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Darum geht es in "Murot und das Prinzip Hoffnung"

Ein Mann sitzt vor einem runden Tisch, auf dem sechs Holzfiguren stehen.

Wittgenstein, einige Tote und Lars Eidinger: Der Tatort "Murot und das Prinzip Hoffnung" führt uns in die Welt der Philosophie und zeigt eine zerrüttete Familie, die kalt tötet. Aber warum? Einschalten lohnt sich - Erkenntnisgewinn und Spannung sind garantiert.

Handlung: Was passiert?

Drei Morde geschehen in Frankfurt, scheinbar ohne Zusammenhang. Zunächst werden ein chinesischer IT-Experte auf Geschäftsreise und ein Gemüsehändler mit türkischen Wurzeln erschossen. Im LKA Wiesbaden denkt man voll Panik sofort an die NSU-Morde.

Kommissar Murot (Ulrich Tukur) jedoch hat schnell den Verdacht, dass die beiden ersten Morde nur den Zweck hatten, das Ganze wie eine Mordserie aussehen zu lassen, während es dem Täter eigentlich um das dritte Opfer ging: dem ehemaligen Philosophieprofessor Jochen Muthesius, der nach einer Familientragödie schon lange Jahre auf der Straße lebte.

In den Fokus von Murots Ermittlungen geraten die Kinder des Professors: Paul, ein exzentrischer Schauspieler (Lars Eidinger), Inga, eine labile Psychotherapeutin (Karoline Eichhorn) und Laura (Friederike Ott), die mit dem Geld ihres Vaters eine christliche Stiftung für Bedürftige gründete.

Murot und seine Assistentin Magda laufen mit der Familie Muthesius eine Wiese entlang.

Alle drei kennt Murot gut, in seiner Studienzeit war er häufig Gast der wohlsituierten Familie. Er ist überzeugt davon, dass sie - einzeln oder gemeinsam mit dem Nachbarssohn Jürgen - die drei Morde begangen haben.

Doch er kommt mit seinen Ermittlungen nicht voran. "Jemand treibt ein Spiel mit mir", glaubt er. Murot versucht, seine Verdächtigen gegeneinander auszuspielen. Um sie aus der Reserve zu locken, fordert er sie vor einer laufenden Reporterkamera auf, ihn zu töten.

Was lernen wir über Kommissar Murot?

Der Herr Kommissar ist ein eigenbrötlerischer Mensch, stets im Anzug unterwegs. Wir kennen ihn seit über zehn Jahren, wissen, dass er irgendwann mal einen Gehirntumor hatte und dass er Single ist und immer war. Er ist manchmal zynisch und durchgehend nachdenklich.

Ein Mann steht in einem Raum mit großer Fensterfront. Hinter ihm sieht man mit weißen Laken abgedeckte Möbel.

In "Murot und das Prinzip Hoffnung" lernen wir einen ausgesprochen tiefsinnigen Ermittler kennen und erfahren auch, wo das herkommt: Murot hat vor seiner Polizeiausbildung Philosophie studiert. Und zwar genau bei diesem Professor Muthesius, dessen Ermordung er nun aufklären muss.

"Ich war jung, neugierig und wollte verstehen…", sagt Murot zu seinem Studium. Er begeistert sich für die "Frankfurter Schule" und schwärmt davon, "was die Stadt einmal war, bevor die Türme hochgezogen wurden und es plötzlich um etwas anderes ging".

Ihm war das schließlich alles zu akademisch, er wollte "nicht reden, sondern etwas tun". Und so ließ er sich zum Ermittler ausbilden und landete schließlich beim LKA in Wiesbaden. "Murot und das Prinzip Hoffnung" gibt dem Kommissar viele Gelegenheiten, mit seiner Belesenheit und Intellektualität zu prahlen.

Warum ist Magda Wächter nicht wirklich eine Assistentin?

Weil sie zu gut ist! Magda Wächter (Barbara Philipp) steht seit der ersten Murot-Folge an der Seite des Kommissars. In "Murot und das Prinzip Hoffnung" bezeichnet er sie wieder einmal etwas gönnerhaft als seine Assistentin. Assistentin! Das klingt nach Fleißarbeit und Kaffeekochen.

Magda Wächter mit Schusswaffe in der Hand

Aber Magda ist hier einmal mehr eine Partnerin auf Augenhöhe, ermittelt und schießt derart treffsicher - ohne Magda wäre der schöngeistige, intellektuelle Herr Murot verloren. Wahrscheinlich tot. Sie selbst kommentiert ihre Rolle lakonisch und grenzt sich selbstsicher von Murot ab: "Ich bin hier nur der Bildzeitungs-Heini".

Mit dieser Einschätzung liegt sie allerdings komplett daneben. Und für die Muthesius-Kinder, die sich lieber am Philosophen Wittgenstein reiben, als emphatisch miteinander umzugehen, hat sie nichts als Erstaunen übrig. "Heiliger Bimbam, was ist bloß mit denen los?"

Wer - oder was - spielt die eigentliche Hauptrolle?

Der Titel des Tatorts gibt uns einen klaren Hinweis: "Murot und das Prinzip Hoffnung". Und gemeint ist hier nicht Murot, sondern vielmehr die Philosophie in Gestalt der Frankfurter Schule. Frankfurt war mal das Zentrum der europäischen Philosophie, lernen wir in dieser kleinen Nachhilfestunde, die dieser Tatort auch ist.

Murot hat sie studiert, sie hat ihn geprägt und er ist ganz offensichtlich ein Fan. So bekommt er ausreichend viele Gelegenheiten, uns zu erklären, was die Frankfurter Schule ist, und immer wieder Wittgenstein zu zitieren.

Bei der Leiche des Professors finden Murot und Wächter ein Buch, Ernst Blochs "Das Prinzip Hoffnung". "Klingt irgendwie schön", findet sie. Und er zitiert den Toten: "Was sind wir ohne Hoffnung?" Aber schön ist da leider gar nichts. In der intellektuellen Diskussion über Wittgenstein und wie naiv der Vater ihn überschätzt habe, offenbart sich nach der Beerdigung die brutale Dysfunktionalität dieser toxischen Familie. Die Kinder sind gebrochen.

Was bietet uns Lars Eidinger?

Alles, was wir von Lars "Superstar" Eidinger erwarten. Dabei dachte man nicht, dass er noch einmal in einem Tatort spielen würde. Er gibt den exzentrischen Alleinunterhalter und Sohn des toten Professors, Paul. Der ist ein trauriger Zyniker, wahnsinnig, überdreht und traumatisiert.

Bei seinem ersten Auftritt sitzt Lars Eidinger auf einer Theaterbühne in einem Varieté, das passt. Bühne kann Eidinger, er gibt eine kleine Solonummer, so intensiv und fesselnd, wie es vielleicht nur das Theater und vielleicht nur Lars Eidinger kann.

Lustig: Der Text, den er vorträgt, verhöhnt den ewigen Tatort am Sonntagabend um 20.15 Uhr. Paul spricht ihn direkt zu Murot, der dieser Szene zuschaut. "Unseren täglichen Mord gib uns heute, denn Dein ist das Nichts, wenn Du vor den Schöpfer schiffst." Murot lächelt milde.

Eine dunkel abgehangene Bühne mit roten Vorhängen. Ein Spot beleuchtet einen Mann im schwarzen Anzug, der auf einem roten Barhocker sitzt und ein Mikrofon in der Hand hält.

Eidinger ist der Star und er verspricht Quote: Schon vor Tagen hat er auf seinem Instagram-Account den Tatort beworben. Hunderte Likes und über 120 Kommentare feiern Eidinger, der bei Instagram meistens als DJ und Fotograf auftritt. Die Eidinger-Follower versprechen, am Sonntag einzuschalten. Und das, obwohl die meisten von ihnen wohl eher selten lineares Fernsehen schauen - wenn überhaupt.

Fazit: Anschauen oder nicht anschauen?

Anschauen? Unbedingt. Der Tatort "Murot und das Prinzip Hoffnung" wartet mit einem Star-Ensemble auf, hilft uns Bildungslücken zum Thema Philosophie und systemische Familienaufstellung zu schließen, erinnert uns daran, dass die eigene Familie vielleicht doch ganz passabel ist und unterhält großartig. Da ist für jeden was dabei.

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"Murot und das Prinzip Hoffnung"
ARD, Das Erste
Sonntag, 21.11.2021, 20.15 Uhr

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