Blick auf die Sitze in einem Kinosaal des Kinos Grünberg

Popcorn und Nachos sind angerichtet, Blockbuster laufen wieder. Doch obwohl auch im Kinosaal neue Freiheiten gelten, leiden die Lichtspielhäuser weiter unter Corona: Das Publikum fehlt. Betreiber warnen vor einem Kinosterben.

Das Popcorn auf den Knien, vor sich die große Leinwand und dann rein in ein zweistündiges Abenteuer aus bewegten Bildern und Surround-Sound. So fühlt sich Kino an. Nur verzichten viele Filmfreunde immer noch auf dieses Erlebnis. Vielleicht weil es ihnen zu unsicher ist, mit vielen Leuten in einem Raum zu sitzen. Oder weil die Maske stört. Oder weil sie sich zu Hause gemütlich eingerichtet haben, mit Riesenbildschirm und Streamingdiensten.

Kino nur noch am Wochenende?

Die Gründe sind vielfältig, jedenfalls können die Kinos ihre Säle nicht füllen, obwohl sie es offiziell dürften. Nur noch zu bestimmten Zeiten ist wirklich etwas los. Marion Closmann betreibt in Marburg das Cineplex und das Capitol Filmkunsttheater. Sie hat die Erfahrung gemacht, dass unter der Woche kaum noch Leute kommen. "Das Ausgehen konzentriert sich noch mehr als vor Corona aufs Wochenende."

Edith Weber, Betreiberin des Kino Grünberg (Gießen), kann das bestätigen: "In der Woche ist es eine Katastrophe. Wenn zehn Leute kommen, ist es schon viel." Sie hat deshalb das Programm abgespeckt. Die Vorabendvorstellung fällt weg, und der Dienstag ist jetzt Ruhetag. Und das im Jubiläumsjahr ihres Lichtspielhauses: Der Vater von Edith Weber hat das Kino Grünberg vor 70 Jahren gebaut. Schon als Neunjährige hat sie dort mitgeholfen. Fast ihr ganzes Leben hat sie mit diesem Kino verbracht.

Edith Weber in ihrem Kinosaal Grünberg

Edith Weber fährt noch selbst über die Dörfer und klebt Filmplakate. Damit die Leute beim Einkaufen Lust bekommen, ins Kino zu gehen. Aber vielen ist die Lust offenbar vergangen in der langen Zeit der Pandemie. Oder sie müssen sich erst wieder daran gewöhnen.

Kinos müssen die Filmfans erst zurückgewinnen

Das beobachtet auch Erwin Heberling, Geschäftsführer des Film- und Kinobüro Hessen. Das Kino müsse das Publikum erst noch zurückgewinnen. Und das unter erschwerten Bedingungen. Dass während der ganzen Vorstellung die Maske getragen werden muss, sei ein Problem. Und auch ungerecht, verglichen mit den Regeln in der Gastronomie. Schließlich hätten schon mehrere Studien nachgewiesen, dass das Kino ein sicherer Ort sei, deutlich sicherer als ein Restaurant.

Zu den niedrigen Besucherzahlen kommen noch steigende Kosten: Einen Kinosaal zu heizen, wird immer teurer, der Mindestlohn für die Beschäftigten wächst, wie auch die Preise für Getränke und Süßwaren. Erwin Heberling fordert deshalb, dass die Kinos weiterhin finanziell unterstützt werden.

Denn bislang hätten Hilfen wie das Überbrückungsgeld ein Kinosterben in Hessen verhindert. Gerade mal drei Kinos mussten in den vergangenen zwei Jahren schließen. Aber die Gefahr sei noch nicht abgewendet, dass von den rund 110 hessischen Kinos noch weitere verschwänden.

Angst um Landkinos

Hessen zählt etwa 70 Kinostandorte, die meisten liegen in kleineren Städten. Manchmal sind sie das einzige kulturelle Angebot vor Ort. Um diese Landkinos sorgt sich Erwin Heberling besonders. "Die Kinos haben zwar überlebt, aber die Taschen der Betreiber sind leer." Deshalb brauche es jetzt unbürokratische Hilfen. Und es braucht vor allem das Publikum.

Auch Edgar Langer vom Kino Traumstern in Lich (Gießen) hat den Eindruck, dass die Filmfans erst langsam wieder ans Kino gewöhnt werden müssten. Die Nachwirkungen der Pandemie steckten vor allem in den Köpfen der Leute. Derzeit kämen etwa ein Drittel weniger Besucher ins Traumstern als in den Zeiten vor der Pandemie.

Vor dem Kino Traumstern in Lich hängt ein Banner mit der Aufschrift "Don't loose the humour"

Wobei die Lage dort vergleichsweise stabil ist, es gibt nach wie vor drei Vorstellungen pro Tag. Allerdings hat auch Edgar Langer das Programm angepasst: Der letzte Film läuft jetzt früher und der Hauptfilm schon um 18 Uhr. "Die Gewohnheiten haben sich verändert: Eine Vorstellung um 21 Uhr ist für viele inzwischen zu spät."

Das wiederum hat Auswirkungen auf die Filmauswahl, weil manche Filmverleihe ihre Filme für eine frühere Startzeit nicht hergeben. Unabhängig davon, wie die Besucherzahlen sind. Die Branche muss noch lernen umzudenken, wie Langer findet.

Namhafte Filme laufen im Frühjahr an

Etwas günstiger ist die Lage in den großen Städten. Christopher Bausch, Geschäftsführer der Frankfurter Arthouse-Kinos, zieht viel Publikum über besondere Angebote wie Festivals, Filmreihen und Themenabende, bei denen er auf Kooperationspartner zurückgreifen kann. Allerdings spürt auch er, dass die Nachfrage insgesamt noch verhalten ist. Etwa 60 Prozent der Menge an Leute kämen derzeit, verglichen mit der Zeit vor der Pandemie, schätzt Bausch.

Wobei er bei bestimmten Filmen seine Säle auch voll bekäme, sagt er. Aber die Kontrolle der Impfnachweise sei so aufwändig, dass es organisatorisch gar nicht zu stemmen wäre. Daher hofft auch Christopher Bausch auf weniger Auflagen: "Wir müssen irgendwann zurück zur Normalität." Zumal im Frühjahr viele gute Filme starteten, auf die er sich freue.

Appell von Ulrich Matthes

Die Filme und das Erlebnis, sie mit anderen gemeinsam zu sehen, mit Popcorn auf den Knien und vor sich die große Leinwand - das bleibt letztlich das große Versprechen des Kinos. So sieht es auch der überzeugte Cineast und Noch-Präsident der Deutschen Filmakademie, der Schauspieler Ulrich Matthes.

Er gestaltet zurzeit in der Reihe Carte Blanche einen Teil des Programms im Kino des Deutschen Filmmuseums in Frankfurt. Für ihn ist es einfach schöner, sich mit vielen Menschen im Kino von einem Film berühren zu lassen. "Das hat einfach eine andere Kraft und eine andere Wertigkeit", sagt Matthes. Damit das auch in Zukunft so ist und es viele Kinos mit unterschiedlichen Angeboten gibt, hat er eine zentrale Botschaft: "Liebe Leute, geht ins Kino!"

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