Adalbert, die Assel, langweilte sich zu Tode. Coup nach Coup hatten sie gedreht. Doch nun war ihnen die Polizei auf den Fersen und sie hatten untertauchen müssen. Monsieur Cloporte, wie der Name schon sagt mit Leib und Seele Asseldresseur, war auf der Suche nach einem geeigneten Unterschlupf mit niedriger Kriminalitätsrate schnell auf den wunderschönen und geheimnisvollen Odenwald gestoßen. Dort gab es das kleine Örtchen Asselbrunn, das zu Michelstadt gehört. Schon vom Namen her konnte es keinen besseren Asselunterschlupf geben. Die letzte Überzeugungsarbeit hatte das dort zu erwartende Kläranlagenaroma übernommen. Einfach eine perfekte Asselatmosphäre. In Asselbrunn hatte Cloporte ein kleines Ferienhaus mit großem Garten, fürs Home-Office, wie er angab, aufgetan und angemietet.

Die Asseln waren zunächst begeistert vom Odenwälder Frisch-Laub. Wie anders war es hier, verglichen mit der staubigen Großstadt! Sie asselten unter den Steinen im Garten und an den alten, feuchten Kellerwänden. Die Begeisterung währte allerdings nur drei Wochen. Dann war jeder Winkel erforscht, jede Laubsorte gekostet und es machte sich Langeweile breit. Cloporte versuchte sie mit dem Einüben von Kunststücken zu beschäftigen. Aber zweckfreien Kunststücken fehlte irgendwie der kriminalistische Reiz, um die Asseln zu Höchstleistungen anzuspornen. Auch Cloportes Versuche, weiteren Asseln seine Assel- Verständigungsmöglichkeit beizubringen, scheiterten an der mangelnden Motivation der lethargischen Asseln. Diese Verständigungsmöglichkeit bestand darin, mithilfe einer alten mit Sand gefüllten Zigarrenschachtel durch Assel-Purzelbäume Spuren ähnlich eines Strichcodes zu hinterlassen, die Cloporte wiederum entziffern konnte.

Mit Adalbert, seiner Lieblingsassel, hatte er diese Technik perfektioniert. Nun saß Cloporte, Adalbert in der Zigarrenkiste, auf der Terrasse dieses dezentral-beschaulichen Ferienhauses und sann nach Abhilfe. Da krabbelte Andi, ein kleiner Assel-Azubi, zu Adalbert in die Zigarrenkiste und flüsterte ihm aufgeregt etwas ins Ohr. Adalbert kullerte es für Cloporte in den Sand. Andi hatte, weil ihm die anderen Asseln zu schläfrig waren, auf eigene Faust einen kleinen Ausflug in den benachbarten Wald unternommen. Dort hatte er in einer Felsspalte eine kleine metallene Kiste gefunden. Die Kiste hatte Rostlöcher, sodass er ins Innere gelangen konnte. Sie enthielt kleine hellgrüne, reiskornförmige Körner. Andi hatte sie nicht gekostet, nur an ihnen geschnuppert. Einen Geruch nach Abenteuer hätten die Körner verströmt. Abenteuer? Cloporte, dem es inzwischen selbst etwas zu beschaulich in dem Ferienhaus geworden war, sprang auf. Und auch Adalbert winkte aufgeregt die anderen Asseln herbei. Die Nachricht verbreitete sich in Sekundenschnelle. Und wenig später machten sie sich zum Fundort auf, den aufgeregten Andi vorneweg. An der Felsspalte angelangt, strömten die von Adalbert instruierten Trägerasseln direkt mit dem Auftrag in die Spalte, die Kiste ans Tageslicht zu bringen. Die Bergung gestaltete sich als etwas schwierig, weil es, an der Kiste angelangt, direkt Streit gab, wer die Kiste schieben und wer nur aus dem Weg gehen sollte. Schließlich kippte die kleine Kiste aber über den Rand der Spalte und sprang auf. Kleine grüne Körnchen, wie Andi sie beschrieben hatte, rollten auf den Waldboden. Cloporte bückte sich, sammelte die Körnchen wieder in die Kiste und setzte sich auf einen Stein. Das Kistchen enthielt neben den Körnern auch einen kleinen, mit Schriftzeichen bedeckten, vergilbten Zettel. Cloporte versuchte Worte zu entziffern, was ihm aber nicht gelang. Zu merkwürdig waren die winzigen Schriftzeichen. Adalbert brachte ihn purzelbaumend auf die Idee, den Zettel mit dem Internet-Übersetzer über die Scanfunktion seines Handys zu entschlüsseln. Leider hatten sie an dieser Stelle des Odenwalds kein Internet.

Andi, vor der Aussicht auf Abenteuer ganz hellgrauwangig, hatte schließlich die Idee, es einfach mit einem Selbstversuch zu probieren. Cloporte legte sich selbst ein Körnchen zurecht und zerkrümelte einige für seine Asseln. Adalbert zählte bis drei und alle verspeisten ihren Anteil. Im Wald begann es zu grollen, dann gab es einen lauten Knall und Nebel waberte über den Waldboden. Nachdem sich dieser verzogen hatte, sahen sie den Eingang einer Höhle direkt vor sich. Es roch geheimnisvoll alt und irgendwie nach feuchtem Keller. Die Asseln waren kaum zu bremsen. Sie stürmten alle zusammen in die Höhle hinein. Plötzlich hörten sie eine lauten Schrei: "Ahhhh! Stopp!". Cloporte zuckte zusammen. "Das ist mein Schatz! Finger weg!" Cloport zog die eine Augenbraue hoch und schaute die Horde an Asseln fragend an. Doch diese zuckten synchron die Schulter. War es so dunkel in der Höhle? Sie konnten niemanden sehen. "Wenn ihr auch nur einen Schritt weiter geht, macht ihr Bekanntschaft mit meinem Messer!" Das ließ die Asseln eher unbeeindruckt, doch Cloporte wurde nervös. Die Asseln drängten mit Asselkampfgeschrei weiter. Endlich war mal wieder etwas los. Cloporte schaute verdutzt hinterher. Aus dem Nichts tauchte ein hässlicher Kobold auf. Er hielt eine Art Mütze in der Hand. "Ich bin Alberich und werde meinen Schatz verteidigen! Immer der Ärger mit diesen dämlichen Zeitreise-Körnchen. Da liegt seit gut tausend Jahren eine Anleitung bei und keiner liest sie. Wer hier schon alles in die Höhle geschneit ist und bis man sie dann wieder los ist." Schnaubend wies er auf eine Höhen-Nische, in der sich einige Skelette stapelten. Damit stürmte er auf Cloport zu, dem es immer mulmiger in seiner Haut wurde und drückte ihm das Messer an den Hals. "Warum habt ihr die Anleitung nicht gelesen?" "Wiwiwir hatten kein Netz", stammelte Cloporte, was den Kobold sichtlich verwirrte. Diesen Moment nutzten die Kitzel-Asseln, schossen an den Beinen des Kobolds empor und begannen ihn mit geübten Bewegungen durchzukitzeln. Der Kobold verlor das Gleichgewicht und fiel zu Boden. Dort hatten sich bereits andere Asseln zu kleinen Kugeln geformt, sodass der Kobold Richtung Höhlenausgang rollte. Cloporte, der aus seiner Schockstarre erwacht war, stürzte sich auf ihn, entriss ihm die Mütze und fesselte ihn mit der Rolle Bindfaden, die er zu Assel-Springseilübungen immer bei sich trug.

Cloporte überlegte. Alberich. Das sagte ihm doch etwas. Da fiel es ihm ein. Er musste in der siebten Klasse doch mal ein Buch über die Nibelungensage lesen. Dort kam ein Zwerg Alberich vor, der den Niebelungenschatz bewachte. Irgendwie mussten diese Körner sie in der Zeit und vielleicht auch im Raum versetzt haben. Alberich mit der Tarnkappe. Kein Wunder, dass sie ihn vorhin nicht gleich gesehen hatten. Aber wo war der Schatz, den er bewachte? "Alberich", rief Cloporte, "wo ist der Schatz, den du bewachen sollst?" "Ich sag nix", schnappte Alberich und drehte sich zur Wand. Das war auch gar nicht nötig. Denn die Asseln waren in der Zwischenzeit weiter in die Höhle vorgedrungen, hatten den Schatz gefunden und Andi zupfte nun an Cloports Hosenbein, um ihn über den Fund zu informieren. Cloport eilte in den hinteren Teil der Höhle. Dort wuselten die Asseln bereits ausgelassen zwischen Juwelen und Goldmünzen und spielten zwischen Diademen und Ohrringen Fangen. Cloporte grinste und probierte die Tarnkappe. Damit sollten die nächsten Verbrechen ein Kinderspiel sein. Und sie waren reich. Steinreich. Oder eher Asselreich? Die Asseln hatten jedenfalls sichtlich Spaß an dem gefundenen Geschmeide. Jetzt mussten sie es nur noch aus der Höhle schaffen. Ein paar alte Freunde in Paris konnten ihnen sicher behilflich sein, die Stücke zu Geld zu machen. Stellte sich nur die Frage, wie sie dorthin zurück kommen sollten. Adalbert schien sich die selbe Frage zu stellen. Denn er schaute Cloporte fragend von dessen Brusttasche aus an. Cloporte stöhnte resigniert auf. Es führte kein Weg daran vorbei. Sie mussten den unsympathischen Alberich um Rat fragen. "Tja, das würdet ihr gerne wissen", zischte dieser nur. "Macht mich los, wenn ihr Hilfe wollt." Sie einigten sich schließlich darauf, dass die Asseln den Schatz wieder aufräumen und Cloporte Alberich die Trankappe zurück geben würden. Außerdem versprachen sie nach der Rückkehr das Kistchen mit den Zeitreisekörnern zu vernichten.

Cloporte machte Alberrich los und dieser zog ein ähnliches Kästchen aus seiner Hosentasche, wie sie es in der Felsspalte gefunden hatten. Allerdings enthielt es rote Körnchen. Cloport zerbröselte einige für die Assel und auf drei nahm wieder jeder von ihnen seinen Anteil ein. Mit Knall und Nebel versetzte es sie zurück nach Asselbrunn. Allerdings brachte es Cloporte nicht über sich, das Kistchen zu vernichten, sondern er verkaufte es an einen zwielichtigen Trödelhändler, mit dem er ohnehin noch eine Rechnung offen hatte. Und Andi wurde für seine Taten zu Adalberts offiziellem Assistenten ernannt. Sollte Ihnen also beim Antiquitätenhändler Ihres Vertrauens mal ein altes Kästchen in die Hände fallen, seien sie vorsichtig, wenn es kleine grüne Körnchen enthält.