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Völkerschauen im Frankfurter Zoo

Kombination aus zwei Fotos: links ein Mann und eine Frau mit Kopfhörern um den Hals, die an einem Zaun stehen und in die Kamera lächeln; rechts ein historisches s/w-Foto, das einen dunkelhäutigen Menschen mit Lendenschurz in einem abgezäunten Gebiet in einem Zoo stehend zeigt. Auch er schaut in die Kamera.

Menschen als Ausstellungsstücke im Zoo - das gab es zur Kolonialzeit in vielen Städten, auch in Frankfurt. Ein Audiowalk durch den Zoo arbeitet nun die Geschichte und die Hintergründe der Menschenschauen in Frankfurt auf.

Wo heute im Frankfurter Zoo Seehunde, Kamele und Affen zu bestaunen sind, waren zwischen 1887 und 1931 Menschen ausgestellt. Heute nicht mehr vorstellbar, erfreuten sich die sogenannten Völkerschauen im 19. und frühen 20. Jahrhundert einer großen Beliebtheit. Die Gruppen tourten oft durch ganz Deutschland und waren auf Volksfesten, in Zoologischen Gärten oder auch auf Welt- und Kolonialausstellungen zu sehen.  

Eine führende Rolle in Deutschland nahm der Hamburger Zoodirektor Karl Hagenbeck ein. Er organisierte große Reisen mit seinen Gruppen und eröffnete in Hamburg letztlich sogar ein eigenes Ausstellungsgelände. Auch in Frankfurt machte Hagenbeck oftmals halt, beispielsweise mit einer "Nubier-Karawane" oder einer "Somali-Truppe" (1908). Im Frankfurter Zoo waren weit mehr als 20 Schauen zu sehen.

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"Völkerschauen"

Die sogenannten Völkerschauen waren - obwohl angeblich authentisch - teilweise spektakuläre Inszenierungen des Lebens in den Kolonien. Die Darsteller machten vermutlich zum größten Teil freiwillig mit und verdienten mit den Auftritten Geld, um danach wieder nach Hause zu reisen. Eingereiste aus den Kolonien hatten oft keine andere Verdienstmöglichkeit in Deutschland und nahmen die Beschäftigung zum Überleben an.

Die Gruppen waren daher zusammengewürfelte Menschen, die ein zusammengehörendes Volk mimten - in passender Kleidung und Häusern als exotische Inszenierung. 

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Bis zu 20.000 Besucher pro Show

"Es gab Berichte von bis zu 20.000 Menschen, die an einem Vormittag eine Völkerschau besucht haben", erzählt Jan Deck. Er bildet zusammen mit Katja Kämmerer das Performance-Label "profikollektion". Das Duo hat sich im vergangenen halben Jahr intensiv mit diesem Aspekt des Frankfurter Zoos beschäftigt. Das Ergebnis ist der AudioWalk "Wilde werden - Menschenschauen im Zoo". In 70 Minuten lädt er zum Rundgang durch den Tierpark ein.  

Kämmerer und Deck war es wichtig, keine Bilder zu zeigen, um den kolonialen Blick auf die ausgestellten Menschen nicht zu reproduzieren. So entschieden sich für das Audioformat. Zwei Sprecherinnen und Interviews mit Expertinnen und Experten beschreiben, was damals im Frankfurter Zoo ausgestellt war und ordnen die Schauen ein. Soundeffekte von Musikerin Louisa Beck geben den Rhythmus.  

"Unser Audiowalk ist ein Zusammenspiel: Der Verstand wird über Worte und Wissen angeregt, gleichzeitig läuft man durch den historischen Ort und nimmt ihn mit den Sinnen wahr, beispielsweise am Weiher", sagt Katja Kämmerer. 

Samoa - Faszination für nackte Frauen  

Historisches Foto. In einem Park ist eine Bühne mit tanzenden dunkelhäutigen Menschen mit Lendenschürzen zu sehen. Davor sitzen viele Menschen, die das Publikum bilden.

Dieser Weiher in der Mitte des Geländes diente Ausstellungen wie den sogenannten Samoa-Schauen als Kulisse. Zwischen 1896 und 1910 waren sie im Frankfurter Zoo zu sehen und sind einer von vier Schwerpunkten des Audiowalks. Im Programmheft von damals wurden sieben Samoaner im Verhältnis zu 34 Samoanerinnen angekündigt. Die samoanischen Frauen galten in Europa als besonders schön und wild. 

Sie sollen Tänze, Gesänge und Boxshows im Frankfurter Zoo aufgeführt haben, wie im Audiowalk zu hören ist. Auch von der zur Schau gestellten Zubereitung des traditionellen Getränks Kawa ist die Rede.

Daneben berichtet der Rundgang von den sogenannten Eskimos aus Labrador von 1880, von der Dahomey-Schau 1891 und von der Zurschaustellung sogenannter Südsee-Insulaner 1931. 

Inszenierung früher und heute  

Der Audiowalk als Collage aus Sound, Interviews und Erzählung arbeitet künstlerisch mit dem historischen Material - eine Inszenierung, wie auch die Menschenschauen. "Der Zoo ist eine Inszenierung von Natur. Völkerschauen sind eine Stufe weitergegangen. Sie haben Menschen hinzugefügt. Sie haben versucht Biotope und Kulturräume zu inszenieren. Die waren natürlich Fakes, aber für die Menschen im 19. Jahrhundert waren das eindrucksvolle Situationen", beschreibt Jan Deck.  

Historisches Plakat. Im Mittelpunkt eine dunkelhäutige und -haarige Frau mit Blume im Haar, um deren Oberkörper sich eine große Schlange windet. Daneben Text: "Zoologischer Garten - Unsere neuen Landsleute - Ausstellung Samoa"

Kämmerer fand die Inszenierung von Nacktheit besonders eindrucksvoll. Bei Gruppenfotos der dargestellten Völker wurden europäische und südländische Stereotype gemischt. Aufstellung und Pose der Gruppen entsprach der europäischen Bildsprache, dabei waren die einzelnen Menschen beinahe nackt - zur Untermalung der exotischen Vorstellung. 

Unterstützung durch die Stadt Frankfurt 

Katja Kämmerer und Jan Deck produzieren seit 2008 interdisziplinäre Performances und erforschen seit 2016 künstlerisch historische Orte in Frankfurt. Audiowalks haben sie in der Pandemie für sich entdeckt. "Wilde werden - Menschenschauen in Zoos" wird deshalb ab Spätsommer auch online dauerhaft verfügbar sein. Die Stadt Frankfurt unterstützte das Projekt mit 20.000 Euro.

Der Zoo freut sich über diese Initiative von "profikollektion" und hat dafür sein Gelände gerne zur Verfügung gestellt, sagt Christina Geiger, Direktorin des Frankfurter Zoos. "Die künstlerische Intervention ersetzt aber nicht eine wissenschaftliche Bearbeitung des Themas durch unabhängige Expertinnen und Experten", beschreibt sie die Aufgabe für die kommenden Jahre.

Weitere Informationen

Audio-Walk "Wilde werden"

Am Samstag und Sonntag, 2. und 3. Juli, und am Samstag, 9. Juli, jeweils zwischen 12 und 17 Uhr im Frankfurter Zoo.
Teilnahme nach Voranmeldung unter www.profikollektion.de.
Die Teilnahme ist kostenlos, eine Spende ist erwünscht. 
Der Audiowalk ist voraussichtlich ab Spätsommer auch unabhängig von der Führung abrufbar.

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