Der Euro mal anders Wenn der EC-Automat Kunstwerke ausspuckt

Vor 20 Jahren wurde der Euro in Deutschland eingeführt. Dass Geld nicht nur ein Zahlungsmittel ist, zeigen vier hessische Künstler mit ihren Werken.
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Bei dieser Kunst dreht sich alles ums Geld

20 Jahre ist es her, da gab es in der Neujahrsnacht einen Ansturm auf Geldautomaten. Die spuckten nämlich erstmals die nagelneuen Euro-Scheine aus.
Wer in einem Frankfurter Atelier seine EC-Karte in den Bankautomaten steckt, der dürfte ein ähnliches Gefühl wie damals haben. Wie sehen sie wohl aus, die Scheine, die das Gerät ausgibt? Wie fassen sie sich an? Denn dieser spezielle Automat liefert eine seltene Währung: Riedel-Noten.

Fünf Euro rein und als Gegenwert bekommt man graphische Kunst von Michael Riedel, gedruckt auf Papier, aus dem sonst Euro-Scheine entstehen. "Es sind 43 Grafiken, die jetzt im Wert von Geldscheinen kursieren", erklärt Riedel und grinst verschmitzt, während er mit einem Schein wedelt. "Ist ja schön, dass man einen echten Riedel mal für 5 Euro kaufen kann, das gibt’s ja auch nicht so oft."
Sonst verkauft Michael Riedel seine Werke eher im fünfstelligen Bereich. Die schwarz-weiß-bedruckten Riedelscheine dagegen werden jeweils im Wert von herkömmlichen Euroscheinen ausgegeben, also zwischen 5 und 500 Euro. So hat sich der Künstler im Prinzip seine eigene Währung geschaffen. Würde er alle Scheine verkaufen, wären Riedel-Noten im Gegenwert von 45 Mio Euro im Umlauf.

Und wenn man den filigranen Druck genau betrachtet, entdeckt man Worte, Zahlen und ganze Sätze. Alles Notizen aus dem jahrelangen E-Mail-Verlauf mit seiner New Yorker Galerie, verrät der Künstler. Ihn interessiere das Gerede um Kunst mehr als die Kunst selbst. Aus dem Textmaterial seien dann die Grafiken entstanden. "Die drehen sich letztendlich darum, wie man Kunst am besten verkauft."
Wie viele Kalorien hat ein Euroschein?
Dass bedrucktes Papier so viel Einfluss auf unser Leben hat und eigentlich niemand ohne es auskommt, scheint viele hessische Künstler umzutreiben. Georg Schmitt befasst sich in seinem Wiesbadener Atelier schon seit Jahren damit.
Sein Umgang mit Geld ist oft sehr spielerisch, wenn er zum Beispiel geschredderte 500-Euroscheine in die Hand bekommt. Das purpurfarbene und orangene Schreddergut, vermischt mit Vaseline, verwandelt sich in eine Art Geld-Mett-Masse. "Und die habe ich dann in einen Kunstdarm reingestopft." Fertig ist die Geld-Wurst - für alle, denen Geld vielleicht eher wurst ist.

Manchmal wird Schmitt aber auch philosophisch. Geld habe den Stellenwert von Gott übernommen, werde als allmächtig angesehen. "Und in unserem Kulturkreis ist Gott ja essbar, durch die Hostie und das Blut. Und ich habe mich gefragt, wenn das Geld gottähnliche Qualitäten hat, wie ist dann die Hostien-Qualität von Geld, wie viele Kalorien hat Geld?"

Für sein Projekt "Der Nährwert des Geldes" hat Schmitt also kurzerhand D-Mark-, Dollar- und Euroscheine im Labor analysieren lassen. Mit verblüffenden Ergebnissen: "Da kam raus, dass der Dollar Zucker hat, aber definitiv keine Stärke. Der Euro hat auf jeden Fall Kalorien und die D-Mark enthält Fett."
Makro Money: Verborgene Details neu inszeniert
Der Frankfurter Künstler Pete Jones hingegen betrachtet am liebsten intakte Geldscheine. Und zwar ganz genau. Er beleuchtet Banknoten aus aller Welt mit einer speziellen Foto-Technik, so dass die Vorder- und Rückseite zu einem ganz neuen Bild verschmelzen.
Da bekommt das Porträt der Queen plötzlich ganz neue Farben, Fische scheinen um sie herumzutanzen. Auf einem anderen Schein fliegt ein kleiner chinesischer Drache aus einem Feuerring empor. Jedes dieser Details ist tatsächlich auf den Geldscheinen drauf, Jones inszeniert sie nur neu, indem er vergrößert und mit Unschärfen spielt.

Banknoten seien an sich schon kleine Kunstwerke, die von Künstlern gestaltet wurden, betont Pete Jones. Ihm gehe es darum, diese kleinen Geschichten und Zeit-Zeugnisse darauf zu zeigen. "Das Ganze, was eben Kunst und Geld vereint, ist einmal dieser Materialwert des bedruckten Papiers und der Symbolwert. Das unterschiedet sich ja extrem. Und damit hab ich gespielt."
Was passiert, wenn Geld offen herumliegt?
Auch Ralf Kopp verwendet Geld für seine Kunst und fügt Banknoten manchmal einfach etwas hinzu. Und so sitzt da ein Schiffbrüchiger unter der stilisierten Brücke eines 5-Euro-Scheins, um auf die Flüchtlingssituation aufmerksam zu machen.

Oder der Darmstädter spielt mit Münzen: "Bei dem Projekt 'Gier frisst' habe ich Wörter, wie zum Beispiel das Wort Freiheit oder Vertrauen oder Verantwortung aus 1-Cent-Münzen ausgelegt." Die rund 50.000 1-Cent-Münzen werden in der Öffentlichkeit platziert und dann sich selbst überlassen.

Wie reagieren Passanten auf diese Münz-Installationen? Wie wird so viel Geld zum Beispiel in einer Fußgängerzone aufgenommen? Im Juli 2014, am Fuße der Frankfurter Katharinenkirche, konnte man das Wort Vertrauen lesen - zumindest für eine kurze Weile. 14 Stunden dauerte es, bis alle Münzen verschwunden waren.

Ralf Kopp ist noch heute darüber erstaunt, wie die Menschen damals auf sein Kunst-Experiment reagiert haben. "Es haben wirklich Menschen eigenes Geld dazu gelegt, was ich total faszinierend fand. Andere sind einfach drüber gelaufen, andere Menschen haben das Wort dann wieder zurechtgelegt und nachts, klar, war das Geld dann immer weg."