot. Und es bräuchte stärkere Mindestquoten, Einfluss beim Vergaberecht von gefördertem Wohnungsbau, zweckgebundene Finanzhilfen und geschultes Personal. Architektur, Handwerk, Bauwesen - alle müssten entsprechend fortgebildet sein.

Und dann müsste die Einhaltung auch kontrollierbar und justiziabel sein. Auch das sei bislang durch Schlupflöcher und weiche Formulierungen nur schwer möglich. Die UN-Behindertenrechtskonvention ist seit 2009 in Kraft. Zwar würden Bund und Länder sich um die Umsetzung bemühen, aber man hätte schon mehr machen können und müssen.

Das alles erfährt Familie Amekrane gerade am eigenen Leib. "Es ist meinen Kindern nicht geholfen, wenn ich daran kaputt gehe, es muss doch irgendwie eine Lösung geben", sagt Khadija Amekrane. Sie hofft, dass sie bald umziehen können und der Alltag leichter wird, vor allem aber stufenlos.

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