Das neue Museum Ernst in Wiesbaden Ein "Zuckerwürfel" für die Kunst

Wilhelmstraße 1 - das ist eine der besten Adressen in Wiesbaden. Wo lange Zeit nur Autos parkten, entsteht jetzt ein einzigartiges Museum für abstrakte Kunst. In diesem Jahr soll es fertig werden.
Wegen seiner Form und seiner weiß schimmernden Fassade werde das neue Museum in Wiesbaden bereits liebevoll "Zuckerwürfel" genannt, erzählt Oliver Kornhoff und freut sich. Kornhoff ist seit dem Jahreswechsel in Wiesbaden und arbeitet als Gründungsdirektor daran, dass dieses Museum im Herbst eröffnet werden kann.
Ausschließlich abstrakte Kunst wird hier zu sehen sein, etwa von der US-Amerikanerin Helen Frankenthaler. "Da haben Sie ein Rosa, das Ihnen den Atem verschlägt, und das dann mit einem Grün spricht", schwärmt Kornhoff. "Da gibt es ganz viel auf der Leinwand zu erleben."
Oder die großformatigen "Moby-Dick"-Reliefs von Frank Stella - komponiert aus einer Vielfalt von Materialien, von Teppichresten bis zu Blech, von Holz bis zu Verpackungsfolie - auch sie gehören zu Kornhoffs Lieblingen.
Ein eigenes Museum für eine Sammlung
All diese Kunstwerke stammen aus der Sammlung von Reinhard Ernst. Aufgewachsen in Eppstein (Main-Taunus) hat Ernst in Limburg zwei Maschinenbauunternehmen gegründet - mit großem wirtschaftlichen Erfolg. Ein Museumsbesuch am Rande einer Dienstreise nach Paris machte Ernst zum Fan moderner Kunst und zum Sammler.
Neben US-amerikanischen Künstlerinnen und Künstlern sammelt er Nachkriegskunst aus Europa und Japan. Immer abstrakt, aber ausdrucksstark. Fast 900 Werke umfasst seine Sammlung mittlerweile. Jetzt soll sie endlich der Öffentlichkeit zugänglich werden - in einem eigenen Museum.
Reinhard Ernst, der seit 2000 in Wiesbaden lebt, überzeugte die Stadt von seinem Projekt eines Museums der abstrakten Kunst. Die Stadt stellte das Grundstück an der Wilhelmstraße zur Verfügung - für Kunstliebende günstig gelegen, genau zwischen dem Museum Wiesbaden und dem Nassauischen Kunstverein.
Japanischer Star-Architekt entwirft 60-Mio-Euro-Bau
Die von dem Sammler und seiner Frau gegründete Reinhard-und-Sonja-Ernst-Stiftung finanziert den Betrieb des Museums und zahlt auch den Neubau für rund 60 Millionen Euro. Dafür konnte er den japanischen Stararchitekten Fumihiko Maki gewinnen, der mit seinen 93 Jahren schon einige Museumsbauten weltweit realisiert hat.

Makis Architektur gibt sich bescheiden. Der weiße "Zuckerwürfel" wird einen Rahmen für die Kunst bieten, sich aber nicht selbst in den Vordergrund drängen. "Das Licht, das in den gläsernen Innenhof strömt, heißt die Menschen emotional willkommen", so beschreibt Direktor Oliver Kornhoff die beabsichtigte Wirkung.
Ein zwölf Meter hoher Ahornbaum werde hier stehen und eine Skulptur von Eduardo Chillida. Räume mit unterschiedlichen Deckenhöhen sollen das Publikum weiterführen bis in einen Saal, "den wir Kathedrale nennen, weil er mehrere Geschosse übergreift".
Freier Eintritt für Kinder und Jugendliche
Kornhoff, der zwölf Jahre lang Direktor des Arp-Museums in Remagen war, hat nichts gegen den Begriff "Kunsttempel", wenn er das Spirituelle des Kunsterlebnisses zum Ausdruck bringe. Schwellenängste aber solle man vor dem Museum Reinhard Ernst auf keinen Fall empfinden. Das Erdgeschoss sei als offener Treffpunkt geplant, Eintritt frei. Für Kinder und Jugendliche sollen sogar alle Etagen des neuen Museums frei zugänglich sein.
Dem Sammler Reinhard Ernst gehe es darum, gerade jungen Leuten die Botschaften abstrakter Kunst zu vermitteln, betont Kornhoff: "Die hat etwas mit mir zu tun!"
Nicht nur süße Entdeckungen im "Zuckerwürfel"
Nach dem Zweiten Weltkrieg seien gerade in der abstrakten Kunst ganz neue Ausdrucksformen entstanden, die in unserer unruhigen Gegenwart auf neue Weise verständlich würden: "Ich habe ein einfarbiges Gemälde in Schwarz, ein gestisches Farbspektakel mit Tropfen und Wischungen, ich habe Künstlerinnen und Künstler, die Leinwände zerschneiden, ich habe das Ringen um eine neue Bildsprache in einer Welt, die ihre Sicherheit im Zweiten Weltkrieg verloren hatte."
Es sind nicht nur süße Entdeckungen, die ab Herbst im "Zuckerwürfel" an der Wiesbadener Wilhelmstraße möglich sein werden.