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Booktokerin Jessica aka Miss Nerdstagram

Junge Frau sitzt in Hängestuhl vor einem bunten Bücherregal und einem Bildschirm und liest

Und sie lesen doch: Junge Buchkritiker haben mithilfe sozialer Medien einen regelrechten Leseboom ausgelöst. Booktoker oder Bookstagramer nennen sie sich. Eine davon ist die 24-jährige Hessin Jessica Sauerwald - sie kann ihren Buch-Hunger dort endlich voll ausleben.

Das schlecht belichtete Foto eines Buchcovers auf Instagram war der Anfang: Ende 2018 veröffentlichte Jessica Sauerwald ihren ersten Post mit ihrer Meinung zu einer gerade gelesenen Geschichte. Einfach, weil sie die irgendwie loswerden musste. "Ich hatte niemanden in meinem Umkreis, der überhaupt gelesen hat", sagt die 24-Jährige aus Ehringshausen (Lahn-Dill).

Doch ihr Post wurde eifrig kommentiert, weitere folgten, und schnell war klar: Jessica - oder Jess, wie sie sich auch nennt - traf mit ihren Buchkritiken einen Nerv. "Ich war so geflasht und habe dann nach und nach diese Community entdeckt", erzählt sie. Sie selbst hatte das Lesen in ihrer Kindheit in Thailand für sich entdeckt, wo sie bis zur sechsten Klasse mit ihren Eltern lebte.

Weil das Interesse an ihren Posts immer weiter wuchs, beschloss Jessica, ernsthafter an ihre Buchvorstellungen heranzugehen: Sie schaffte sich unter anderem eine Spiegelreflex-Kamera an und Softboxen für besseres Licht. Sie richtete einen Youtube-Account ein, im Frühjahr dieses Jahres weitete sie ihre Buchbesprechungen auf TikTok aus. Auf Instagram hat sie mittlerweile über 13.000 Follower, auf TikTok sehen über zwölftausend Menschen ihre Videos und Posts über Bücher.

Jessica Sauerwald

Verlage: "Kein Einzelphänomen"

Den wachsenden Einfluss von Booktokerinnen und Booktokern beobachtet auch die Verlagsbranche, wie Pia Menz vom S. Fischer Verlag verrät: "Das ist definitiv kein Einzelphänomen. Ich würde es eher als Trendbewegung bezeichnen, die wir als Verlag auch schon länger beobachten."

Inzwischen kommen Verlage um die Sozialen Medien als Marketing-Mittel nicht mehr herum, besonders bei Jugendbüchern. Deshalb bemühen sie sich auch immer öfter um Kooperationen mit Booktokern und Bookstagramer, erklärt Menz: "Weil die mit Leidenschaft und Interesse dabei sind, weil es noch mal was anderes ist, wenn direkt aus der Zielgruppe jemand ein Buch vorstellt."

Solche Kooperationen können unterschiedlich aussehen. Viele Booktoker bekommen zum Beispiel Rezensionsexemplare zugeschickt, also Gratis-Bücher, die sie dann besprechen sollen.

"Irgendwann zu stressig"

Jessica war davon zunächst begeistert, wie sie erzählt. "Aber mittlerweile mache ich das fast gar nicht mehr," sagt sie heute. Denn dadurch entstehe Druck, das Buch auch zu besprechen. "Das wurde mir irgendwann zu stressig und ich wollte lieber das lesen, worauf ich gerade wirklich Lust habe."

Und auch wenn es immer mal wieder vorkommt, dass ein Verlag ein Video sponsert: Die etwa 200 Euro im Monat an Ausgaben für ihren unstillbaren Buch-Hunger, die Kamera, das Licht- und Ton-Equipment kommen damit nicht rein. Die kann sie mittlerweile durch Werbung auf ihrem Kanal und einen Verlagsjob einigermaßen decken, erzählt sie. Bleibt die Zeit, die sie investiert: Mindestens zwei Stunden am Tag liest sie. Und für die Videos gehen oft noch einmal zwei Stunden drauf.

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Premiere für TikTok-Bühne

Am Publikums-Sonntag, 23. Oktober, wird es auf der Frankfurter Buchmesse erstmals eine TikTok-Bühne auf der Agora geben. Den ganzen Tag gibt es dort Programm rund um die BookTok-Community, Workshops und Talks. Zum Abschluss wird der Singer & Songwriter Mayberg von 17 bis 17.30 Uhr ein Mini-Konzert geben.

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Ein Aufwand, der sich für sie lohnt: "Ich finde das einfach total cool," versichert die 24-Jährige. Und irgendwie sei die Aufmerksamkeit schon auch befriedigend, fügt sie augenzwinkernd an. Aber vor allem sei sie Booktokerin wegen dieses ganz speziellen Zugehörigkeitsgefühls, "dass man eine Community gefunden hat, in der man sich zu Hause fühlt."

"Zum Lesen animieren ist das schönste Gefühl"

Bei all dem Zuspruch in der Community ist es für Pia Menz nicht verwunderlich, dass es immer mehr so genannte Bookfluencer gibt. Allein auf dem deutschen Markt sind es längst über hundert, schätzt Menz. Deren Einfluss spürt man auch im Buchhandel. Große Händler wie Thalia und Hugendubel richten zum Beispiel regelmäßig spezielle Booktoker-Tische ein, "je nachdem, was gerade trendet," weiß Menz.

Jessicas Lieblingsgenres sind Fantasy- und Liebesromane. Denn sie lese, um sich zu unterhalten, um der Realität zu entfliehen, und das dann mit anderen zu teilen. Manchmal gibt es dann sogar noch einen Bonus, verrät die Booktokerin: "Wenn ich Menschen zum Lesen animieren kann, die vorher nicht gelesen haben. Das ist für mich das allerschönste Gefühl."

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