Foltern, um ein Kind zu retten? Mit dem moralischen Dilemma beschäftigt sich der Doppel-Fernsehfilm "Feinde" nach einem Drehbuch von Erfolgsautor Ferdinand von Schirach. Inspiriert hat ihn ein realer Fall aus Frankfurt.
Die zwölfjährige Lisa von Bode wird entführt, von ihrer Familie soll Lösegeld erpresst werden. Ein Sicherheitsmann der Familie wird verdächtigt und verhört. Doch Beweise gegen ihn gibt es nicht und der Verdächtige schweigt, stundenlang. Der zuständige Ermittler Peter Nadler (gespielt von Bjarne Mädel) ist altgedienter Polizist. Irgendwann verliert er die Nerven. Allein, ohne Zeugen, erzwingt er mit brutaler Gewalt vom Verdächtigen den Aufenthaltsort des Mädchens.
Vorlage war der Entführungsfall Jakob von Metzler
Der Bestsellerautor Ferdinand von Schirach hat die Vorlage für den Film geschrieben. Ein realer Fall hatte ihn nicht losgelassen: die Entführung des Bankierssohns Jakob von Metzler im Jahr 2002 in Frankfurt. Die Ermittler nahmen damals den Verdächtigen Magnus Gäfgen fest. Ihm wurde Gewalt angedroht, damit er verrät, wo sein Opfer ist. Der Fall löste eine Debatte darüber aus, ob Folter in Ausnahmefällen erlaubt sein sollte.
"Feinde" am Sonntag, 3. Januar, im Ersten
20:15 Uhr: "Gegen die Zeit"
21:45 Uhr: Dokumentation "Feinde – Recht oder Gerechtigkeit?"
22:30 Uhr: "Das Geständnis"
Anschließend auch in der ARD-Mediathek.
"Wir stellen uns ja instinktiv auf die Seite desjenigen, der das Kind retten will. Und unsere Gefühle sind bei ihm. Und wir finden es spontan richtig. Tatsächlich ist es aber grundfalsch und führt ins Verderben", sagt Ferdinand von Schirach. Die nachfolgende Diskussion über die Legitimität der so genannten "Rettungsfolter" habe ihn überrascht, sagt der Jurist von Schirach: "Ich habe gedacht, dass es eine solche Diskussion nicht geben kann. Ich dachte irgendwie, wir sind gefestigter an diesem Punkt."
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zum hr-fernsehen.de Video Waterboarding als Rettung?

Ein Fall, zwei Perspektiven
Den Zwiespalt, in den das Thema den Betrachter treibt, bildet auch das ARD-Projekt ab, denn es gibt einen zweiten Film, der parallel in den Dritten Programmen gesendet wird und die gleiche Geschichte erzählt. Nur diesmal aus der Perspektive des Strafverteidigers. Seine Strategie: Der Angeklagte soll im Prozess schweigen, denn so lange es keine Beweise gibt, kann ihm nichts nachgewiesen werden. Kann er den Polizisten allerdings der Folter überführen, wäre die erzwungene Aussage ungültig. Und der Angeklagte könnte freigesprochen werden.

Der Verteidiger, gespielt von Klaus-Maria Brandauer, verweist auf die deutsche Geschichte: "Lange, nachdem die Folter in diesem Land abgeschafft wurde, haben die Nazis sie wieder eingeführt. Sie nannten es 'verschärfte Verhörmethoden'. Klingt doch fast so gut wie Rettungsfolter, nicht?"
"Folter zerstört unsere Zivilisation"

Im Doppel-Film "Feinde" geht es dem Juristen und Autor von Schirach um eines der Fundamente unseres Rechtsstaats. Seine Position ist klar: "Wenn wir uns nicht mehr nach den Prinzipien des Rechtsstaates, wenn wir uns nicht mehr nach den Gesetzen, wenn wir uns nicht mehr nach der Verfassung richten, dann enden wir im Chaos. Es zerstört unsere Zivilisation, die Errungenschaften, die wir über Jahrhunderte erstritten haben."
Sendung: hr2, 03.01.2021,10.50 Uhr