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Rosemarie Trockel im Museum für Moderne Kunst

Bildkombination: links ein Portrait von Rosemarie Trockel, rechts ein Foto einer Arbeit von ihr (Kopf einer Frau mit Hut, sehr unscharf)

Sie machte auf der documenta X einen Schweinestall zur Kunst und mit ihren Strickbildern aus belächelter Handarbeit gefragte Kunstwerke. Zu Rosemarie Trockels 70. Geburtstag widmet das Museum für Moderne Kunst in Frankfurt ihr eine Ausstellung.

Die Frau gilt als öffentlichkeitsscheu, Interviews gibt sie nicht. Trotzdem hat Rosemarie Trockel es in der Kunstwelt ganz nach oben geschafft. Kunstexperten halten sie für eine der wichtigsten Künstlerinnen der Gegenwart. Der "Kunstkompass", der aus Ausstellungen, Magazin-Rezensionen und Museumsankäufen jedes Jahr den Marktwert von Kunstschaffenden ermittelt, sieht sie schon seit vielen Jahren unter den fünf wichtigsten Künstlerinnen und Künstlern weltweit.

Eine künstlerische Arbeit, die an einer Wand hängt und aus vielen Wollfäden besteht, die nebeneinander farbige Streifen ergeben.

Dass ihr Name trotzdem in Europa nicht so bekannt ist, liegt auch daran, dass Rosemarie Trockel eine Frau ist, die sich im männlich dominierten Kunstbetrieb behaupten muss, sagt Susanne Pfeffer, Direktorin des Museums für Moderne Kunst (MMK) in Frankfurt.

Sie hat Trockel zu ihrem 70. Geburtstag eine Retrospektive gewidmet, die bisher größte für die 1952 in Schwerte (Nordrhein-Westfalen) geborene Künstlerin. Die Schau mit Exponaten aus 50 Jahren geht über alle drei Etagen des Museums: die bekannten Strickbilder der Künstlerin, Keramikplastiken, Buchcover, Gemälde, Fotografien und Videofilme sind zu sehen. Rund 300 Exponate belegen, warum man den Namen Rosemarie Trockel kennen sollte:

1. Ihre Kunstwerke sind Hingucker - und am Puls der Zeit

1997 schuf die Künstlerin zusammen mit Carsten Höller einen Publikumsliebling der documenta X: Ihr "Haus für Schweine und Menschen" in der Karlsaue war ein ökologischer Musterstall, in dem eine Herde von Bunten Bentheimer Schweinen artgerecht gehalten wurde. Eine Anregung, über Massentierhaltung und Gewinnmaximierung in der Lebensmittelproduktion nachzudenken.

Highlights aus 60 Jahren documenta

Für ihre berühmt gewordenen Strickbilder, die auf den ersten Blick an gemütliche Handarbeit erinnern, erarbeitete sie schon in den 1980er Jahren die Vorlagen am Computer und liess sie maschinell stricken.

In ihrer bisher letzten Ausstellung in Brengenz 2015 stellte sie eine lebengroße Puppe auf, gehüllt in Trachtenstoff und bekleidet mit einer schussicheren Weste. Es war Trockels Interpretation einer Bregenzer Redensart: "Märzeschnee und Wiberweh sand am Morge niamme meh" - eine Verspottung leidender Frauen.

2. Sie ist eine Feministin mit Humor

Als eine von wenigen Frauen im Kunstbetrieb, die von ihrer Arbeit auch leben können, machte Trockel die patriachalen Strukturen immer wieder zum Gegenstand ihrer Arbeiten: Die Wollbilder, ein ironische Umkehr der handarbeitenden Hausfrau. Das vielfach variierte Motiv der Herdplatte - ihre Antwort auf die Forderung, dass Frauen an den Herd gehörten.

Künstlerische Arbeit an einer weißen Wand. Vier kleine, weiße Ventilatoren gruppieren sich im Viereck auf einer quadratischen Fläche.

"Rosemarie Trockel hat einen sehr soziografischen Blick auf die Welt", sagt Pfeffer. "Sie versteht sich auch als politische Künstlerin, das macht sie zu einer der wichtigsten zeitgenössischen Künstlerinnen der Gegenwart."

Rosemarie Trockel, Notre-Dame, 2018

Die riesige Haarnadel, die auch das Plakat zur Ausstellung schmückt, weckt ganz unterschiedliche Assoziationen, sagt Susanne Pfeffer, die auch Kuratorin der Ausstellung ist. Sie bändigt die Haare, die ja als Körperteil auch sexuell gelesen werden könnten, erinnert aber auch an Krimis, in denen verschlossene Türen mit Haarnadeln geöffnet werden - und manchmal sogar zur Mordwaffe werden.

3. Sie spielt in der Champions League der Kunstwelt

Auch wenn sie in ihrem Heimatland vielen unbekannt ist - Rosemarie Trockel gehört zu den weltweit erfolgreichsten zeitgenössischen Künstlern. Sie hat im Museum of Modern Art in New York ausgestellt und nahm 1999 als erste Frau im Deutschen Pavillon an der Biennale von Venedig teil.

MMK-Direktorin Pfeffer nennt Trockel in einem Atemzug mit Künstlern wie Marcel Duchamps und Andy Warhol, die mit ihrer ganz eigenen Formensprache ganze Künstler-Generationen beeinflusst hätten.

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Rosemarie Trockel im MMK Frankfurt

10. Dezember bis 18. Juni 2023

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