Serhij Zhadan mit Band in Frankfurt auf der Bühne

Zwei Jahre im Corona-Modus stecken der Buchmesse nicht nur wirtschaftlich in den Knochen. In diesem Jahr soll alles wie früher werden. Schon der Auftakt lässt eine Prognose wagen: Es dürfte emotionaler denn je werden.

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Frankfurter Buchmesse eröffnet

hs
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Es gibt einige Indizien, die uns die Vorhersage wagen lassen, dass sich bei der Frankfurter Buchmesse 2022 an einigen Orten Gefühle Bahn brechen könnten.

Außergewöhnliche Dankesrede zum Auftakt

Die Frankfurter Buchmesse hatte noch nicht begonnen, da flossen bereits die ersten Tränen. Bei der Buchpreis-Verleihung an Kim de l'Horizon am Montagabend stockte bei der Dankesrede die Stimme. Statt weiterer Worte gab es einen Song und als Zeichen der Solidarität mit den Frauen im Iran rasierte de l'Horizon sich die Haare vom Kopf. Kein Vergleich zu Dankesreden mancher Vorjahre, die gerne mal den Charme eines germanistischen Proseminars hatten. Ein emotionaler Auftakt, wie er im Buche steht.

Pflichttermin mit Tiefgang

Der Eröffnungsdienstag hält für die Presse normalerweise einige Pflichttermine bereit. Unter anderem die Auftaktpressekonferenz, bei der Buchmesse-Chef Juergen Boos und Karin Schmidt-Friderichs, Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, für gewöhnlich Daten und Zahlen vortragen. Außerdem immer auf dem Podium: ein literarischer Gast - mal mehr, mal weniger inspirierend. "In 20 Jahren Buchmesse-Pressekonferenz habe ich noch nie so eine tolle Rede gehört", erklärte ein Pressevertreter am Dienstagmittag.

Schriftsteller Mohsin Hamid bei der Eröffnungspressekonferenz.

Die versammelte Journalistenschar zu fesseln und zu anhaltendem Applaus zu bewegen, war Moshin Hamid gelungen. Der britisch-pakistanische Schriftsteller machte seine Ansprache zu einem Plädoyer für Zusammenhalt. Für die Rolle der Literatur bemühte er ein anschauliches Bild: Die Literatur als Kooperation in Reinform. Sein Gedanke: Was Schriftsteller zu Papier bringen, seien keine Romane, sondern lediglich "halbe Romane", die erst durch den kreativen Akt des Lesens vollständig würden. "In einer Welt, die im Begriff scheint, in eine Phase der Dunkelheit einzutreten, sind Romane ein Häufchen Glut, das wir in unseren Händen bergen, die Glut der Möglichkeiten. Sie ruft uns in Erinnerung, dass wir unsere Welt gemeinsam erneuern können."

Weltkrisen auf den Bühnen

Das Buch als Kitt der Gesellschaft - selten hat die Literatur ein größeres Aufgabenpaket auf die Buchdeckel geladen bekommen. Zur Eröffnung am Dienstagabend wurde die Latte noch ein Stück höher gelegt, das Buch von fast allen Festrednern als Friedensstifter beschworen. "Diese Buchmesse ist die politischste Messe aller Zeiten." Dieser Satz, in den vergangenen Jahren vielfach auf Eröffnungspressekonferenzen gesprochen und gehört, könnte beim Blick in den Veranstaltungskalender 2022 aber tatsächlich wahr werden.

"Das Programm im Frankfurt Pavilion spiegelt das Weltgeschehen", heißt es in der Ankündigung der Messe. Iran, Afghanistan, Ukraine -  Klimadebatte, Energiekrise, Rassismus - die Krisen der Welt werden dort im Stundentakt diskutiert. Das lässt Raum für emotionale Momente - möglicherweise sogar mit Nachhall. Am Freitagabend gibt hier der ukrainische Friedenspreisträgers Serhij Zhadan, der nicht nur Autor, sondern auch Musiker ist, mit weiteren Künstlern aus der Ukraine ein Konzert (18.30 Uhr, Frankfurt Pavilion). Besonders gespannt darf man auf Zhadans Rede am Sonntag in der Paulskirche sein - live in der ARD um 10.45 Uhr.

Termine mit Botschaft

Schon am Donnerstag, 12.30 Uhr, wird der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj per Videobotschaft bei einer Verlegerkonferenz sprechen. Seine Frau Olena Selenska wird am Samstag (22. Oktober, 17.30 Uhr, Saal Harmonie) sogar live vor Ort in Frankfurt erscheinen.

Die weltweiten Krisen finden ihren Weg auf die Podien in Frankfurt. Das war zwar im Grunde immer schon so, doch schien es in der Vergangenheit eher en passant und in Verbindung mit einem Schulterzucken zu passieren. Ist da was? Hört jemand zu? "Die Buchmesse ist ein Gegenmodell zu einer Echokammer", betonte Buchmesse-Chef Juergen Boos auf der Eröffnungspressekonferenz. Mit Livestreams, Videoschalten und Konzerten scheinen die Zeiten vorbei, in denen ein kleiner Kreis Interessierter nahezu unbemerkt vor sich hin diskutierte. Hört jemand zu? Die Chance ist groß.

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