Vor dem Hintergund eines Waldes aus der Vogelperspektive sind im Vordergrund ein Richer in Robe, ein Portrait von Maxi Buck und eine Person im schwarzen Kapuzenpulli, die sich einen Ordner mit der Aufschrift "Free Ella" vor das Gesicht hält, zu sehen.

Die Proteste rund um den Bau der A49 beherrschten 2020 wochenlang die Schlagzeilen. Besonders nah dran war der Filmemacher Maxi Buck aus Schwalmstadt. Jetzt feiert seine Dokumentation "49 Problems" Premiere beim Kasseler Dokumentarfilmfest.

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Kasseler Dokumentarfilm- und Videofest startet

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Der Filmemacher Maxi Buck hat die Proteste rund um den Dannenröder Forst und den Bau der A49 ein Jahr lang auf der Seite der Aktivisten begleitet. Am Sonntag wird sein Film "49 Problems (and my future is one)" beim 39. Kasseler Dokumentarfilm- und Videofest gezeigt (15.30 Uhr, Gloria Kino), außerdem ist er für den regionalen Filmpreis "Goldener Herkules" nominiert.

Der 28-Jährige kommt aus Schwalmstadt (Schwalm-Eder), direkt an der A49. Im Interview erzählt er von der Intensität, mit der er realisierte, dass ihn diese Proteste direkt betrafen und warum sein Film eine Dokumentation darüber ist, wie Menschen mit Niederlagen und der damit verbundenen Verzweiflung umgehen.

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hessenschau.de: Ihr Film heißt "49 Problems (and my future is one)" und behandelt die Proteste rund um den Bau der A49 - warum bewegt Sie das Thema?

Maxi Buck: Es bewegt mich, weil ich irgendwann gemerkt habe - dieses Thema Dannenröder Wald und A49, das ist direkt vor meiner Haustür. Die A49 ist bei mir in der Heimat seit Jahrzehnten ein Thema. Mein Gedanke war: Das ist jetzt so nah - wenn wir von ökologischen Problemen und der Klimakrise sprechen - da kann ich nicht mehr weggucken, ich möchte mich jetzt damit auseinandersetzen. Den Titel würde ich gar nicht unbedingt auf mich beziehen. Ich will nicht als Filmemacher sagen: 'and my future is one', sondern es ist vielmehr auf die Protagonistinnen im Film bezogen. Ich möchte aus deren Sicht sprechen.

hessenschau.de: Es gibt inzwischen mehrere Filme über die Proteste im Dannenröder Forst - was macht Ihren besonders? 

Buck: Mein Film über die A49 und die Proteste fängt da an, wo die anderen Filme aufhören. Es gibt keinen Film, der sich so konkret mit der Thematik Ella beschäftigt. Ella wurde während der Proteste im Dannenröder Wald inhaftiert, weil ihr vorgeworfen wurde, einen SEK-Beamten auf einem Baum in 15 Metern Höhe ins Gesicht getreten zu haben. Das war eine Geschichte, die mich besonders bewegt hat und wo für mich sehr schnell klar war, dass darauf mein Fokus liegt. Und so endet mein Film dann, wenn der Prozess um Ella endet.

hessenschau.de: Wen wollen Sie mit dem Film erreichen?

Buck: Wenn ich ehrlich bin, weiß ich gar nicht, ob ich mir darüber so konkret Gedanken gemacht habe. Der Film ist aus einer ganz intensiven Berührung entstanden, die ich mit dem Thema hatte. Und ich wollte das einfach, um es pathetisch zu sagen, der Welt zur Verfügung stellen.

Ich möchte mit dem Film vor allem die Leute erreichen, die bisher noch gar nichts darüber wussten, was auf diesem Bauabschnitt passiert ist. Ich möchte dazu einladen, sich Menschen anzuschauen, die sich wehren, sich immer wieder neu aufbauen müssen, weil sie viele Niederlagen einstecken und mit viel Verzweiflung dealen müssen.

Das ist die Qualität des Films und ein ganz wesentlicher Punkt, den ich weitergeben möchte. Hier geht es wirklich um Verzweiflung, Niederlagen und einen unbesiegbaren Gegner. Und damit kann, glaube ich, jeder was anfangen. Egal, ob man für oder gegen die A49 ist.

Kurz nachdem der Film fertig war, habe ich ein Testscreening gemacht. Da habe ich von einer Freundin den Satz gehört 'Ich habe den Eindruck, du bist wie ein Anwalt für die Bäume oder vielleicht auch für den Protest’'. Ich weiß nicht, ob ich das so im Detail unterschreiben würde. Ich fand das auf jeden Fall ein sehr schönes Bild.

hessenschau.de: Wie haben Sie die Atmosphäre dort im Wald erlebt?

Buck: Das war für mich ein sehr intensives Erlebnis, als ich erstmal realisiert habe, dass diese Proteste, die jetzt so ein großes Ausmaß haben, ganz nah vor meiner Haustür sind. Ich erinnere mich noch, wie ich das erste Mal vor Ort war. Ich habe noch nie in meinem Leben zuvor so viel Polizei gesehen.

Ich hatte das Gefühl, hier wird eine Art Krieg geführt, wie auch immer man den definieren will. Zum Beispiel ein Krieg gegen die Natur, was mir sehr nahe gegangen ist und wo ich dachte, es interessiert mich jetzt, genauer hinzugucken.

hessenschau.de: In welcher Rolle waren Sie vor Ort?

Buck: Bevor ich mit den Dreharbeiten angefangen habe, war ich Beobachter zur Recherche dort. Auf einer persönlichen Ebene habe ich mich mit den Protesten solidarisch verbunden gefühlt und mich vertreten gefühlt, von den Menschen meiner Generation, die den Protest zeigen. Aus der professionellen, künstlerischen Sicht war es mir wichtig, diesen klaren und unkommentierten Blick auf die Geschichte zu haben, die der Prozess weiterzeichnet.

hessenschau.de: Sind Sie an den Film aus der Aktivismus-Perspektive herangegangen oder völlig ergebnisoffen?

Buck: Ich würde mich selbst definitiv nicht als Aktivist definieren, sondern vielmehr als Künstler. Ich habe die Arbeit von Anfang an als eine künstlerische Arbeit begriffen, viel weniger als eine journalistische. Ich hatte den Eindruck, dass die allgemeine Berichterstattung zum Thema A49 und Dannenröder Wald sehr weichgespült ist, verglichen mit dem, was die Autobahn für Gefahren verursacht, auch was das Trinkwasser betrifft.

Wenn wir uns an einer Wahrnehmung orientieren, die wir im Umgang mit ökologischen Krisen oder der Klimakrise haben müssten, fand ich, dass nicht angemessen genug berichtet wurde. Ich wollte in diesem Fall beobachten, was mich berührt. Und das war diese Protestkultur, deshalb habe ich mich darauf fokussiert. Der Film ist ein Porträt darüber, wie die Menschen mit der Niederlage in ihrem Protest umgehen.

hessenschau.de: Der Film hat am Sonntag beim Kasseler Dokumentarfilm- und Videofest Premiere und ist nominiert für den "Goldenen Herkules" - was sollen die Menschen aus dem Kinosaal an Gedanken mit nach Hause nehmen?

Buck: Ich versuche, mit meinem Film nicht zu belehren, obwohl ich persönlich eine ganz klare Haltung zu dem Projekt A49 habe. Das ist ganz klar das Ziel. Das ist eine Beobachtung und ich möchte jedem Menschen zutrauen, sich sein eigenes Bild daraus zu formen und seine eigenen Schlüsse daraus zu ziehen. Die Selbstbestimmtheit ist Teil meiner künstlerischen Haltung - und diese Selbstbestimmtheit möchte ich den Menschen zumuten und zutrauen.

Weitere Informationen

Das 39. Kasseler Dokumentarfilm- und Videofest

Alle Informationen rund um das Dokfest finden Sie im Webangebot des Festivalkinos. Hier sind neben dem umfangreichen Programmheft auch die einzelnen Vorführungen hinterlegt.. Die DokfestStreams zum Filmegucken auf dem heimischen Sofa finden Sie hier.

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Das Gespräch führten Katharina Diederich und Stefanie Küster.