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32 Stunden Party in Wetzlar

Christian Minke

Andernorts machen Clubs dicht, in Wetzlar feiert am Wochenende ein Electro-Club seine Wiedereröffnung. Der Betreiber hat eine "neue Aufbruchsstimmung" bei Jugendlichen ausgemacht. Ein spezielles Konzept soll Feierwütige locken.

Die schwarz-weißen Fliesen sind von Staub bedeckt, im ganzen Raum stehen Kisten voller Werkzeug, schwarze Stoffbahnen werden an die Wände getackert, Bretter gesägt. In der Luft hängt der Geruch von Lack: Dass Electro-Fans am Samstag die Tanzfläche im ehemaligen Mäx in Wetzlar erobern sollen, scheint einige Tage zuvor noch schwer vorstellbar.

Doch Christian Minke und seine Mitarbeiter sind zuversichtlich. Mit einem Festival wollen sie den Club unter dem Namen Technodisco am Wochenende wiedereröffnen – und das, obwohl deutschlandweit seit Jahren das Gespenst des Clubsterbens umgeht. "Wir hatten letztes Jahr einen sehr bewegten Sommer", erklärt Minke, Kopf des Unternehmens TD Entertainment aus Gießen, den Eröffnungszeitpunkt.

Ticketvorverkäufe stabil

Sein Unternehmen habe viele Veranstaltungen in ganz Deutschland organisiert oder mit Equipment und Konzepten ausgestattet, sagt Minke. "Wir haben festgestellt, dass es viele junge Leute gibt, die ausgelassen feiern wollen – gerade nach der langen Corona-Pause." Anders als bei Veranstaltern, die ein älteres Publikum bedienen, laufen seine Ticketvorverkäufe stabil, betont Minke.

Aufregung und Vorfreude sind groß: "Auf unseren Events im vergangenen Jahr war die Stimmung regelrecht ekstatisch", sagt Minke. "Da stand ein Haufen junger Leute auf den Tanzflächen, von denen viele vielleicht Abi gemacht haben und dann zwei Jahre nur digital unterwegs waren, weil es keine Möglichkeit zum Feiern gab". Jetzt hätten sie gemerkt wie es ist, wenn 1.000 Menschen um sie herum sind, die Musik dröhnt und die Lichter blitzen. "Diese Menschen zu beobachten – da macht der Job richtig Spaß."

"Die trinken ein, zwei Bier weniger"

Es sei der perfekte Zeitpunkt, diese "neue Lust am Feiern", diese "Aufbruchsstimmung" bei Menschen um die 20 zu bedienen oder sogar mitzugestalten. Dieser Altersgruppe sei es momentan auch egal, ob Strom und Gas teuer sei, "die trinken ein, zwei Bier weniger", weiß Minke.

Christian Minke in der Technodisco

Dabei hat er Glück, auf ein großes Lager zurückgreifen zu können, so dass er von den aktuellen Preissteigerungen nur marginal betroffen ist, erzählt er weiter. Denn ab 2012 betrieb er sieben Jahre lang in Wetzlar die Technodisco an einem anderen Ort und behielt danach viele Materialien und Technik - "zum Leidwesen meiner Mitarbeiter", wie er augenzwinkernd sagt. Er habe immer mal wieder darüber nachgedacht, wie er weitermachen könne, doch dann sei ohnehin die Pandemie gekommen.

Veranstaltungen im Zwei-Wochen-Rhythmus

Zur elektronischen Musik kam Minke in den 2000er-Jahren, als er in Wetzlar eine Galerie eröffnete, in der er auch Veranstaltungen organisierte. Daraus entwickelter er mit einem Partner das Konzept der 48-Stunden-Galerien – eine Art Event-Galerie, die nur für 48 Stunden geöffnet war und sich auf Street Art und Graffiti spezialisierte. Daraus entwickelten sich wiederum reine Musikveranstaltungen in ganz Deutschland, erzählt der 36-Jährige.

Wie lange der neue Club nun laufen wird, weiß Minke nicht genau. Um das Gelände herum entstehen gerade Mehrfamilienhäuser. "So lange, bis die fertig sind, betreiben wir den Club", sagt er. "Wobei wir schon einen höheren Aufwand betreiben als wir eigentlich geplant hatten", räumt er ein. Der Clou: Der Club wird nicht jedes Wochenende geöffnet sein. Minke und sein bis zu zehnköpfiges Team organisieren Motto-Veranstaltungen im Zwei-Wochen-Rhythmus, so dass "ein gewisser Event-Charakter bleibt". Im Sommer gebe es eine Pause für Open-Air-Festivals.

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Ursachen des Clubsterbens

Seit den 2000er-Jahren machen immer mehr Clubs dicht. Während der Corona-Pandemie 2021 hat der Bundestag Clubs als Kulturstätten anerkannt, um gegenzusteuern. In Hessen gibt es viele Beispiele für Clubs, die schließen mussten. In Wetzlar haben in den 2010er-Jahren zum Beispiel drei Clubs den Betrieb eingestellt: die Rockdisco Poco, das Mäx und die Technodisco. In Frankfurt hat es jüngst den Clubkeller, das Final Destination und das Spritzehaus getroffen, zuvor gaben unter anderem das legendäre Omen oder die Stereobar auf.

Den Betreibern macht der demografische Wandel und ein stark verändertes Ausgehverhalten zu schaffen, das mit der Digitalisierung und auch immer heißeren Sommern zusammenhängt – viele Menschen besuchen Befragungen des Statistischen Bundesamts zufolge lieber Einzel-Events, Festivals und Open Airs. Für Verabredungen sind Bars immer beliebter geworden: Laut Statistischem Bundesamt gab es im Jahr 2020 über 2.200 Bars und rund 1.000 Discos in Deutschland – im Jahr 2007 war dieses Verhältnis noch umgekehrt.

Vielen Clubs brach auch die Corona-Pandemie das Genick, aktuell spielen die gestiegenen Energiepreise eine große Rolle. In großen Städten wie Frankfurt mussten Betreiber zudem wegen explodierender Immobilienpreise und Gentrifizierung aufgeben.

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