Viagra-Tag: Das große Potenzversprechen Wie salonfähig sind Viagra und Co.?

Ein Frankfurter Künstler hängt eine Viagra-Pille an die Wand - riesengroß. Peinlich? Urologen ermuntern: Wer Potenzmittel ausprobieren will, muss sich nicht schämen. Zum heutigen Viagra-Tag der Versuch einer Ehrenrettung für ein umstrittenes Medikament.
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Künstler Martin Wenzel: "Auf den ersten Blick ist es eine lustige Arbeit..."

Fingernagelklein und blau ruht sie in der Handfläche, die Viagra-Pille - kurz vor dem Runterschlucken. Beim Frankfurter Künstler Martin Wenzel misst sie knapp 60 mal 50 Zentimeter, etwa so viel wie ein Waschbecken. Gestrichen in der Farbe "Tropical Carribean Blue" hängt sie an der Wand. Betrachtende begegnen ihr auf Augenhöhe.
"Auf den ersten Blick ist es eine lustige Arbeit", sagt Wenzel. "Man kennt das Objekt, man weiß, worum es geht - und dann ist die Pille auch noch riesengroß." Öfter hätten Leute seine Skulptur schon in den Händen gehalten, sie demonstrativ zum Mund geführt und gescherzt "haha, wie schlucke ich die jetzt runter?" Der Künstler setzt auf den Aha-Effekt.
Wer die Skulptur von der Rückseite betrachtet, entdeckt eine kleine Klappe, die dafür gedacht ist, die die Asche einer verstorbenen Person einzufüllen. Die vermeintlich lustige Pille ist also eigentlich eine Urne. "Sie ist aus Holz, gestrichen mit Lehmfarbe. Man könnte sie problemlos im Erdreich bestatten", erklärt Wenzel.
Potenzmittel haben ein schlechtes Image
Viagra-Tag
Der Viagra-Tag findet jährlich am 27. März statt. Er erinnert an die Markteinführung des Arzneimittels. Das US-amerikanische Unternehmen Pfizer hat Viagra als Arzneimittels zur Behandlung der erektilen Dysfunktion (Erektionsstörung) beim Mann, am 27.03.1998 auf den Markt gebracht.
Ende der weiteren InformationenUrsprünglich war Viagra vom Hersteller Pfizer als Blutdruckmedikament entwickelt worden, heute ist es als Arzneimittel gegen Impotenz bekannt. Hormon-, Nerven- oder Durchblutungsstörungen, aber auch psychische Faktoren sind mögliche Gründe für eine Erektionsschwäche, erklärt Christian Wülfing, Sprecher der Deutschen Gesellschaft für Urologie (DGU).
Potenzmittel können da helfen. Dennoch haftet Viagra, Cialis und Co. der Ruf des Anrüchigen an. Auch weil die Krankenkassen in Deutschland die Kosten für die Präparate nicht übernehmen, hätten Potenzmittel das Image einer Leistungs- oder Lifestyle-Droge, erklärt Felix Chun. Er ist Direktor der Klinik für Urologie am Universitätsklinikum Frankfurt. "Aber an sich ist das Präparat eine echte Errungenschaft im Bereich Männergesundheit."

Auf der Suche nach Viagra den Herzinfarkt entdecken
Wer wegen Erektionsschwäche zum Arzt geht, kann sogar anderen gefährlichen gesundheitlichen Risiken vorbeugen. Bevor Potenzmittel verschrieben werden, müssen Patienten nämlich auf körperliche Beschwerden untersucht werden. Ein positiver Nebeneffekt, findet Chun. "Erektionsstörungen können ein Frühwarnsystem sein - zum Beispiel für einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall", bestätigt Wülfing von der DGU. In Kombination mit diesem Indikationen können Potenzmittel ein Risiko darstellen.
Viagra-Skulptur prangert auch gefährlichen Konsum an
Auf die gefährliche Seite des Pillen-Konsums verweist auch die Viagra-Skulptur von Martin Wenzel. Sie ist im Rahmen eines Aufenthalts in dem afrikanischen Land Ghana entstanden. "Dort werden viele sehr figürliche Särge hergestellt", berichtet der Künstler. "Es geht dann um das Leben der Verstorbenen, um ihre Sehnsüchte." Wenzel hat bei einem Sargbauer vor Ort ein Praktikum gemacht, wie er es nennt. Er betont, dass seine Urne nicht ghanaische Kultur kopieren soll. Neben der Viagra-Skulptur gibt es noch weitere Urnen - ein Stück Butter, "das steht für ungesunde Ernährung, hohe Cholesterin-Werte, Herzkranzverfettung" und einen Föhn, "Symbol des Suizids in der Badewanne“.
Die Urnen sind für Wenzel die Essenz einer sehr persönlichen Auseinandersetzung mit dem Tod. Dass das Kunstwerk für Betrachtende vielleicht eine ganz andere Bedeutung hat, findet er völlig in Ordnung. "Finden sie es lustig? Wissen sie, dass es eine Urne ist? Ich kann nicht in jeden Kopf schauen", sagt er. Amüsement, Scham, Begierde und Bedrohung - Wenzels Viagra-Pille kann Projektionsfläche sein für die ambivalenten Gefühle der Masse gegenüber einem Potenzmittel, das in seinen Augen in erster Linie einmal Freude verspricht. "Bisher habe ich es noch nicht gebraucht, aber ich glaube, ich würde es ausprobieren."