Abschlussarbeit gegen Bezahlung Ghostwriting - im Namen der anderen
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Darum hat Ghostwriting gerade Konjunktur

Das Wintersemester endet demnächst - und das bedeutet für Studierende Abgabe-Stress. Für Ghostwriterin Hannah aus Frankfurt heißt das Hochkonjunktur. Sie schreibt die Arbeiten für andere. Alles nur Grauzone oder doch strafbar?
Hannah fiebert dem Ergebnis ihrer Bachelorarbeit entgegen: "Ich bin gerade fertig geworden und ein bisschen aufgeregt", sagt sie. Wie alle Studierenden hofft sie auf eine gute Note. Dabei ist es gar nicht ihre eigene Bachelorarbeit. Hannah hat sie nur geschrieben - im Namen einer anderen Person, denn Hannah ist Ghostwriterin.
Ghostwriter:innen sind Menschen, die Texte für andere verfassen: Biografien, Reden oder wissenschaftliche Arbeiten für Studierende. Und so bringt es Hannah, die eigentlich anders heißt, auf mittlerweile fünf Bachelorarbeiten. Eine für sich selbst in Soziologie und vier weitere auf Bestellung im Bereich Gesellschaftswissenschaft.
Dazu kommen noch mehrere Hausarbeiten, die sie auf Bestellung geschrieben hat. Kundschaft gibt es genug. Besonders gegen Semesterende, wenn die Abschlussarbeiten fällig sind, schnellen die Anfragen für Ghostwriting nach oben. "Da musste ich schon einige Anfragen ablehnen, weil ich es zeitlich nicht geschafft hätte", erklärt sie.
Anfragen per Whatsapp, Bezahlung in Raten
Angefangen hat alles damit, dass sie ihrem damaligen Freund einige Hausarbeiten geschrieben hat. "Ich wollte ihm helfen, weil er Depressionen hatte und das nicht so gut auf die Reihe bekommen hat", erzählt die 29-Jährige. Texte für andere zu schreiben, das fällt ihr leicht. Kundschaft aus dem Bekanntenkreis kommt hinzu, mittlerweile melden sich auch Fremde bei ihr, die an ihre Nummer gekommen sind.
Eine typische Anfrage über WhatsApp lautet in etwa: "Hey, bisschen blöd, aber könntest Du Dir vorstellen, vielleicht was für mich zu schreiben?" Umfang, Thema und Uni-Vorgaben werden besprochen und Hannah entscheidet dann, ob sie den Auftrag für machbar hält. Sie stimmt nur zu, wenn sie eine Arbeit mit Aussicht auf eine gute Note abliefern kann.
Bezahlt wird in Raten. Die erste Rate ist nach der Gliederung fällig, die letzte mit dem Erhalt der Note. Wirklich rentabel ist Ghostwriting für sie nach eigener Aussage nicht, denn der Arbeitsaufwand ist hoch. "Der Stundenlohn liegt meist zwischen vier und sieben Euro." Aber Hannah braucht das Geld und die Arbeit macht ihr Spaß.
Ghostwriting als Geschäftsmodell
Arthur dagegen hat aus Ghostwriting ein Business gemacht. Er leitet in Frankfurt eine Ghostwriting-Agentur, die Texte für Firmen oder Privatleute verfasst. "Wir schreiben, prüfen, korrigieren und optimieren Ihre Texte", heißt es auf seiner Website. Arthur ist das Bindeglied zwischen Auftraggeber und Ghostwriter. Er bespricht die Auftrags-Wünsche und prüft, welcher seiner Leute dafür geeignet ist. "Wir haben so gut wie alles im Portfolio - man kann immer einen Autor finden", erklärt er.

Eine einfache Hausarbeit kostet im Schnitt "irgendwas über 1.000 Euro". Nach oben gibt es keine Grenzen. Wie viel Umsatz die Firma im Monat macht oder wie viele wissenschaftliche Texte abgewickelt werden, lässt sich schwer prüfen. Arthur möchte dazu nichts sagen. Diskretion und Anonymität sind im Ghostwriting-Geschäft das höchste Gut. Nur so viel: Für die Agentur bleiben pro Auftrag etwa 20 Prozent, wenn der Ghostwriter in Deutschland sitzt. Deutlich mehr, wenn die schreibende Person aus der Ukraine kommt.
In den vergangenen Jahren hat sich besonders im osteuropäischen Raum ein Markt für akademische Arbeiten in Deutschland gebildet. Viele von Arthurs Freelancern sitzen in der Ukraine. Dort gebe es sehr viele studierte Menschen mit guten Deutsch- und Englischkenntnissen, erklärt Arthur.
Legal, illegal, Grauzone?
Arthur weiß, dass Ghostwriting kein gutes Image hat. "Jemand sei zu faul zum Schreiben und lässt sich von reichen Eltern einen Abschluss erkaufen", zitiert er eine häufige Meinung. Ein schlechtes Gewissen hat der 27-Jährige nicht. "Wir selber machen absolut nichts Illegales, weil wir keine Arbeit bei der Universität abgeben." In der Regel wisse er gar nicht, was mit der Arbeit passiert oder wer der Kunde ist. Den Auftrag kann man unter einem Pseudonym aufgeben.

Mirjam Rose ist Fachanwältin in Frankfurt und Gießen mit Schwerpunkt Hochschulrecht. Sie sieht die Tätigkeit eines Ghostwriters kritisch: "Das ist eine Grauzone." Wer aber auf jeden Fall Probleme bekomme, sei der Studierende, der eine fremde Arbeit abgibt. "Insbesondere hochschulrechtlich kann eine solche Täuschung zur Exmatrikulation führen und zum Entzug des Titels", sagt Rose. Zudem könne in einigen Bundesländern auch eine Geldbuße fällig sein.

Damit es Konsequenzen für den Studierenden gibt, muss ihm die Täuschung aber erst mal nachgewiesen werden. Und das, so Christin Siegfried, Wissenschaftlerin für Wirtschaftspädagogik an der Goethe Uni Frankfurt, ist nahezu unmöglich: "Es gibt so viele Studierende. Wenn man sie vorher nicht in Kursen hatte: Keine Chance." Und auch bei bekannten Studierenden mit einer deutlichen Leistungssteigerung will Siegfried nicht gleich Betrug vermuten. Der Studierende hätte sich auch einfach im Laufe des Studiums verbessert haben können. Dennoch schätzt Siegfried den Anteil von Ghostwriting-Arbeiten im Bereich Wirtschaftswissenschaften auf etwa zehn Prozent.
Wer ist die Ghostwriting-Kundschaft?
Und wer sind die Menschen, die einen Ghostwriter beauftragen? Es seien Studierende aus allen gesellschaftlichen Schichten, erklärt Arthur. Und auch Die Motive sind vielfältig. Über Hannah lässt ein Student ausrichten: "Nachdem meine Mutter an Lungenkrebs gestorben ist, ging das nicht mehr mit der Bachelorarbeit. Es gab nur zwei Optionen: hinschmeißen oder outsourcen." Eine andere Kundin erklärt: "Ich habe die Hausarbeit schon geschrieben, aber die Dozentin meinte, ich kann das besser und dass sie mich durchfallen lässt. Ich war richtig deprimiert und wusste nicht, was ich ändern soll."
Hannah hat kein schlechtes Gewissen dabei, anderen ihre Arbeit zu schreiben. In den meisten Berufen sei es überhaupt nicht wichtig, wissenschaftliche Texte schreiben zu können. "Deswegen spielt es keine Rolle, ob die das selber geschrieben haben oder nicht." Es gehe einzig darum, eine gute Note zu bekommen. Und die bekommen sie durch Hannah. Ihre Bachelorarbeiten wurden bisher alle mit 1 bewertet.