Eine Hose für alle Lebenslagen Die Jogginghose ist gekommen, um zu bleiben

Mit der Jogginghose in die Frankfurter Oper? Mit dem richtigen Styling kein Problem, erklärt eine Wiesbadener Modeexpertin. Dass der Schlabberlook einen Siegeszug von der Couch in die City hingelegt hat, liegt auch an der Corona-Pandemie.
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Die Jogginghose - manchmal auch ein Statement

Feinde des legeren Beinkleids müssen jetzt tapfer sein. Ein Blick auf den Kalender: 21. Januar - Tag der Jogginghose. In der Bahn, im Supermarkt, im Café - die Jogginghose ist überall. Spätestens mit Beginn der Corona-Pandemie, mit Lockdowns und Home-Office ist sie zum Allrounder geworden.
Die Jogginghose ist mehr als ein Modetrend, sagt Lena Papasabbas, Kulturanthropologin am Zukunftsinstitut in Frankfurt. "Sie gibt die Möglichkeit, tiefere gesellschaftliche Prozesse abzuleiten."

Derzeit erlebten wir eine Vermischung von öffentlichem und privatem Raum. Durch Videokonferenzen im Home-Office sei der Blick frei in die Wohnungen der Kolleginnen und Kollegen. Vor dem Computer in der eigenen Küche oder im Arbeitszimmer sitzt man nun einmal nicht in Krawatte und hohen Schuhen vor dem Rechner. Die Jogginghose werde so zur Konsequenz des Ganzen, erklärt die Forscherin. Die Folge: Die Jogginghose wird zu einem Kleidungsstück, das auch in der Öffentlichkeit getragen werden kann.
Wenn Freizeit wichtiger als Arbeit wird
Die Zukunftsforscherin sieht die Jogginghose als Symbolbild für einen Wertewandel. Das Verhältnis von Arbeit und Freizeit ändere sich - zugunsten der Freizeit. So kann man mit Business-schicker Jogginghose zur Arbeit und direkt danach zum Sport, zum Wandern oder zum Treffen mit der Freundin. Das Ansehen von Business-Schick hingegen lasse nach, so Papasabbas.
Deswegen werde die Jogginghose auch nach dem Home-Office eine Zukunft haben. Die Vermischung von privat und öffentlich, von Arbeit und Freizeit und auch das Home-Office, das sei eine unaufhaltsame Entwicklung. "Das sind Dinge, die sind gekommen, um zu bleiben."
Das passe auch zum Wandel im Statusdenken. Die Karriereleiter zu erklimmen oder Titel zu erreichen, sei für junge Menschen häufiger sekundär. Arbeit solle stattdessen Spaß machen oder Sinn stiften. Die Mode geht diesen Schritt mit, erklärt Papasabbas: "Wenn die steifen Anzugjobs unattraktiver werden, dann verändert sich auch die Mode." Casual Friday - warum also nicht demnächst in Jogginghose? Nicht undenkbar, sagt die Kulturanthropologin.
Die Erfolgsgeschichte einer Modeikone
Die Geschichte der Jogginghose begann vor über 100 Jahren im Land der Mode: Frankreich. In den 1920er Jahren brachte die Marke Le Coq Sportive die erste Jogginghose auf den Markt. Sie war aus Jerseystoff und sollte Sport bei kalten Temperaturen angenehmer machen. In den 1970er Jahren wurde die Jogginghose dann richtig beliebt. Gesellschaftsfähig wurde sie durch die amerikanische Popkultur: die Rap und HipHop-Szene in den 1990er Jahren trug Jogginghose - und tut es noch heute. Seit 2009 hat sie sogar ihren eigenen Feiertag: den internationalen Tag der Jogginghose am 21. Januar.
Ende der weiteren InformationenGut genug für den roten Teppich oder Oper
Einen Teil des Hypes hat die Jogginghose möglicherweise auch den dazu getragenen Sneakern zu verdanken. "Die sind schon seit Jahren kompatibel fürs Büro und sogar den roten Teppich", sagt Modedesign-Professorin Ilona Kötter. Sie unterrichtet an der Akademie Mode und Design in Wiesbaden.
Mit den Sneakern und der Jogginghose ergebe das einen salonfähigen Look. "Im richtigen Styling fällt das wahrscheinlich nicht mal auf, wenn ich in Jogginghose zur Premiere der Frankfurter Oper gehe." Erst recht nicht, wenn es ein Teil aus einer Edel-Kollektion ist, für das man schon mal 1.000 Euro auf den Tisch legen muss.
In der Kollektionsgestaltung von großen Marken nehme die Jogginghose einen hohen Anteil ein, so Kötter. Besonders im Young-Fashion-Bereich sei die Jogginghose wichtig: "Wenn man mal in eine Grundschule oder einen Kindergarten guckt, da gibt es kaum ein Kind mit Jeanshose. Vom Pyjama, in die Jogginghose, in die Schule." Das setze sich weiter durch, bis zu den 20- bis 30-Jährigen. Die Gesellschaft sei einfach gemütlicher geworden.
Eine Statement-Hose für alle
Und bei wem ist die Jogginghose beliebter? Bei Männern oder Frauen? Im Grunde ist sie das Gegenteil von "typisch weiblich" gesehener Kleidung, wie hohen Schuhen oder körperbetonten Hosen. Dass sie trotzdem - oder vielleicht auch gerade deswegen - bei Frauen genauso beliebt ist wie bei Männern, ist für Kulturanthropologin Papasabbas eine Besonderheit: "Die Jogginghose ist eine totale Befreiung. Wenn ich sage 'mir ist egal, wie ich aussehe, es soll gemütlich sein' - das kann auch ein Statement sein für eine neue Haltung."
Das Fazit: Mit unserer Gesellschaft verändert sich auch der Wert der Jogginghose. Vom reinen Sportkleidungsstück zum Sofa-Look bis hin zum roten Teppich. Als Trend oder Statement: Die Jogginghose ist gekommen, um zu bleiben.