Wer sich Eigentum in der Stadt nicht leisten konnte, fand bisher erschwinglichere Alternativen weiter draußen auf dem Land. Doch selbst in Dörfern explodieren inzwischen die Preise. Und Bauplätze sind heiß umkämpft.

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"Wir finden seit zwei Jahren kein Haus bei uns im Dorf"

Kombo mit Einfamilienhausmodell auf dem Rasen mit Löwenzahn und Protagonist
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Seit zwei Jahren sucht Florian Anders ein Haus – schon, würde er am liebsten hinzufügen. Mittlerweile weiß er aber, dass er sagen muss: erst. "Wir wissen inzwischen von anderen Familien im Dorf, die schon deutlich länger suchen als wir", berichtet der Familienvater aus dem Lahn-Dill-Kreis.

Dabei klingt es doch eigentlich so simpel, meint der 35-Jährige: Eine vierköpfige Familie sucht ein freistehendes Haus mit ein bisschen Garten und Platz genug für die Kinder. Und das nicht in einer gefragten Stadt wie Frankfurt oder Wiesbaden, sondern im 2.300-Einwohner-Dorf Münchholzhausen zwischen Wetzlar und Gießen, wo auch die Großeltern wohnen.

Doch selbst hier sind die Preise für Familien mit Durchschnittseinkommen kaum noch zu stemmen, sagt Anders. Und überhaupt sei in den vergangenen zwei Jahren nur eine Handvoll Immobilien auf den Markt gekommen - oft völlig überteuert, meint er. Inzwischen rechnet Anders damit, für ein Haus in seinem Dorf inklusive möglicher Renovierungskosten rund 500.000 oder 600.000 Euro investieren zu müssen. "Wenn es denn überhaupt eins zu kaufen gäbe."

Häuser wurden 2021 deutlich teurer

Corona, Krieg und hohen Baupreisen zum Trotz – die Nachfrage nach Eigentum steigt in Hessen weiter ungebrochen. Wie die Zentrale Geschäftsstelle der Gutachterausschüsse für Immobilienwerte des Landes Hessen (ZGGH) mitteilt, sind die Preise im vergangenen Jahr hessenweit noch einmal deutlich gestiegen. Gleichzeitig wurden weniger Häuser verkauft als im Vorjahr.

Auch Frank Alexander vom Immobilienverband IVD Mitte bemerkt Preisanstiege über das ohnehin schon extrem teure Rhein-Main-Gebiet hinaus. Der Immobilienexperte sagt: "Ich sehe derzeit keine Anzeichen, die auf Entspannung deuten."

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Südhessen am teuersten

Am teuersten sind Immobilien laut ZGGH weiterhin im Süden Hessens. Hier wurde 2021 ein freistehendes Einfamilienhaus für durchschnittlich 523.000 Euro verkauft – knapp 12 Prozent mehr als im Vorjahr. In Nordhessen kosten solche Immobilien zwar durchschnittlich nur halb so viel, doch hier war die Preissteigerung mit rund 15 Prozent sogar noch etwas stärker als im Süden. Am günstigsten sind Immobilien weiterhin in den südöstlichen Landkreisen Hessens, die auch besonders dünn besiedelt sind und gegen Landflucht kämpfen. Aber selbst hier ziehen die Durchschnittspreise seit einigen Jahren an.

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Pandemie heizt Nachfrage noch weiter an

Frank Alexander vom IVD stellt fest: Die Pandemie habe die Nachfrage nach Eigentum keineswegs gebremst, sondern sogar noch mal angeheizt. Viele Familien hätten in dieser Zeit noch stärker den Wunsch nach einem eigenem Garten oder einem Zimmer mehr gespürt. "Und die Möglichkeit, aus dem Homeoffice zu arbeiten, macht das das Umland attraktiver."

Hinzu kämen die weiterhin fehlenden Anlagealternativen, meint Alexander. Außerdem gäbe es derzeit die Sorge, dass Bauen durch künftige Klimaschutz-Auflagen möglicherweise sogar bald noch teurer werden könnte. Kommunen würden zudem seit einiger Zeit immer weniger Bauplätze ausweisen, zum Beispiel um Frischluftschneisen zu erhalten und weniger Flächen zu versiegeln.

Immer wieder Konflikte um Neubaugebiete

Tatsächlich stehen viele Kommunen vor der Herausforderung, Flächen sparen zu müssen. Einige bemühen sich deshalb, Anreize zu schaffen, um Baulücken zu schließen und Leerstände im Bestand zu vermeiden. So hat beispielsweise die Gemeinde Neuhof (Fulda) ein eigenes Baulückenkataster eingerichtet und bietet Eigentümern 5.000 Euro an, wenn sie freie Flächen verkaufen.

Doch auch Neubaugebiete werden vielerorts weiter geplant – jedoch läuft das nicht immer konfliktfrei. In Aßlar-Werdorf (Lahn-Dill) kämpft etwa eine Bürgerinitiative gegen ein neues Baugebiet, um die dortigen Grünflächen zu erhalten. Auch Lärm- und Lichtverschmutzung und mehr Verkehr werden befürchtet. Gleichzeitig sind die Grundstücke im Grünen offenbar bereits gefragt. Die Stadt Aßlar hat schon die Einrichtung eines Punktesystems angekündigt, um etwa soziale Kriterien und Ortsgebundenheit bei der Vergabe zu berücksichtigen.

Wie lange so ein Konflikt gehen kann, zeigt ein Fall aus Hofheim (Main-Taunus): Seit über zehn Jahren streiten sich die Stadt und der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) um das Baugebiet Vorderheide II, weil der BUND dadurch den Gartenrotschwanz bedroht sieht, einen auffällig gefärbten Zugvogel. Der Verwaltungsgerichtshof entschied im Dezember im Sinne des BUND, der Hofheimer Magistrat will jedoch weitere Schritte gehen.

700 Bewerber für 80 Bauplätze

Dass Baugebiete für Konflikte sorgen können, ist Florian Anders bewusst. Dennoch wäre auch für seine Familie ein erschwinglicher Bauplatz ein Traum, sagt er. Auch in Münchholzhausen entsteht derzeit ein Neubaugebiet, die Familie hatte sich vorab auf die Liste dafür setzen lassen - aber offenbar zu spät. "Da waren wir chancenlos", sagt Anders. "Für etwa 80 Bauplätze hat es über 700 Bewerber gegeben."

Anders ist sich sicher: Er will in weiter in Münchholzhausen suchen, weil seine Familienangehörigen hier leben und das Dorf vergleichsweise gut angebunden ist. Er hofft, dass er und seine Familie in den kommenden drei oder vier Jahren ein passendes Haus finden und nicht noch weiter aufs Land rausziehen müssen. "Und notfalls müssen wir wohl in den sauren Apfel beißen und doch viel zu viel Geld für ein altes Objekt auf den Tisch legen, in das wir dann noch mal 100.000 oder 200.000 Euro reinstecken müssen."

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